OGH 4Ob165/85

OGH4Ob165/854.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Viktor Schlägelbauer und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Versicherungs-Vermittlungsgesellschaft mbH in Wien 1., Schottenring 30, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die bekagte Partei Karl R***, Kaufmann, Wien 6., Gumpendorferstraße 63/2/5, vertreten durch Dr. Wolfgang Urban, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 31.642,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 11. Juli 1985, GZ 44 Cg 49/85-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. November 1984, GZ 8 Cr 88/84-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.077,-- (darin S 312,-- Barauslagen und S 615,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 3.309,75 (darin S 480,-- Barauslagen und S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 9.9.1983 beim Erstgericht eingebrachten Klage beantragt die klagende Partei die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 31.642,-- sA. Sie habe dem Beklagten seit 1978 für die Vermittlung von Versicherungsaufträgen Provisionen gezahlt. Durch die - mit Provisionsauszug zum 1.7.1980 durchgeführte - Stornierung des Lebensversicherungsvertrages Pol.-Nr. 1.373.767, lautend auf Karl I***, weise das Provisionskonto des Beklagten nunmehr einen Minussaldo im Ausmaß des eingeklagten Betrages auf. Der Beklagte hat dieses Begehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten und vor allem Verjährung eingewendet. In dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmungen (Außendienst) sei im übrigen "eine noch kürzere als eine sechsmonatige Verjährungsfrist" festgelegt worden. Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Anfang 1978 vereinbarte der Beklagte mit dem damaligen Geschäftsführer der klagenden Partei, Walter G***, daß er gegen Zahlung einer Provision Anträge auf Abschluß von Lebensversicherungen hereinbringen und überdies Leute für den Außendienst finden solle. Der Beklagte war damals noch Geschäftsführer der Firma F***-T***, bezog von dort ein laufendes monatliches Einkommen und war auch als Arbeitnehmer dieser Gesellschaft bei der Krankenkasse angemeldet. Die Parteien vereinbarten, daß zu einem späteren Zeitpunkt, sobald eine entsprechende Organisation bei der klagenden Partei aufgebaut sei, ein festes Angestelltenverhältnis mit dem Beklagten begründet werden sollte.

Der Beklagte war von Anfang 1978 bis etwa November desselben Jahres insofern für die klagende Partei tätig, als er für sie Versicherungsanträge vermittelte. Er hatte mit der klagenden Partei weder ein Mindestfixum noch eine Mindestprovision vereinbart, mußte keine fixe Dienstzeit einhalten und auch wegen eines allfälligen Urlaubs keine bestimmten Vereinbarungen treffen. Dem Beklagten wurden keine Weisungen erteilt; er unterlag auch keiner regelmäßigen Berichtspflicht, wurde aber von Walter G*** von Fall zu Fall aufgefordert, über seine Geschäftstätigkeit und seinen Erfolg zu berichten. Der Beklagte war bei der klagenden Partei weder krankenversichert noch lohnsteuerpflichtig. Die klagende Partei stellte ihm ein Bürozimmer mit Einrichtung zur Verfügung; für allfällige Arbeiten konnte er eine Sekretärin der Firma A*** heranziehen. Aus der Benützung des Büros und des Telefons erwuchsen dem Beklagten keine Kosten. Anläßlich der Aufnahme seiner Tätigkeit bei der klagenden Partei legte der Beklagte ein Organisationskonzept für den Ausbau einer Verkaufsgruppe vor. Da seine Tätigkeit von der klagenden Partei als "eher schwach" eingestuft wurde, wurde das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nach ca. 3/4 Jahren einvernehmlich beendet.

Aufgrund von Folgeprovisionen wie auch von Stornierungen gab es auf dem Provisionskonto des Beklagten bis in das Jahr 1984 hinein laufend Änderungen. Per 1.6.1984 wies dieses Konto einen Minussaldo von S 31.642,-- auf.

Der fachliche Geltungsbereich des Kollektivvertrages für Angestellte der Versicherungsunternehmungen (Außendienst) erstreckt sich auf alle dem Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs angehörenden Versicherungsunternehmungen und deren inländische Betriebsstätten. Die klagende Partei ist als Versicherungsvermittlungsgesellschaft nicht Mitglied dieses Verbandes.

Rechtlich verwies das Erstgericht darauf, daß die klagende Partei nicht in den fachlichen Geltungsbereich des mehrfach genannten Kollektivvertrages falle, so daß die dort für die Geltendmachung von Ansprüchen aus ihm unterliegenden Arbeitsverhältnissen vorgesehene Ausschlußfrist von zwölf Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen komme. Im übrigen sei der Beklagte zwar als arbeitnehmerähnlich, seine Tätigkeit aber nicht als die eines Angestellten anzusehen. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Ergänzend nahm es noch folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:

Mit ihrer am 23.3.1982 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachten Mahnklage hatte die klagende Partei vom Beklagten die Zahlung von S 30.000,-- sA begehrt und dazu (wie hier) vorgebracht, daß diese Forderung durch die Stornierung des Lebensversicherungsvertrages Pol.-Nr. 1.373.767, lautend auf Karl I***, entstanden sei. Mit Bescnluß vom 20.3.1983 sprach das Bezirksgericht für Handelssachen Wien seine sachliche Unzuständigkeit und die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien aus; das bisherige Verfahren wurde für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen. Ein dagegen von der klagenden Partei erhobener Rekurs blieb erfolglos.

Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen sei die Klageforderung durch das mit Provisionsauszug zum 1.7.1980 durchgeführte Storno des mehrfach genannten Lebensversicherungsvertrages entstanden.

Rechtlich war das Berufungsgericht der Auffassung, daß die mit 1.7.1980 fällig gewordene Klageforderung bereits verjährt sei, weil die Klage erst am 9.9.1983 und damit nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB eingebracht worden sei. Durch eine beim unzuständigen Gericht überreichte und, wie hier, von diesem zurückgewiesene Klage werde die Verjährung nicht unterbrochen. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von der klagenden Partei mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Die klagende Partei beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte beantragt, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 1486 Z 5 ABGB sind in drei Jahren verjährt "die Forderungen der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse". Als Dienstnehmer im Sinne dieser Gesetzesstelle sind alle Personen anzusehen, deren Dienstverhältnis auf privatrechtlicher Grundlage beruht (Schubert in Rummel, ABGB II Rz 9 zu § 1486; Klang in Klang 2 VI 625; ebenso Arb. 8844); alle Dienstverhältnisse, für die zumindest subsidiär die Bestimmungen des ABGB über den Dienstvertrag Anwendung finden, unterliegen der dreijährigen Verjährung nach § 1486 Z 5 ABGB (Schubert aaO). Daß der Beklagte nicht Dienstnehmer der klagenden Partei im Sinne des § 1151 Abs 1 ABGB war, ist in dritter Instanz nicht mehr strittig. Auch eine sinngemäße Anwendung des § 1486 Z 5 ABGB, wie sie Klang (aaO 621) und Schubert (aaO Rdz 1) ungeachtet der taxativen Aufzählung des § 1486 ABGB für zulässig halten, müßte aber nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Zweck dieser - ausschließlich auf Dienstgeber- und Dienstnehmerforderungen abstellenden - Verjährungsbestimmung in jedem Fall auf Ansprüche aus abhängiger Arbeit für einen anderen beschränkt bleiben. Eine solche Forderung ist aber nicht Gegenstand der Klage: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Beklagte zur Zeit seiner Tätigkeit für die klagende Partei noch Geschäftsführer der F***-T***; er bezog von dort ein laufendes monatliches Einkommen und war auch als Arbeitnehmer jener Gesellschaft bei der Krankenkasse angemeldet. Mit der klagenden Partei, bei welcher er weder krankenversichert noch lohnsteuerpflichtig war, hatte er hingegen weder ein Mindestfixum noch eine Mindestprovision vereinbart; er hatte bei ihr keine fixe Dienstzeit einzuhalten, mußte wegen eines allfälligen Urlaubs keine bestimmten Vereinbarungen treffen und war auch weder an Weisungen der klagenden Partei gebunden noch ihr gegenüber zu regelmäßigen Berichten verpflichtet. Die Behauptunng der Revisionsbeantwortung, daß er seinen Lebensunterhalt hauptsächlich aus der Tätigkeit bei der klagenden Partei bestritten habe, ist eine erstmals in dritter Instanz vorgebrachte und daher unbeachtliche Neuerung. Eine solche nicht nur persönliche, sondern auch wirtschaftliche Unabhängigkeit von der klagenden Partei, wie sie aus den Feststellungen hervorgeht, schließt aber eine Qualifikation des Beklagten auch als "freier Arbeitnehmer" ("freier Handelsvertreter"; siehe dazu Arb. 10.025) ebenso aus wie die Annahme einer Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne des § 2 Abs 1 ArbGG (vgl. hiezu Arb. 9315, 9347, 9400, 9747, 9944 ua). Provisionsvorschüsse eines selbständigen Handelsvertreters fallen aber nicht unter die kürzere Verjährungszeit des § 1486 Z 5 ABGB (SZ 19/15; Schubert aaO Rz 9 mwN).

Ob die klagende Partei im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt einen "Vorschuß" im Sinne des § 1486 Z 5 ABGB geltend macht, braucht unter diesen Umständen nicht erörtert zu werden; die Forderung der klagenden Partei unterliegt vielmehr der allgemeinen 30jährigen Verjährung nach § 1478 ABGB. Die Höhe des zum 1.6.1984 auf dem Provisionskonto des Beklagten aufscheinenden Minussaldos ist in dritter Instanz nicht mehr strittig. Der berechtigten Revision der klagenden Partei war somit Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das stattgebende Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.

Die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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