OGH 13Os122/86

OGH13Os122/8627.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.November 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Ernst K*** wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Schöffengerichts vom 19. Juni 1986, GZ. 19 Vr 1659/85-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Adam, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ernst K*** wurde des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB. und des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs 1 StGB. schuldig erkannt.

Darnach hat er am 25.Dezember 1985 in St. Pölten den am 29. Juni 1972 geborenen, demnach unmündigen Günther G*** dazu zu verleiten getrachtet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen, nämlich ein Präservativ über sein Glied zu ziehen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen (1), und dadurch, daß er Günther G*** in eine Klosettzelle stieß, diese versperrte und den Genannten würgte, ihn außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB. mit Gewalt zur (zuvor beschriebenen) Unzucht zu nötigen versucht (2).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Mit der die Rechtsrüge (Z. 10) einleitenden Behauptung, das Schöffengericht habe die Tat nicht nur, wie angeklagt (ON. 25), als versuchte Unzucht mit Unmündigen (§§ 15, 207 Abs 1 StGB.), sondern auch als versuchte Nötigung zur Unzucht (§§ 15, 204 Abs 1 StGB.) subsumiert, ohne diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt zuvor in der Hauptverhandlung zu erörtern, wird kein Nichtigkeitsgrund aufgezeigt, weil die Unterlassung der im § 262 StPO. vorgeschriebenen Anhörung der Parteien über eine von der Anklage abweichende rechtliche Tatbeurteilung nicht mit Nichtigkeit bedroht ist. Abgesehen davon hat aber hier der öffentliche Ankläger selbst in der Hauptverhandlung die zusätzliche Subsumtion unter den relevierten weiteren Tatbestand ausdrücklich verlangt (S. 187), sodaß die Verteidigung zumindest im Schlußvortrag dazu Stellung nehmen konnte (Mayerhofer-Rieder, StPO. 2 § 262 ENr. 107, 110, 112, und 116).

Dem rechtlichen Einwand, Nötigung zur Unzucht könne nicht mit dem Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen eintätig zusammentreffen, weil § 207 Abs 1 StGB. als lex specialis zu § 204 Abs 1 StGB. allein zur Anwendung zu kommen habe, kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer beruft sich zwar zu dieser Frage auf die frühere Judikatur. Indes kann nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung bei Abwägung aller Tatbestandsmerkmale eine generelle Spezialität der Normen gegen den geschlechtlichen Mißbrauch Unmündiger (§§ 206, 207 StGB.) gegenüber denjenigen zum Schutz vor sexuellen Angriffen mit Brechung oder Beugung des Willens des widerstrebenden Opfers (§§ 201 bis 204 StGB.) nicht angenommen werden. Vielmehr ist auch die zusätzliche Unterstellung unter die §§ 201 bis 204 StGB. geboten, wenn Gewalt oder Drohung zur Überwindung des Widerstands eines unmündigen Opfers gebraucht wurde, weil nur so der gesamte Unrechtsgehalt der Tat erfaßt wird

(LSK. 1983/162 = RZ 1983/155 = EvBl 1984/57 = JBl 1984, 99;

LSK 1985/26 = RZ 1985/32 = EvBl 1985/94; RZ. 1986/62;

Leukauf-Steininger 2 § 203 StGB. RN. 18, § 204 StGB. RN. 14, § 207 RN. 29; Foregger-Serini 3 § 203 StGB. Anm. III, § 204 StGB. Anm. II; a.M. Pallin WK. § 207 StGB. Rz. 9 und 14). Die Idealkonkurrenz der in den §§ 204 und 207 StGB. bezeichneten Delikte ist demnach grundsätzlich zu bejahen.

