OGH 11Os102/86

OGH11Os102/8625.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.November 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther W*** und Ines W*** wegen des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach dem § 214 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Februar 1986, GZ 27 Vr 2.185/84-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, und der Verteidiger Dr. Großmann und Dr. Meijer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ines W*** wird zur Gänze und der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther W*** wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Punkt 1. des Schuldspruchs betreffend das Vergehen der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach dem § 214 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Günther W*** und Ines W*** werden von der wider sie erhobenen Anklage, in der ersten Hälfte des Jahres 1984 in Lustenau dadurch, daß sie im Hause Rudolfstraße 2 unter dem Namen C*** E*** ein Geheimbordell einrichteten, in dem sie mehrere Frauen als Prostituierte beschäftigten, Personen der Unzucht mit anderen Personen zugeführt zu haben, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Günther W*** wird für das ihm nach dem unberührt bleibenden Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Vergehen nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffG 1967 nach dem § 36 Abs 1 WaffG 1986 unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 24.August 1984, AZ U 1.110/84, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 65 (fünfundsechzig) Tagen verurteilt.

Der Kostenausspruch und das Einziehungserkenntnis werden aus dem Ersturteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther W*** verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Günther W*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 24.März 1954 geborene Günther W*** und die am 30.März 1962 geborene Ines W*** des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach dem § 214 StGB und Günther W*** überdies des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffG 1967 schuldig erkannt. Von weiteren Anklagepunkten ergingen unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche. Gegen die Schuldsprüche wenden sich die Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, die vom Angeklagten Günther W*** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a und von der Angeklagten Ines W*** auf jenen der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden. Nach den wesentlichen Urteilskonstatierungen eröffneten die beiden Angeklagten Anfang 1984 in Lustenau, Rudolfstraße 2, unter dem Namen "C*** E***" ein Geheimbordell, in dem neben Ines W*** auch Friederike S***, Brigitte P*** und Renate G*** der Prostitution nachgingen. Für dieses "Etablissement" wurde mit einem Farbprospekt geworben, der (in mehreren Abbildungen) vier nur spärlich bekleidete "Damen" zeigt und aus dessen Begleittext hervorgeht, "daß alle Arten von Sex geboten werden". Den beiden Angeklagten "ging es darum", regelmäßige Einnahmen aus der Prostitution "der übrigen beschäftigten Damen" zu erzielen und sich selbst einen vermögensrechtlichen Vorteil zu verschaffen. Demgemäß "bekamen" sie von Friederike S***, Brigitte P*** und Renate G*** "ein Entgelt dafür, daß diese dort wohnen und arbeiten konnten" (US 6, 7).

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht als Vergehen der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach dem § 214 StGB. Das normative Tatbestandsmerkmal des "Zuführens" sah das Erstgericht in der "Werbung für den Club" erfüllt und hielt es für unerheblich, "ob diese Mädchen bereits (vorher) der Prostitution nachgegangen sind oder erst im C*** E*** dazu gebracht wurden, sich zu prostituieren" (US 8).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht kann - wie die Angeklagten in ihren Nichtigkeitsbeschwerden zutreffend geltend machen - nicht gefolgt werden:

Das Vergehen nach dem § 214 StGB begeht, wer eine Person der Unzucht mit einer anderen Person zuführt, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Anders als die das Zuführen einer Person zur "gewerbsmäßigen Unzucht" schlechthin, also ein Umwandeln der gesamten Lebensführung des Tatopfers in die einer Prostituierten pönalisierende Strafbestimmung des § 215 StGB, erfaßt jene des § 214 (wie zum Teil jene des § 213) StGB das Zuführen des Opfers zur Unzucht mit einer anderen Person, sohin das konkrete Bewirken einer persönlichen Annäherung (mindestens) zweier Menschen zu einzelnen Unzuchtshandlungen (vgl. SSt. 48/15; Leukauf-Steininger StGB 2 RN 3 zu § 214 iVm jeweils RN 5 zu §§ 213, 215 sowie RN 7 zu § 215; Pallin im WK, jeweils RN 3 zu §§ 214, 215). Zweck dieser Bestimmung ist nicht die Bekämpfung "unzüchtigen" Verkehrs, sondern die Bewahrung gefährdeter Personen vor Prostitution oder Ausbeutung in einem Anfangsstadium. Schutzobjekt ist demnach die durch Zuführung zur Unzucht zu verkuppelnde Person (Pallin im WK RN 1 zu § 214). Die Tathandlung besteht in einer auf Annäherung an den präsumtiven Unzuchtspartner abzielenden Einwirkung (vgl. ÖJZ-LSK 1977/146 = EvBl 1977/198) auf das Schutzobjekt. Daran mangelt es aber hier; denn nach den Urteilskonstatierungen bestand die Tathandlung der Angeklagten in einer "Werbung für den Club", die sich an eine anonyme Vielzahl präsumtiver (männlicher) Kunden richtete und in der ohne Bezug zu einem konkreten Geschehen bloß allgemein auf das Bestehen des Bordells und die dort tätigen "Damen" (US 6) sowie auf die dort angebotenen "Leistungen" aufmerksam gemacht wird, ohne daß dadurch eine persönliche Annäherung zweier individuell bestimmter Personen bewirkt werden sollte. Persönliche Kontakte zwischen männlichen Kunden und den im Bordell tätigen "Mädchen" (US 7) sollten vielmehr nach der offensichtlichen Intention der "farbigen Prospekte" erst anläßlich eines "Besuches" des Bordells (unmittelbar; vgl. AS 53, 128; 55, 131) hergestellt werden. Daß die Angeklagten aber dabei Vermittlungsdienste geleistet und auf - zur Unzuchtsausübung (zunächst) nicht

