OGH 12Os159/86

OGH12Os159/8627.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael R*** und andere wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Michael R***, Raymund W*** und Rainer G*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26.Juni 1986, GZ 1 b Vr 1911/86-16 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Michael R*** und Rainer G*** werden zurückgewiesen. Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Raymund W*** Folge gegeben und aus Anlaß dieser auch gemäß § 290 Abs. 1 StPO zugunsten der Angeklagten Michael R*** und Rainer G*** das angefochtene Urteil (zur Gänze) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Raymund W*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Michael R***, Raymund W*** und Rainer G*** des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen, weil sie am 23.Jänner 1986 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken (mit den abgesondert verfolgten Andreas S*** und Claudia S***) als Mittäter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Hedwig S*** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Vorgabe, ihre Enkelin Claudia S*** entführt zu haben, zu Handlungen verleitet, die sie am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur Ausfolgung von 40.000 S Bargeld zu nötigen versucht zu haben, indem sie telefonisch von ihr diesen Geldbetrag verlangten. Die Angeklagten Michael R*** und Rainer G*** haben Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet, jedoch nicht ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Weil diese beiden Angeklagten auch bei der Anmeldung ihrer Rechtsmittel weder Nichtigkeitsgründe bezeichnet, noch erklärt haben, durch welche Punkte des Erkenntnisses sie sich beschwert finden, waren ihre Rechtsmittel gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO und § 294 Abs. 2 StPO sofort in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen beschlossen die drei Angeklagten auf Anraten des abgesondert verfolgten Jugendlichen Andreas S*** am 23.Jänner 1986 in Wien, Hedwig S***, der Großmutter der (gleichfalls abgesondert verfolgten) seit 20. Jänner 1986 von zu Hause abgängigen Jugendlichen Claudia S***, die Entführung ihrer Enkelin vorzutäuschen und sie zur Zahlung eines Lösegeldes in der Höhe von 40.000 S zu verleiten. Zu diesem Zwecke riefen der Beschwerdeführer Raymund W*** und kurze Zeit später Andreas S*** Hedwig S***, die bereits Abgängigkeitsanzeige erstattet hatte, an und erklärten, sie müßte 40.000 S zahlen, wenn sie ihre Enkelin wiedersehen wolle. In einem weiteren Telefongespräch forderte Claudia S*** ihre Großmutter auf, zu tun, was der Mann ihr gesagt habe. Hedwig S***, die wußte, daß Claudia S*** schon mehrmals abgängig war, nahm diese Telefonate nicht ernst und machte nur mit Bezug auf die erstattete Abgängigkeitsanzeige von den Telefongesprächen der Polizei Mitteilung, weil sie befürchtete, daß Claudia S*** einen "Blödsinn" machen könnte. Claudia S*** wurde am 26.Jänner 1986 von der Polizei aufgegriffen. Nach den Telefongesprächen haben die Angeklagten nichts mehr unternommen, um eine Geldübergabe herbeizuführen, weil sie mit der Sache nichts mehr zu tun haben wollten, und sie für aussichtslos bzw. für einen "Blödsinn" hielten (US 6).

Die Staatsanwaltschaft erhob gegen die Genannten Anklage wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB. Das Erstgericht beurteilte den Sachverhalt als beendeten Versuch des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 2 StGB und lehnte die Strafaufhebung infolge Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB mangels eigener gezielter Tätigkeit den Erfolgseintritt abzuwenden (contrarius actus), ab (US 7).

Raymund W*** bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.

Die Beschwerdeausführungen machen zutreffend geltend, daß beendeter Versuch nicht vorliegt, weil die Täter noch nicht alles unternommen haben, was zur Herbeiführung des Erfolges notwendig war, denn sie haben Hedwig S*** noch nicht mitgeteilt, wann, wo, und an wen sie das genannte Lösegeld zahlen solle. Insoweit hätte es noch weiterer Ausführungshandlungen, nämlich eines vom Erstgericht allerdings nicht festgestellten, nach der Aktenlage aber von den Tätern angekündigten (S 25, 77, 175) - weiteren Telefongespräches (oder einer anderen Verständigung) bedurft, um eine - nur noch vom Handeln Dritter abhängige - Vermögensschädigung zu bewirken. Von entscheidender Bedeutung ist für das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB), ob die Angeklagten auf Grund eines gemeinsam gefaßten Beschlusses aus eigenem Antrieb freiwillig von der Vollendung der Tat Abstand nahmen - und dadurch die Ausführung des unbeendeten Versuches, an dem mehrere beteiligt waren, verhinderten - oder aber, ob sie die Tatausführung nur deshalb aufgaben, weil sie die Deliktsverwirklichung für aussichtslos hielten. Die getroffenen Feststellungen (US 6) lassen offen, ob die Angeklagten aus inneren Erwägungen - wenn auch nicht ausschließlich - auf Grund eines gemeinsam gefaßten Beschlusses von weiteren Tathandlungen Abstand nahmen, oder ob hiefür das Bewußtsein der Aussichtslosigkeit - weil sie allenfalls erkannt hatten, daß S*** sich nicht täuschen ließ und keinesfalls bereit war, Lösegeld zu bezahlen - maßgebend war. Diese Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO) machen daher eine Verfahrensergänzung notwendig. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Raymund W*** war bereits in einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben, weil sich zeigt, daß eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat. Die Frage des freiwilligen Rücktritts vom Versuch ist aber auch für die Mitangeklagten Michael R*** und Rainer G***, die die Nichtigkeitsbeschwerden nicht ausgeführt haben, von entscheidender Bedeutung. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war daher von Amts wegen so vorzugehen, als hätten die beiden Mitangeklagten ebenfalls Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht, sodaß das Urteil zur Gänze aufzuheben war. Mit seiner Berufung war der Angeklagte Raymund W*** auf diese Entscheidung zu verweisen.

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