OGH 2Ob689/86

OGH2Ob689/8618.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 20. Jänner 1948 verstorbenen Rudolf Franz B***, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter Wilma L***, Pensionistin, Wien 15., Illekgasse 9, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30. Dezember 1982, GZ. 43 R 1334, 1335/82-121, womit der Mantelbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 18. August 1982, GZ. 7 A 517/48-110 c, bestätigt und der Rekurs der Wilma L*** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 18. August 1982, GZ 7 A 517/48-111, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil der angefochtenen Entscheidung richtet, zurückgewiesen. Im Umfang der Zurückweisung des Rekurses gegen die Einantwortung wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird in diesem Umfang aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Schneidermeister Rudolf Franz B*** ist am 20. Jänner 1948, ohne eine letztwillige Verfügung getroffen zu haben, gestorben. Er hinterließ seine Witwe Dorothea B*** und zwei Kinder, Richard B*** und Wilma L***. Sein Nachlaß, bestehend aus einer Bundesschuldverschreibung und zwei Einlagebüchern im Gesamtwert von S 888,21, wurde der erblasserischen Witwe mit Beschluß vom 26. März 1948 auf Abschlag ihrer Forderung für Begräbniskosten in Höhe von S 1.185,10 an Zahlungsstatt überlassen. Der vom Erblasser mit dem Standort Wien 14., Hickelgasse 12, betriebene Schneidereibetrieb wurde in die Abhandlung nicht einbezogen, von der erblasserischen Witwe jedoch als Witwenbetrieb fortgeführt, wobei der Sohn Richard B*** zum Geschäftsführer bestellt wurde.

Der Nachlaß der am 5. Mai 1963 verstorbenen Dorothea B*** wurde den beiden Kindern Richard B*** und Wilma L***, die aufgrund des Gesetzes eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hatten, je zur Hälfte am 1. Juli 1963 eingeantwortet. Im eidesstättigen Vermögensbekenntnis scheint auch der Schneidereibetrieb auf, dessen Geschäftseinrichtung mit S 3.000 bewertet wurde (Akt 3 A 428/63 des Bezirksgerichtes Hietzing). Am 21. April 1970 wurde dem Abhandlungsgericht ein Testament der Dorothea B*** vom 12. November 1953 überreicht, nach dessen Inhalt die Erblasserin ihre Tochter Wilma L*** zur Alleinerbin einsetzte und ihren Sohn Richard B*** auf den Pflichtteil beschränkte. Eine Abhandlung aufgrund dieses Testamentes hat nicht stattgefunden. Wilma L*** begehrte jedoch von ihrem Bruder im Klagewege die Herausgabe der ihm eingeantworteten Hälfte des Nachlasses seiner Mutter mit Ausnahme der ihm vermachten Einrichtungsgegenstände. Dem Klagebegehren wurde stattgegeben, die Berufung des Richard B*** blieb erfolglos.

Am 22. Februar 1973 beantragte Richard B*** beim Erstgericht die Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung nach seinem Vater unter Hinweis auf den zum Nachlaß seines Vaters gehörenden Schneidereibetrieb. Aufgrund des Gesetzes seien er und seine Schwester Wilma L*** zu je 3/8 und ihre Mutter zu 1/4 zu Erben berufen gewesen. In dem nunmehr eingeleiteten Abhandlungsverfahren nach Rudolf Franz B*** gaben Richard B*** und Wilma L*** aufgrund des Gesetzes je zur Hälfte eine bedingte Erbserklärung unter Hinweis auf die eingetretene Transmission nach ihrer Mutter ab (ON 15 und 28). Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen (ON 20 und 29). Nach Auffassung der Wilma L*** sei der Schneidereibetrieb jedoch wertlos gewesen. Die Bewertung des Schneidereibetriebes mit S 5.000 aufgrund eines Sachverständigengutachtens im Inventar, das der Abhandlung zugrundegelegt werden sollte (ON 37), wurde von ihr auch zweimal erfolgreich mit Rekurs bekämpft (ON 37 und 43 bzw. ON 58 und 73). Mit Schriftsatz vom 11. August 1982 erklärte sich Wilma L*** jedoch mit der Bewertung des Schneidereibetriebes mit S 5.000 einverstanden und beantragte, diesen Wert der Abhandlung zugrundezulegen (ON 110 b).

Das Erstgericht faßte am 18. August 1982 einen Mantelbeschluß (ON 110 c), in dem es unter anderem das Inventar mit Aktiven von S 5.000 und Passiven von S 296,89, sohin mit einem Reinnachlaß von S 4.703,11 zu Gericht annahm und der Abhandlung zugrundelegte. Mit Einantwortungsurkunde vom gleichen Tage wurde der Nachlaß den erblasserischen Kindern je zur Hälfte eingeantwortet (ON 111). Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erblasserischen Tochter Wilma L*** gegen den Mantelbeschluß nicht Folge und wies deren Rekurs gegen die Einantwortung des Nachlasses zurück (ON 121). Das Rekursgericht verneinte einen Verfahrensmangel, der darin gelegen sein sollte, daß die Rekurswerberin vor Beschlußfassung nicht gehört worden sei, und ging im übrigen davon aus, daß die Rekurswerberin der Bewertung des Schneidereibetriebes mit S 5.000 ausdrücklich zugestimmt habe. Verlassenschaftsschulden seien nur insoweit in das Inventar aufzunehmen, als sich ihre Höhe und Beschaffenheit ohne weitläufige Verhandlung und großen Zeitverlust ins Klare setzen ließen. Letzteres treffe auf die von der Rekurswerberin behaupteten weiteren Nachlaßverbindlichkeiten, die ziffernmäßig nicht einmal konkretisiert worden seien, wegen des langen Zeitraumes seit ihrer Entstehung nicht zu. Die Erbserklärung der Rekurswerberin beinhalte den Antrag auf Einantwortung, sodaß sich die Rekurswerberin insoweit nicht beschwert erachten könne. Im übrigen fehle es an einem Rekursantrag, die Rekursausführungen ließen nicht erkennen, inwieweit eine andere Einantwortung angestrebt werde. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter. Nach dem Inhalt des Rechtsmittels erachtet sich die Rechtsmittelwerberin durch die Bewertung des Schneidereibetriebes und die Übergehung ihrer Mutter in der Einantwortung des Nachlasses beschwert.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung richtet, unzulässig, im übrigen jedoch berechtigt.

Auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG hat nunmehr der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil einer zweitinstanzlichen Entscheidung nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (RZ 1985/35). Soweit sich die Rechtsmittelwerberin neuerlich gegen die Bewertung des Schneidereibetriebes im Nachlaßinventar wendet, liegt eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz über einen Gegenstand vor, dem für die Einantwortung des Nachlasses nur insoweit Bedeutung zukommt, als letztere vor Errichtung eines Inventars bei bedingter Erbserklärung nicht erfolgen kann. Die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses kann aber unabhängig davon erfolgen, welchem der erbserklärten Erben und zu welchen Quoten - allenfalls nach einem Erbrechtsstreit - der Nachlaß einzuantworten ist (vgl. SZ 6/215; ZBl 1922/88). Daraus folgt, daß die Rechtsmittelwerberin den bestätigenden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung nur aus den Anfechtungsgründen des § 16 AußStrG bekämpfen könnte. Solche Anfechtungsgründe werden aber weder ausdrücklich noch inhaltlich geltend gemacht. Die Rechtsmittelwerberin wendet sich nur gegen die auf dem Sachverständigengutachten beruhende Bewertung des Schneidereibetriebes durch die Vorinstanzen, wobei ein Verstoß gegen Denkgesetze in den Darlegungen des Sachverständigengutachtens nicht einmal behauptet wird. Im übrigen hat aber der branchenkundige Sachverständige den Verkehrswert unter Bedachtnahme auf Größe und Ausstattung des Betriebes und das Fehlen von Arbeitnehmern ermittelt. Ist in den Darlegungen des Sachverständigengutachtens kein Verstoß gegen Denkgesetze zu erblicken und nicht erkennbar, daß der Sachverständige erheblichen Verfahrensstoff außer acht gelassen hat, so ist eine Bekämpfung der Entscheidung des Gerichtes, das diesem Gutachten folgte, in Wahrheit lediglich eine Beweiswürdigungsrüge, die nach § 16 AußStrG nicht zugelassen ist (EFSlg 47.207).

Im Umfang der Anfechtung des bestätigenden Teiles der Entscheidung des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs daher unzulässig.

Der Rekurs gegen einen die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ablehnenden Zurückweisungsbeschluß ist dagegen ohne die durch § 16 AußStrG normierten Einschränkungen zulässig, weil insoweit von einem bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes nicht gesprochen werden kann (EFSlg 47.135). Hier ist dem Rekursgericht zwar darin beizupflichten, daß das vollständige Fehlen eines Rekursantrages oder von Rekursgründen zur Zurückweisung des Rechtsmittels führt (JBl 1969, 505) und daß auch im Verfahren außer Streitsachen das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist (SZ 39/179). Bekämpft jedoch ein Beteiligter im Abhandlungsverfahren unter Angabe von Beschwerdegründen die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses und zugleich die Einantwortung ohne zusätzliche Beschwerdegründe, kann das Rekursgericht nicht davon ausgehen, daß es in Ansehung der Bekämpfung der Einantwortung an einem Rechtsschutzinteresse fehlt, bildet doch das Inventar bei bedingter Erbserklärung eine Voraussetzung und die Grundlage für die Einantwortung. Wäre die Beschwerde gegen die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses berechtigt und eine Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens notwendig, wäre auch die Einantwortungsurkunde selbst dann aufzuheben, wenn sie formell nicht angefochten worden wäre (SZ 47/12). Das Rekursgericht durfte daher den Rekurs der Rechtsmittelwerberin gegen die Einantwortung nicht aus formalen Gründen zurückweisen, sondern hätte eine meritorische Erledigung treffen müssen. Mangels einer meritorischen Behandlung ist es auch dem Obersten Gerichtshof verwehrt, anläßlich der Entscheidung über den verfehlten Zurückweisungsbeschluß gleich in der Sache selbst zu erkennen, weil der gesetzliche Instanzenzug nicht verändert werden darf und die Zurückverweisung an die zweite Instanz mangels einer meritorischen Behandlung der Sache in dieser Instanz nicht nur eine überflüssige Formalität darstellt (EFSlg 42.257).

Im Umfang der Zurückweisung des Rekurses der Rechtsmittelwerberin war daher ihrem Revisionsrekurs Folge zu geben.

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