Spruch:
Die außerordentliche Revision der Nebenintervenienten wird gemäß § 508 a Abs.2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs.3 ZPO).
Text
Begründung
Am 4.3.1984 scheuten beim Ausklang des Faschingsumzuges in Kuchl zwei Pferde aus einer Reitergruppe, galoppierten ohne Reiter durch die untere Marktstraße und verletzten die Fußgänger Josef K*** und Ferdinand F***. Josef K*** erhob gegen Gerbert
E*** zu 10 Cg 101/85 die Schadenersatzklage. Der Beklagte sei Tierhalter und hafte, weil er für die erforderliche Verwahrung der Pferde nicht gesorgt habe. Josef K*** verlangt S 60.000,-
Schmerzengeld, S 2.609,20 Fahrtkostenersatz und S 950,- an Ersatz des Kleidungsschadens, zusammen Zahlung von S 63.559,20. Ferdinand F*** erhob zu 10 Cg 117/85 die Klage gegen Gerbert E***, Erika E*** und den Verein "N***". Er nahm die beiden Reiter, deren Pferde ihn verletzten, und den Verein, der den Faschingsumzug mit Beteiligung der Reitergruppe veranstaltet hatte, auf Schadenersatz in Anspruch und begehrte S 150.000,- Schmerzengeld, S 18.011,26 Verdienstentgang, S 60.000,- als Entschädigung wegen Verhinderung des besseren Fortkommens und S 350,- als Ersatz für die Kleiderreinigung, zusammen daher Zahlung von S 228.361,26 (und nicht wie im Urteilsbegehren durch den zufolge Hinzurechnung des mit S 60.000,- angegebenen Wertes des Feststellungsinteresses entstandenen offenbaren Rechenfehler angegeben S 288.361,26) und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Folgen aus dem Verletzungsereignis. Den Wert des Feststellungsanspruchs gab der Kläger mit S 60.000,- an.
Die Beklagten und die Nebenintervenienten bestritten die Berechtigung aller Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach. Das Erstgericht hat beide Prozesse nach § 187 Abs.1 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und verfügt, daß die Verhandlung auf den Grund des (Leistungs-)Anspruchs beschränkt werde (§ 189 Abs.1 ZPO - Akt 10 Cg 117/85-5 AS 29; Akt 10 Cg 101/85-15 AS 99/100). Mit dem Zwischenurteil (richtig Teil- und Zwischenurteil) vom 27.2.1986, GZ 10 Cg 101/85-16, entschied das Erstgericht, daß "der Anspruch des Josef K***" gegen Gerbert E*** und "der Anspruch des Ferdinand F***" gegen Gerbert E*** und den Verein "N***" dem "Grunde nach zur Gänze" zu Recht bestehe, hingegen das von Ferdinand F*** gegen Erika E*** erhobene Begehren auf Zahlung von "S 288.361,26" samt Zinsen und auf Feststellung, daß sie dem Kläger für alle Folgen aus dem Vorfall vom 4.3.1984 beim Faschingsumzug in Kuchl hafte, abgewiesen werde.
Der abweisende Teil dieses Urteils des Erstgerichtes blieb unangefochten.
Das Berufungsgericht gab der von Gerbert E***, dem Verein "N***" und den Nebenintervenienten erhobenen Berufung gegen das Zwischenurteil nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO in jedem der Rechtsstreite nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, in jedem der beiden Prozesse wohl S 60.000,- nicht aber S 300.000,- übersteigt, weil das Feststellungsbegehren des Ferdinand F*** weder Gegenstand der Entscheidung des Erstgerichtes noch der des Berufungsgerichtes war und beim Zwischenurteil über ein Zahlungsbegehren der Geldbetrag des Leistungsanspruches maßgebend und eine Bewertung daher unzulässig sei.
Gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes haben nur die Nebenintervenienten (Haftpflichtversicherer des Gerbert E***) die außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß in beiden Prozessen die gegen Gerbert E*** erhobenen Klagebegehren abgewiesen werden, erhoben. Die Revisionswerber meinen, daß zumindst im Rechtsstreit 10 Cg 117/85, dessen Streitwert sie mit S 348.361,26 (= S 288.361,26 + S 60.000,- Wert des Feststellungsbegehrens) annehmen, ihre Revision ohne die im § 503 Abs.2 ZPO bezeichnete Einschränkung zulässig sei.
