OGH 10Os77/86 (10Os153/86, 10Os154/86)

OGH10Os77/86 (10Os153/86, 10Os154/86)17.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Joachim B*** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 25 Vr 194/84 des Landesgerichtes Innsbruck, über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß vom 23.September 1986, ON 33, über seinen Antrag auf Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil vom 11.November 1985, ON 23, sowie über die damit verbundene Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde, über seine Berufung und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wird der Akt dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

In der Hauptverhandlung am 11.November 1985 war der Angeklagte durch einen nach § 41 Abs. 3 StPO bestellten Verteidiger vertreten; nach der Urteilsverkündung meldete er Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Der Auftrag des Amtsverteidigers erlosch mit dem Einlangen einer vom Angeklagten (drei Tage später) an einen gewählten Verteidiger ausgestellten Vollmacht beim erkennenden Gericht am 18. dM (§ 44 Abs. 2 StPO).

Nichtsdestoweniger verfügte der Vorsitzende zunächst - während dem Wahlverteidiger bei einem Rechtshilfegericht Akteneinsicht gewährt wurde, die dieser durch einen Konzipienten wahrnahm, irrtümlich - die Zustellung des (nach der Übertragung des betreffenden Diktats in der Zwischenzeit ausgefertigten) Urteils an den vormaligen Amtsverteidiger, der hierauf beide Rechtsmittel im Namen des Angeklagten ausführte. Nach der Aufdeckung des Mangels durch das Rechtsmittelgericht wurde am 12.Juni 1986 auch dem Wahlverteidiger eine Urteilsausfertigung zugestellt; die Mitteilung der von der Staatsanwaltschaft überreichten Berufungsausführung an ihn wurde am 14. Juli 1986 nachgeholt, nachdem ihm (infolge der fehlerhaften Bezeichnung von deren Ordnungsnummer in der Zustellverfügung) zugleich mit dem Urteil eine Ablichtung der Rechtsmittelschrift des vormaligen Amtsverteidigers übermittelt worden war. In der Kanzlei des Wahlverteidigers wurde vorerst die Urteilsausfertigung mit dem Eingangsvermerk versehen und ihr Einlangen in den Fristenvormerkkalender eingetragen, doch veranlaßte der zuvor erwähnte, als Sachbearbeiter tätig gewesene und (nach dem unbedenklichen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag) ansonsten sehr zuverlässige Konzipient in der Folge die Streichung des Vermerks gleichwie des Fristenvormerks, weil er der irrigen Meinung war, das in Rede stehende Schriftstück ebenso wie die in Fotokopie eingelangte Rechtsmittelschrift kämen vom vormaligen Amtsverteidiger. Demzufolge wurden die angemeldeten Rechtsmittel des Angeklagten vom Wahlverteidiger zunächst nicht ausgeführt; auch Gegenausführungen zur Berufung der Anklagebehörde wurden nicht erstattet.

Am 25.August 1986 langte beim Wahlverteidiger das ihm "zur Verbesserung im Sinne des § 285 a Zl. 3 StPO binnen 14 Tagen" mit dem Hinweis "(Unterschrift des nunmehrigen Verteidigers)" zugestellte Original der vom vormaligen Amtsverteidiger im Namen des Angeklagten überreichten Rechtsmittelschrift ein. Die Unterfertigung dieses Schriftsatzes lehnte der Wahlverteidiger mit einer am 3. September 1986 verfaßten, beim Erstgericht am 5.September 1986 eingelangten, unter ON 32 erliegenden Eingabe mit dem Hinweis darauf, daß der Auftrag des Amtsverteidigers bereits am 18.November 1985 erloschen war, wegen des vermeintlichen Fehlens der prozessualen Voraussetzungen für eine derartige Verbesserung ab; statt dessen beantragte er unter einem die Zustellung der Urteilsausfertigung an ihn, "um die Frist zur Ausführung der ...Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ins Laufen zu bringen". Daraufhin wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluß die vom Angeklagten angemeldete (und vom vormaligen Amtsverteidiger in seinem Namen ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde nach § 285 a Z 2 StPO zurück, weil er weder bei deren Anmeldung noch in einer (für ihn wirksam erstatteten) Ausführung einen Nichtigkeitsgrund bezeichnet und auch den Mangel der Unterschrift eines berechtigten Verteidigers auf der vom vormaligen Amtsverteidiger in seinem Namen eingebrachten Rechtsmittelschrift nicht behoben habe. Die Beschwerde des Angeklagten gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erschöpft sich in der Wiedergabe des hier aktuellen Verfahrensganges und in der Behauptung, daß § 285 a Z 3 StPO "einen anderen prozessualen Sachverhalt" zur Grundlage habe. Damit wird aber die Richtigkeit der Zurückweisung gar nicht in Frage gestellt, weil der Beschwerdeführer solcherart nicht das Vorliegen des vom Erstgericht angenommenen Zurückweisungsgrundes - also die Nichtangabe eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes bei der Anmeldung oder in einer für ihn wirksam erstatteten Ausführung des Rechtsmittels - bestreitet, sondern lediglich die (ihm seiner Auffassung nach rechtsirrig eingeräumte) prozessuale Möglichkeit einer Sanierung des Mangels; eine ungerechtfertigte Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde kann demnach mit diesem Vorbringen nicht dargetan werden. Aber auch dem - zugleich mit der (nach dem Gesagten nicht zielführenden) Beschwerde eingebrachten - Antrag auf Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittel-Ausführungsfristen (§ 364 Abs. 1 StPO) kommt keine Berechtigung zu.