Dies gilt auch für den hier gegebenen Fall einer (versuchten) Verleitung der unmündigen Person zur Vornahme einer unzüchtigen Handlung an sich selbst (dritter Deliktsfall des § 207 Abs 1 StGB.). Die auf ein bestimmtes Verhalten des Opfers abzielende Willensbeeinflussung kann - muß aber nicht - auch mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung geschehen; war dies der Fall, so haftet der Täter für die Anstiftung (Verleitung) auch nach dem in Betracht kommenden Nötigungstatbestand (LSK. 1977/38 zu § 105 StGB.; EvBl 1979/245). Die Annahme idealkonkurrierender versuchter Unzucht mit Unmündigen (§§ 15, 207 Abs 1 StGB.) mit versuchter Nötigung zur Unzucht (§§ 15, 204 Abs 1 StGB.) ist daher rechtsrichtig. Die Verfahrensrüge (Z. 4) richtet sich gegen die Abweisung (S. 187) des in der Hauptverhandlung wiederholten Antrags (S. 186) auf Einvernahme der (nach Vorladung ausgebliebenen) Zeugin Silvia S***, deren Aussage nach Ansicht des Beschwerdeführers für die Frage seiner geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad (als einer keinem Ermessen zugänglichen Einweisungsvoraussetzung nach § 21 Abs 2 StGB.) bedeutsam gewesen wäre. Abweichend von dem vor der Hauptverhandlung überreichten schriftlichen Beweisantrag, worin als Thema des betreffenden Zeugenbeweises ein vom Angeklagten "immer" geführten "geordnetes Sexualleben mit Personen weiblichen Geschlechts" bezeichnet worden war, bei welchem "kein ungewöhnliches Verhalten zutagegetreten" sei (S. 173 b), hatte der Angeklagten in der Hauptverhandlung angegeben, mit der Zeugin S***, mit der er erst seit dem 20.Dezember 1985 zusammen gewesen sei, ungeachtet vorhandener Gelegenheit keinen sexuellen Kontakt gehabt zu haben (S. 186). Der Schöffensenat lehnte den Beweisantrag mit der Begründung ab, daß "dieses Beweisthema nicht strittig" erscheine (S. 187). In Verbindung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach in einer sozial akzeptierten Weise vollzogene heterosexuelle Kontakte des Angeklagten der Annahme einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad, unter deren Einfluß er die Tat beging, nicht entgegenstünden, folgt daraus, daß durch die Ablehnung des in Rede stehenden Beweisantrags prozessuale Rechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt werden konnten. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Der Angeklagte wurde nach den §§ 28, 207 Abs 1 StGB. zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, und nach § 21 Abs 2 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Bei der Strafzumessung waren erschwerend die beiden einschlägigen, schwerwiegenden Vorverurteilungen und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen; mildernd hingegen, daß die Taten jeweils nur beim Versuch geblieben sind.

Die wiederholte gleichartige Straffälligkeit des Angeklagten veranlaßte das Erstgericht, gestützt auf das Sachverständigengutachten, zur Anstaltseinweisung.

Der Angeklagte beruft gegen die Verhängung dieser Maßnahme und gegen das Strafmaß.

Die Berufung, welche abermals das Unterbleiben einer Vernehmung der Zeugin S*** rügt, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen. Soweit sie aber allein die Alkoholisierung des Angeklagten als Wurzel seiner Abartigkeit und seiner Gefährlichkeit hervorhebt, übergeht sie die anderslautenden Ausführungen des Sachverständigen, der den Angeklagten schon wiederholt untersucht hatte und zum Schluß kam, daß auf Grund des Ausprägungsgrads und der Konstanz der psychischen Auffälligkeiten eine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades vorliegt und die bisherigen deliktischen Verhaltensweisen des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Persönlichkeitsstruktur, insbesondere der Minderung der Hemmschwelle gegenüber Triebdurchbrüchen, die in weiterer Folge in Aggressionsdelikte einmündeten, die Gefährlichkeitsprognose untermauern (S. 133). Dem Alkohol kam dabei keine maßgebliche Rolle zu (S. 188). Die Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB. geschah demnach zu Recht. Auf Grund dieser Unterbringung war auch von der vom Angeklagten begehrten Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher abzusehen (§ 22 Abs 2 StGB.).

Der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 StGB. wurde, wie die Erledigung der Rechtsrüge zeigt, zutreffend angenommen. Da auch sonst keine Umstände hervorgekommen sind, welche die Tat des Angeklagten in einem milderen Lichte erscheinen ließen, vielmehr zusätzlich erschwerend wirkt, daß das Opfer sogar Würgespuren aufwies (S. 14), war auch die verhängte Freiheitsstrafe zu bestätigen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte