Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 14.399,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 1.133,55 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22.4.1983 wurden von der Klägerin die Schmutzwasserkanalarbeiten der Gemeinde für das Baulos Lerchenreith öffentlich ausgeschrieben. Der Ausschreibung waren die "besonderen Bedingnisse für die Ausführung siedlungswasserwirtschaftlicher Bauten" Ausgabe 1980, zugrunde gelegt. Am 20.5.1983 wurden die Anbote eröffnet. Nach Prüfung durch das Büro Dipl.Ing.Ernst K*** stellte sich heraus, daß unter den neun Anboten das der Beklagten zum Preis von 11,556.706,42 S am günstigsten war. Schon aus dem Prüfbericht vom 30.Mai 1983 geht hervor, daß die Preise für den Erdaushub, für die Rohrkanäle, die Schächte, die Roden, die Absturzpfeifen und das Kleinstein und das Bruchsteinpflaster als extrem nieder angesehen werden, als teuer die Position 209-Erdaushub nach Anordnung. Insgesamt lag das Anbot 1,069.691,24 S unter dem nächst höheren. Es weist eine um 10 bis 15 % niederere Gesamtsumme aus als in der Kostenschätzung des Bauherrn, doch kommen solche Unterschreitungen bis zu 30 % immer wieder vor. Schon die Einzelpreise der Beklagten lagen unter dem üblichen Preisniveau. Die Baukosten für die Kanalisation werden zwischen der steiermärkischen Landesregierung, dem Wasserwirtschaftsfonds des Bundesministeriums für Bauten und Technik und der Klägerin geteilt, wobei der Anteil der Klägerin 35 % beträgt.
Der Geschäftsführer der Beklagten war während der Kalkulation des Anbotes und der Anboterstellung auf Urlaub. Das Anbot wurde deshalb von einem nicht Zeichnungsberechtigten gefertigt. Als der Geschäftsführer vom Urlaub zurückkam, setzte er sich gleich telefonisch mit der Bauaufsicht, dem Büro des Baumeisters Ing.K***, in Verbindung und wies darauf hin, daß die Kanalschächte auf Grund eines Irrtums viel zu billig angeboten worden seien. In der Zwischenzeit sei der Geschäftsbericht des Vorjahrs erschienen. Die Erbringung der angebotenen Arbeiten zu den genannten Preisen sei für die Firma ruinds. Dieser mündlichen Mitteilung folgte ein Schreiben an die Klägerin und an Ing.K*** vom 10.6.1983 (Beilage./J), in dem der "Kalkulationsirrtum" dargelegt und die Bitte ausgesprochen wurde, dieses Anbot auszuscheiden. Hiezu fand sich die Klägerin jedoch nicht bereit, sondern faßte am 27.6.1983 den Gemeinderatsbeschluß, der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der "sorgfältigen und wirtschaftlich sparsamsten Verwendung öffentlicher Mittel" den Auftrag zu erteilen. Mit Schreiben vom 29.6.1983 erklärte die Beklagte, den Auftrag nicht übernehmen zu können und bat um eine Aussprache, die jedoch zu keinem Ergebnis führte. Obwohl die Beklagte mit Schreiben vom 8.6.1983 erklärt hatte, von ihrem Anbot zurückzutreten, wurde ihr mit Schreiben vom 15.7.1983 der Auftrag auf Grund ihres Anbotes erteilt.
Im Ausschreibungstext der Klägerin werden Fertigteilschächte aus Stahlbetonringen mit zugfester Schraubverbindung und eingelegtem Rollring angeführt. Die Beklagtj hat in ihrem Anbot dafür 969.995 S netto errechnet und bei ihrer Nachkalkulation am 10.6.1983 2,511.429 S ermittelt. Bei der Ausarbeitung des Anbotes vom 19.5.1983 ist nämlich im Büro der Beklagten ein Irrtum dadurch unterlaufen, daß Fertigteilschächte angeboten wurden, die nicht dicht sind, in der Ausschreibung aber wasserdichte Fertigteilschächte mit zugfester Verschraubung verlangt wurden. Infolge dieses Irrtums wurde der niederere der oben erwähnten Preise eingesetzt. Die in der Ausschreibung erwähnte Ausführung der Fertigteilschächte mit Schraubverbindung ist in Oberösterreich nicht gebräuchlich. Sie war jedoch der Beklagten bekannt, weil sie sich eineinhalb Jahre zuvor schon an einer Ausschreibung der Klägerin für ein anderes Kanalbaulos beteiligt hatte und damals die Schächte in der in der Ausschreibung verlangten Form angeboten wurden. Im übrigen ist die Schachtausführung in den "besonderen Bedingnissen für die Ausführung siedlungswasserwibns haftlicher Bauten", Ausgabe 1980, die der Ausschreibung zugrunde lagen, vorgesehen. Diese Schachtausführung ist in der Steiermark seit 25 Jahren üblich. Die Preise, die die Beklagte in ihrem Anbot für die Schächte nannte, lagen 50 bis 65 % unter dem durchschnittlichen Preisniveau. Damit die Klägerin Mittel des Wasserwirtschaftsfonds in Anspruch nehmen kann, muß sie die Auswahl der zum Bau herangezogenen Firmen nach den Bestimmungen des Fonds treffen. Diese sehen unabdingbar vor, daß jeweils der Bestbieter genommen wird.
Nach Ö-Norm A 2050 Punkt 4,52 ist das Ausscheiden eines Anbieters nur dann möglich, wenn sein Anbot einen offensichtlich zu niedrigen oder offensichtlich zu hohen Gesamtpreis ausweist, nicht jedoch im Falle zu niederer Preise bei Einzelpositionen. Mit der Behauptung, infolge Weigerung der Beklagten, entsprechend ihrem Anbot die Arbeiten auszuführen, habe das Anbot des Zweitbieters genommen werden müssen, dieses sei jedoch 1,059.691,24 S über dem Anbot der Beklagten gelegen, verlangt die Klägerin den Zuspruch von 374.391,93 S mit der Begründung, ihr Eigenmittelanteil habe 35 % betragen, weshalb sie aus dem Titel des Schadenersatzes 35 % von der Differenz der beiden Anbote verlangen könne.
Das Erstgericht hat der Klage unter nicht mehr bekämpfter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens stattgegeben, wobei es den Rechtsstandpunkt vertrat, die Unterfertigung des Anbotes durch einen nicht Zeichnungsberechtigten spiele hier keine Rolle, weil bei Überlassung von Geschäftspapier und Geschäftsstampiglie der äußere Schein der Erteilung einer Vertretungsmacht geschaffen werde. Bei dem Irrtum der Beklagten handle es sich um einen Kalkulationsirrtum, der eine Anfechtung des Vertrages nach § 871 ABGB nicht rechtfertige. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Hiebei traf es nach Beweiswiederholung folgende von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt abweichende zusätzliche Feststellungen:
Für die Beklagte bestand bezüglich ihres Anbotes grundsätzlich eine Bindung bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist. Ein Verzicht auf die Irrtumsanfechtung ist nicht erwiesen. Weder vor dem 15.7.1983, dem Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Beklagte, noch nachher fand eine Genehmigung dieser Vergabe seitens des Wasserwirtschaftsfonds statt. Die Klägerin erhielt vielmehr vom Wasserwirtschaftsfonds die Zusage, die Mittel von diesem Fonds im gesetzlichen Ausmaß zu bekommen, obwohl schließlich der streitgegenständliche Auftrag dem zweitbesten Bieter erteilt wurde.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, der Irrtum der Beklagten sei als wesentlich zu beurteilen, weil es bei Vermeidung des Irrtums nicht zu einem Vertragsabschluß zwischen den Parteien gekommen wäre. Die Klägerin hätte nämlich nur an den Bestbieter vergeben können. Hätte die Beklagte die bei Wegfall des Irrtums richtigen Preise eingesetzt, wäre sie nicht Bestbieterin gewesen. Bei dem Irrtum handle es sich auch um einen Geschäftsirrtum und nicht um einen unbeachtlichen Motivirrtum, weil die Kalkulationsgrundlagen Vertragsinhalt waren, da sie dem Gegner offengelegt wurden und Einvernehmen darüber bestand, daß das Geschäft auf dieser Basis erfolgen solle. Der Irrtum der Beklagten betreffe nicht eine reine Kalkulation, sondern sei dadurch entstanden, daß die Beklagte in ihrem Anbot von anderen Leistungen als den der Ausschreibung zugrundegelegten ausgegangen sei. Die Aufklärung des Irrtums sei noch vor der Zuschlagserteilung, also rechtzeitig, erfolgt, weil die Klägerin noch keine Dispositionen im Hinblick auf das Anbot der Beklagten getroffen habe. Es müsse daher nicht erörtert werden, ob es überhaupt zu einem gültigen Vertrag zwischen den Streitteilen gekommen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs.1 Z 1 bis 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (Arb 8609, 7962 u. a.). Derartiges wird in der Revision gar nicht behauptet. Vielmehr unternimmt die Revision lediglich den Versuch, eine ihr nicht genehme Begründung als der Sachlage nicht entsprechend darzustellen. Daß das Berufungsgericht nicht von einem Verzicht auf eine Irrtumsanfechtung ausgegangen ist, kann schon deshalb keinen Verfahrensmangel bilden, weil ein solcher Verzicht von der Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht behauptet worden ist. Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichtes, von Amts wegen vorgelegte Urkunden auf Einwendungen hin zu überprüfen, die gar nicht erhoben worden sind. Im übrigen wird die Mängelrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil nicht dargelegt wird, welche verfahrensrechtlich notwendigen Schritte vom Berufungsgericht unterlassen wurden. Mit der Behauptung einer Aktenwidrigkeit unternimmt die Klägerin den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen. Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Abs.1 Z 3 ZPO besteht nicht in einem Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und irgendeinem vorhandenen Beweismittel, sondern ausschließlich in einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstückes einerseits und der Zugrundelegung und Wiedergabe desselben durch das Berufungsgericht andererseits (3 Ob 531/81, 5 Ob 731/80 u.a.). Derartiges wird in der Revision nicht dargetan. Die Klägerin versucht vielmehr, auch unter diesem Revisionsgrund darzulegen, daß Feststellungen des Berufungsgerichtes durch Beweisergebnisse nicht gedeckt sind. Derartiges wäre aber keine Aktenwidrigkeit, sondern nur eine unrichtige Tatsachenfeststellung, die keinen Revisionsgrund bildet. Den Schlußfolgerungen, die die Revisionswerberin aus dem Ausdruck "öffentliche Ausschreibung" zieht, liegen keinerlei gesetzliche Bestimmungen zugrunde. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß dem allfälligen Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen nur ein Werkvertrag zugrundeliegen kann, der nach den allgemeinen privatrechtlichen Bestimmungen für derartige Verträge zu beurteilen ist. Die Vergabe von Bauaufträgen an Baufirmen durch eine Gebietskörperschaft stellt nämlich keinen Akt der Hoheitsverwaltung, sondern einen solchen der Privatwirtschaftsverwaltung dar. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Gebietskörperschaft Teile der Baukostensumme von einem öffentlich-rechtlichen Fonds nur nach den Bestimmungen dieses Fonds ersetzt erhält.
Geht man von einem privatrechtlichen Verhältnis zwischen den Streitteilen aus, so ist unbestritten, daß die Beklagte an ein von ihr erstelltes Anbot bis zum Ablauf der Ausschreibungsfrist gebunden war. Tatsächlich hat die Klägerin das Anbot auch innerhalb der Ausschreibungsfrist angenommen. Damit ist aber die Frage einer allfälligen Irrtumsanfechtung nicht beantwortet.
Zu den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Wesentlichkeit des Irrtums der Beklagten nimmt die Revision nicht weiter Stellung, weshalb auf diese Ausführungen verwiesen werden kann. Tatsache ist jedenfalls, daß ohne diesen Irrtum ein Vertrag zwischen den Streitteilen nicht zustande gekommen wäre, weil diesfalls die Beklagte nicht Bestbieterin gewesen wäre. Was nun die Beachtlichkeit des Irrtums anlangt, so hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß ein Kalkulationsirrtum zumindest für den Fall beachtlich ist, wonach die Kalkulation bei den Vertragsverhandlungen dem Partner gegenüber in Erscheinung trat und von ihm als Grundlage für die Willenserklärung erkennbar war (JBl.1974,144 u.a.). Wird also die Kalkulation als solche zum Inhalt des Geschäftes gemacht, was eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen und Einvernehmen darüber voraussetzt, daß das Geschäft zu diesen Bedingungen auf der Basis dieser Kalkulation erfolge, so handelt es sich bei einem solchen Irrtum nicht um einen bloßen Motivirrtum (Rummel Rdz 12 zu § 871). Der sogenannte Kalkulationsirrtum betrifft in der Regel nicht die rechtsgeschäftliche Erklärung selbst, sondern nur Umstände, die dieser vorangegangen sind und damit nur den Beweggrund. Wenn jedoch die Kalkulation zum Gegenstand der entscheidenden Vertragsverhandlungen gemacht wurde und der geforderte Preis erkennbar als ein auf dieser Kalkulation beruhender bezeichnet worden ist, liegt hingegen ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung vor. Ein Motivirrtum ist hingegen anzunehmen, wenn ein Vertragsteil die Höhe der von ihm zu tragenden Kosten oder der von ihm zu tätigenden Aufwendungen falsch einschätzt (EvBl.1983/100, Gschnitzer in Klang 2 IV/1,127 f).
Im vorliegenden Fall wurde die Kalkulationsgrundlagen in der Ausschreibung eindeutig dargelegt. Nach der Ausschreibung war klar, daß die Fertigteilschächte aus Stahlbetonringen mit zugfester Schraubverbindung und eingelegtem Rollring auszuführen sind. Die Beklagte hat bei Erstellung des Anbotes nicht etwa die Kosten für die Erbringung derartiger Leistungen falsch eingeschätzt, sondern hat ein Anbot erstellt, das in diesem Punkt von der Ausschreibung abwich. Dem Anbot lag demach nicht ein Kalkulationsirrtum, sondern ein Geschäftsirrtum zugrunde. Ein solcher Irrtum berechtigt aber grundsätzlich zu einer Anfechtung nach § 871 ABGB.
Eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung würde allerdings, nachdem einer der anderen Anfechtungstatbestände hier nicht in Frage kommt, voraussetzen, daß der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt worden ist. Rechtzeitig aufgeklärt im Sinne des § 871 ABGB ist der Irrtum dann, wenn der Gegner noch nicht im Vertrauen auf die Erklärung des Irrenden gehandelt hat (JBl.1970,313, SZ 47/148 u.a.). Hat die Gegenseite im Vertrauen auf die Erklärung des Irrenden noch keine rechtliche oder wirtschaftliche Verfügung getroffen, so ist demnach eine Aufklärung als rechtzeitig anzusehen (JBl.1983,559 u.a.). Im vorliegenden Fall wurde der Irrtum von der Beklagten zu einem Zeitpunkt aufgeklärt, zu dem die Klägerin sich noch für kein Anbot endgültig entschieden hatte. Die Zuschlagserteilung erfolgte erst nach dieser Aufklärung. Sohin kann keine Rede davon sein, daß die Klägerin im Hinblick auf die irrtümliche Erklärung der Beklagten bereits Dispositionen getroffen hat. Vielmehr hätte sie bei Zuschlagserteilung bereits die Aufklärung des Irrtums zur Kenntnis nehmen und demnach das irrtümliche Anbot der Beklagten nicht als Bestanbot behandeln können.
Richtig hat also das Berufungsgericht erkannt, daß infolge Vorliegens einer der Voraussetzungen des § 871 ABGB der Irrtum der Beklagten beachtlich ist, so daß die Klägerin aus der nachträglich erfolgten Zuschlagserteilung an die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte ableiten kann. Da sich sohin schon aus diesem Grund das Klagebegehren als nicht gerechtfertigt erweist, konnte, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, die Frage eines rechtswirksamen Zustandekommens des Vertrages unerörtert bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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