Dies wäre nur der Fall, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 300.000,- übersteigt. Da die Streitwerte zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundener Rechtssachen auch bei der Prüfung der Revisionszulässigkeit nicht zusammenzurechnen sind (Petrasch, Zivilverfahrens-Novelle 1983, ÖJZ 1985, 294; SZ 52/67; JBl 1984, 554 ua.), ist bei der Beurteilung des Streitgegenstandes jeder der beiden Prozesse gesondert zu betrachten. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Zwischenurteil über den ganzen Anspruch wie früher den Streitwert des eingeklagten Geldbetrages hat (Petrasch, Zivilverfahrens-Novelle 1983, ÖJZ 1985, 296; RZ 1985/6; ZBl 1936/401 ua.), trifft zu. Da die vom Geschädigten gegen den Schädiger erhobenen einzelnen Ansprüche wegen des Zusammenhanges nach § 55 Abs.1 Z 1 JN zusammenzurechnen sind, und dies nach § 55 Abs.4 JN auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gilt, übersteigt der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, in dem Rechtsstreit 10 Cg 101/85 S 60.000,-, aber nicht S 300.000,-. Im Rechtsstreit 10 Cg 117/85 hatte das Berufungsgericht infolge Berufung der Beklagten und der Nebenintervenienten nur den mit Zwischenurteil ergangenen Ausspruch zu überprüfen, daß die zusammengerechnet richtig auf Zahlung von S 228.361,26 gerichteten Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehen. Die Einschränkung der Verhandlung auf den "Grund der Ansprüche" durch das Erstgericht und seine Sachentscheidung kann nur dahin verstanden werden, daß Verhandlung und Entscheidung über das Feststellungsbegehren zunächst nicht stattfanden und, auch wenn das Erstgericht darauf nicht ausdrücklich einging, dem Endurteil vorbehalten bleiben sollte. Denn beim Feststellungsbegehren kann zwischen Grund und Höhe nicht wie beim Zahlungsbegehren getrennt entschieden werden, weil dort kein "Betrag" strittig ist (§ 393 Abs.1 ZPO). Das Erstgericht hat auch infolge der Einschränkung der Verhandlung nicht geprüft, ob Ferdinand F*** ein
rechtliches Interesse an der von ihm begehrten Feststellung besitzt, das neben der Haftung der in Anspruch genommenen Schädiger eine Voraussetzung für die Berechtigung des Feststellungsanspruches bildet.
Rechtliche Beurteilung
Hat das Erstgericht in Wahrheit im Rechtsstreit 10 Cg 117/85 nur über den Grund des Leistungsanspruches (S 228.361,26) abgesprochen, dann war auch der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht in diesem Prozeß entschieden hat, mit dem vom Zwischenurteil betroffenen Zahlungsbegehren im Zulassungsbereich gelegen (mehr als S 60.000,- aber nicht mehr als S 300.000,-) und es bestand kein Anlaß, das gar nicht zu entscheidende Feststellungsbegehren in die Überlegung einzubeziehen, ob ein Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes nach § 500 Abs.2 Z 3 ZPO zu ergehen hat. Nur wenn das Feststellungsbegehren auch Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichtes gewesen wäre, etwa bei Erhebung einer Berufung des Ferdinand F*** gegen die Abweisung seines
Leistungs- und Feststellungsbegehrens gegen Erika E***, hätte es des Bewertungsausspruches bedurft.
Dies wäre auch dann der Fall, wenn man die Ansicht teilt, der Wert des Streitgegenstandes ergebe sich bei einem Teilurteil aus dem Streitwert der Gesamtklage (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1424), weil dann der Streitgegenstand wegen der Verbindung des Zahlungs- mit dem Feststellungsbegehren in der Klage des Ferdinand F*** nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestünde. Bei der Anwendung der Revisionsbeschränkungen kommt es aber, wie Petrasch (ÖJZ 1985, 295) überzeugend dargelegt hat, nur auf den dem Berufungsgericht zur Entscheidung unterbreiteten Streitgegenstand an, der hier den Betrag von S 300.000,- nicht übersteigt. Daher liegt auch nicht der von den Revisionswerbern erwähnte Fall der Entscheidung EvBl. 1986/138 vor, weil dort der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision deshalb als nicht beigesetzt angesehen wurde, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, diese obere Grenze überstieg.
Es ist daher in beiden Rechtsstreiten tatsächlich nur eine außerordentliche Revision möglich.
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Revision nach dem § 502 Abs.4 Z 1 ZPO verneint. Es hat sich nämlich bei der durch die umfassende Betrachtung aller festgestellten Tatumstände dieses Einzelfalles gewonnenen Annahme der Haftung des Tierhalters an die im wesentlichen einheitliche neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten (vgl. vor allem EvBl 1982/43 = JBl 1982, 150 mit Äußerung von Koziol; ZVR 1984/234; ZVR 1985/45). Gegenüber der durch ein Tier drohenden Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen hat das Interesse der Allgemeinheit oder einzelner Personengruppen an der abwechslungsreichen Gestaltung von Faschingsumzügen zurückzutreten. Mit der Teilnahme von Reitern am Straßenverkehr (§ 79 StVO) ist die Mitwirkung an dem Umzug nicht zu vergleichen. In beiden Fällen sind überdies strenge Anforderungen an die Sorgfalt des nach § 1320 ABGB zur erforderlichen Verwahrung verpflichteten Tierhalters zu stellen, weil durch Einwirkung von Lärm mit einem dann unkontrollierbaren Ausbruch und der Gefährdung von Menschen geradezu gerechnet werden muß.
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