Denn insoweit ist dem Angeklagten zwar einzuräumen, daß ihm die Einhaltung dieser Fristen vorerst tatsächlich durch einen unabwendbaren Umstand, und zwar durch ein Versehen des ansonsten zuverlässigen Mitarbeiters seines Wahlverteidigers, ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde (Z 1). Jenes Hindernis lag indessen spätestens ab dem 3.September 1986 nicht mehr vor, weil der Wahlverteidiger selbst zumindest anläßlich der Ablehnung des Verbesserungsauftrags an diesem Tag (mit der vorbezeichneten Eingabe ON 32) bei pflichtgemäßer Sorgfalt bereits aus seinem Handakt, jedenfalls aber durch eine sofortige Akteneinsicht oder immerhin Nachfrage beim erkennenden Gericht, zu der er in der gegebenen Situation (laut Handakt in Verbindung mit dem Verbesserungsauftrag) wenigstens verpflichtet gewesen wäre, unschwer hätte feststellen können, daß ihm schon am 12.Juni 1986 die Urteilsausfertigung (nicht vom vormaligen Amtsverteidiger übermittelt, sondern) vom Gericht zugestellt worden war; erlagen doch im Handakt nicht nur eben diese Urteilsausfertigung mit (gleichwohl gestrichenem) eigenem Eingangsvermerk von jenem Tag, jedoch ohne Kanzleieingangsvermerk des vormaligen Amtsverteidigers, sondern auch die ihm damals zugleich übermittelte Fotokopie von dessen Rechtsmittelschrift, die bereits (ebenso wie ihr am 25.August 1986 eingelangtes Original) sowohl mit einem gerichtlichen Eingangsvermerk (vom 16.April 1986) als auch mit einer weiteren richterlichen Verfügung (auf Übermittlung an die Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 17.April 1986) und mit einer Einlaufstampiglie der letztgenannten Behörde (vom 18.April 1986) versehen war. Der erst am 15. Oktober 1986 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag wurde dementsprechend zu spät gestellt (Z 2).

Im Hinblick auf dessen (dadurch bedingte) Erfolglosigkeit war die damit verbundene Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde - der zudem mangels prozeßordnungsgemäßer Darstellung der geltend gemachten Gründe keinesfalls ein Erfolg hätte beschieden sein können, weil sie zum Teil (Z 5) nur in einer unzulässigen Bekämpfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung besteht und im übrigen (Z 9 lit a und lit b) nicht auf den im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt abgestellt ist - als verspätet zurückzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO).

Zu einem (vom Angeklagten angeregten) Vorgehen nach § 290 Abs. 1 StPO oder nach § 362 Abs. 1 Z 1 StPO bestand keine Veranlassung.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft war der Akt gemäß § 285 b Abs. 6 StPO dem Oberlandesgericht Innsbruck zuzuleiten, zumal prozeßökonomische Erwägungen für eine sofortige Zurückweisung des zuerst relevierten Rechtsmittels (§§ 296 Abs. 2, 294 Abs. 4 StPO; vgl JBl 1985,565; RZ 1970 S 17, 18; 10 Os 17/84 ua) im vorliegenden Fall nicht aktuell sind.

Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu entscheiden.

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