geneigte - Schutzobjekte im Einzelfall Einfluß genommen hätten, ist den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen. Solche Konstatierungen könnten auch nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens mit mängelfreier Begründung ebensowenig getroffen werden wie Urteilsannahmen dahin, daß die im C*** E*** beschäftigt gewesenen weiblichen Personen erst dort von den Angeklagten einer aktiven Einflußnahme unterworfen worden seien, durch die sie unter Abwendung von einer bisher anders gearteten Lebensführung zu Prostituierten gemacht, also der gewerbsmäßigen Unzucht "zugeführt" worden wären (vgl. AS 43; 84, 116, 170; 94, 95; 104; 118, 119). Die bloße Werbung für ein Bordell, in dem Prostituierte aus freien Stücken der Prostitution nachgehen, ist - wie bereits aufgezeigt - nicht tatbestandsmäßig im Sinn des § 214 StGB, mag auch der für die Werbung und das "Etablissement" Verantwortliche hieraus einen Vermögensvorteil ziehen. Insoweit war daher den Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Punkt 1. des Schuldspruchs betreffend das Vergehen der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach dem § 214 StGB (und demgemäß auch im Strafausspruch) aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, daß die Angeklagten Günther W*** und Ines W*** von der Anklage, in der ersten Hälfte des Jahres 1984 in Lustenau dadurch, daß sie im Hause Rudolfstraße 2 unter dem Namen C*** E*** ein Geheimbordell einrichteten, in dem sie mehrere Frauen als Prostituierte beschäftigten, Personen der Unzucht mit anderen Personen zugeführt zu haben, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen werden.

Hingegen kommt der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther W*** in bezug auf den Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffG 1967 keine Berechtigung zu.

Insoweit wurde Günther W*** schuldig erkannt, unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich einen Revolver der Marke Ver Johnson's Arms, Kaliber 32, Nr. 5624.11 samt Munition besessen zu haben. Das Erstgericht hielt auf Grund der Tatsache, daß die bezeichnete Waffe samt Munition am 21.Mai 1984 in Lustenau in der vom Angeklagten W*** und von der Mitangeklagten W*** benützten Küche in geladenem Zustand und griffbereit auf einem Kasten liegend sichergestellt wurde und sich in einer Schublade weitere Patronen fanden, die Verantwortung des Angeklagten W*** für widerlegt, daß der Revolver seinem Bruder Arno W*** gehöre und von ihm in der Wohnung vergessen worden sei. Dabei stellte der Schöffensenat auch in Rechnung, daß der Angeklagte "Leiter eines Bordells" war und es im Jahr 1984 in Vorarlberg zwischen Zuhältern "große Probleme" gegeben hatte, die sehr oft "in Tätlichkeiten, aber auch in Schußwaffengebrauch" ausgeartet waren, und erachtete es daher für "sehr einleuchtend", daß sich der Angeklagte "mit einem solchen Revolver schützen wollte" (US 9).

Indem der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge nicht den gesamten einschlägigen Urteilsinhalt berücksichtigt, sondern lediglich sprachlich unpräzise Formulierungen des Erstgerichtes kritisiert, andere Auslegungsmöglichkeiten aufzeigt und neuerdings auf seine - vom Schöffensenat als nicht glaubwürdig erachtete - Verantwortung, vom Vorhandensein der Waffe keine Kenntnis gehabt zu haben, abstellt, bringt er den angerufenen formellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung, sondern bekämpft bloß in im Nichtigkeitsverfahren unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Daß dem wegen unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe bereits einschlägig vorbestraften Angeklagten, der sich mit einem Verbotsirrtum gar nicht verantwortete, "klar war, daß er ohne Waffenschein eine solche Waffe nicht besitzen darf", stellt eine keines Beweises bedürftige Notorietät dar. Die - vom Beschwerdeführer nur als unzureichend begründet

gerügte - Bezeichnung der gegenständlichen Faustfeuerwaffe (§ 3 Waff) in den Entscheidungsgründen auch als "verbotene Waffe" (§ 11 WaffG; US 9) geschah allerdings rechtsirrig. Dieser Irrtum blieb aber ohne Einfluß auf die Entscheidung, zumal der Schuldspruch des Angeklagten zutreffend nur wegen Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a (und nicht auch lit b) WaffG aF erging.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther W*** war daher insoweit zu verwerfen und die Strafe neu zu bemessen. Bei dieser (Straf-) Neubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägige Vorstrafe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber keinen Umstand als mildernd. Überdies wurde gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das seit dem 24.August 1984 rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 30.Juli 1984, AZ U 1.110/84 (§§ 115 Abs 1, 117 Abs 2 StGB; 50 Tagessätze zu 80 S, im Nichteinbringlichkeitsfall 25 Tage Freiheitsstrafe) Bedacht genommen. Geht man davon aus, daß eine (Gesamt-) Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten ausreicht, um den Schuldgehalt beider in den Strafbemessungsvorgang einzubeziehenden Taten zu erfassen, verbleibt für die nunmehr ausgesprochene Zusatz-Freiheitsstrafe ein Restmaß von 65 Tagen.

Die Verhängung einer Geldstrafe wurde schon aus spezialpräventiven Gründen sowie wegen der erforderlichen Effektivität der verhängten Sanktion nicht in Betracht gezogen. Mit ihren Berufungen waren die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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