OGH 13Os136/86

OGH13Os136/8630.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Markus S*** und andere wegen des Verbrechens des teils versuchten und teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 142 f. und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ernst S*** und Johannes K*** und die Berufungen der Genannten und der Angeklagten Markus S*** und Christian T*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 17.Juli 1986, GZ 20 Vr 1290/86-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, und der Verteidiger Dr. Stanek, Dr. Grigkar und Dr. Gussenbauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und es werden die Freiheitsstrafen wie folgt erhöht: bei Markus S***, Ernst S*** sowie Johannes K*** je auf 6 (sechs) Jahre und bei Christian T*** auf 5 (fünf) Jahre.

Die Angeklagten Markus S***, Ernst S***, Johannes K*** und Christian T*** werden mit ihren Berufungen auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auf einem einhelligen Wahrspruch der Geschwornen beruht, wurden Markus S*** (geboren am 13. November 1965), Ernst S*** (geboren am 1.April 1966) und Johannes K*** (geboren am 2.Juni 1965) des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1. 143 erster und zweiter Fall sowie § 15 StGB (Punkte I und II des Urteilssatzes) und Christian T*** (geboren am 27. Oktober 1966) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB (II) sowie alle vier Angeklagten des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen (gemeint: gewerbsmäßigen schweren) Bandendiebstahls durch Einbruch (und Einsteigen) nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 2 und 4, 129 Z. 1, Z. 2 und Z. 4, 130 zweiter und dritter Fall sowie § 15 StGB (III) schuldig erkannt. Das Erstgricht verhängte gemäß § 143 StGB (erster Strafsatz) unter Anwendung des § 28 StGB über Markus S***, Ernst S*** und Johannes K*** Freiheitsstrafen von je fünf Jahren sowie über Christian T*** im Wege der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) eine Freiheitsstrafe von vier Jahren.

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten S*** und K*** mit Nichtigkeitsbeschwerden, welche sich nur auf den Schuldspruch wegen versuchten Raubes (I) beziehen. Ferner fechten alle vier Angeklagten den Strafausspruch mit Berufungen an, in denen sie eine Reduktion der Strafen begehren, wogegen die Staatsanwaltschaft eine auf Erhöhung der Sanktionen bei allen Angeklagten gerichtete Berufung ergriffen hat.

Laut dem angefochtenen Teil des Schuldspruchs liegt Markus S***, Ernst S*** und Johannes K*** als versuchter schwerer Raub zur Last, am 22.März 1986 in P*** in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Taxilenker Christian G*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen getrachtet zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Markus S*** und Ernst S*** nach der Aufforderung, anzuhalten, jeweils eine Gaspistole gegen Christian G*** gerichtet haben und indem Johannes K*** zwecks Tatbeteiligung einen Hammer und eine Gaspistole mit sich geführt hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführer S*** und K*** reklamieren den Nichtigkeitsgrund nach Z. 6 - darüber hinaus S*** auch jenen nach Z. 12 und K*** nach Z. 8 - des § 345 Abs 1 StPO Sie sind mit ihrem Vorbringen jedoch nicht im Recht:

Der Angeklagte S*** behauptet überhaupt nur nominell eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen (§ 345 Abs 1 Z. 6 StPO), wendet sich aber inhaltlich seiner Ausführungen gegen die unterstellte Lösung einer von ihm für erheblich gehaltenen Beweisfrage, nämlich ob der bedrohte Taxilenker Christian G*** auch tatsächlich gerade die vom Beschwerdeführer gezückte Pistole gesehen hat und nicht bloß die vom Erstangeklagten S*** in Anschlag gebrachte Waffe. Abgesehen davon, daß mit dem gegen den Wahrspruch gerichteten Vorwurf unrichtiger Beweiswürdigung weder der Nichtigkeitsgrund der Z. 6, noch der in diesem Zusammenhang des weiteren geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs 1 StPO zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird, sind auch die dazu ins Treffen geführten rechtlichen Erwägungen des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Denn die Haftung seines Mittäters wegen "bewaffneten" Raubes hängt gar nicht von der eigenhändigen Benützung einer Waffe ab, es genügt vielmehr insoweit die tätergewollte Handhabung durch den Komplizen. Bei einem Raubversuch durch Drohung bleibt zudem unerheblich, ob die geplante Verwendung einer Waffe schon bis zur Wahrnehmung dieses Drohungsmittels durch das ausersehene Opfer fortgeschritten ist. Der Beschwerdeführer K*** rügt in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z. 6 StPO zunächst das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB), vermag aber durch die Bezugnahme auf die Verantwortungen der Angeklagten kein (gemäß § 313 StPO zu einer solchen Fragestellung verpflichtendes) Tatsachenvorbringen zu bezeichnen, welches auf eine derartige Sachverhaltsgestaltung hingewiesen hätte. Die drei am versuchten Raub beteiligten Angeklagten haben nämlich auf gezielte Befragung als maßgeblichen Grund für das Unterbleiben der Tatvollendung die unerwartete Reaktion des bedrohten Taxifahrers genannt, der sich nicht einschüchtern ließ und Richtung Patsch weiterfuhr, wo sich ein Gendarmerieposten befindet (Band II, S. 84, 88 und 93). Die sinngemäße Meinung des Angeklagten S***, daß ein planmäßiges aktiveres Vorgehen des Angeklagten K*** die Tatvollendung bewirkt hätte, enthält ebensowenig einen Hinweis auf freiwillige Verhinderung der Tatausführung wie die Schilderung des Letztgenannten über seine damaligen Bedenken gegen die Durchführbarkeit des Raubplanes, weil in diesem Zusammenhang keine aus freien Stücken erfolgte Änderung des Täterwillens zum Ausdruck kommt, sondern letztlich die von den Tätern nicht berechnete Entschlossenheit des Opfers als entscheidender Faktor für das Scheitern des Vorhabens unterstrichen wird. Es bestand daher kein Anlaß, gemäß § 313 StPO eine Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch zu stellen, weshalb entgegen der vom Angeklagten K*** unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z. 8 StPO vertretenen Ansicht auch die Rechtsbelehrung, welche über die in den einzelnen Fragen vorkommenden Begriffen des Gesetzes zu erteilen ist (§ 321 Abs 2 StPO), auf den genannten Strafaufhebungsgrund mangels Aktualität nicht einzugehen hatte.

Die außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB) schließlich kann der Meinung des Angeklagten K*** zuwider keinesfalls Gegenstand einer Zusatzfrage nach § 316 StPO darstellen, weil es sich dabei nicht um einen im Gesetz namentlich angeführten Milderungsumstand und auch nicht um eine strafsatzändernde Norm handelt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Geschwornengericht verhängte die schon einleitend angeführten Freiheitsstrafen. Es wertete bei der Strafbemessung hinsichtlich der Angeklagten S***, S*** und K*** die Wiederholung des Raubes und die mehrfache Qualifikation der Diebstähle zum Verbrechen, überdies bei S*** und K*** je eine auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafe, beim Letztgenannten in Verbindung mit dem raschen Rückfall, bei S*** den Umstand, daß er beim versuchten Raub zum Nachteil des Taxilenkers G*** initiativ wurde, obwohl seine beiden Raubgenossen auf das vereinbarte Zeichen nicht reagiert hatten, als erschwerend, hingegen als mildernd: das reumütige und großteils auch wesentlich der Wahrheitsfindung dienende Geständnis, das Alter zu den Tatzeiten (zwar über 18, jedoch) unter 21 Jahren, aus psychiatrischer Sicht gegebene Umstände (Milieuschädigung bei S*** und S***, bei Letzterem auch Verwahrlosung; Kernneurose bei K***), das Gedeihen je eines Raubes (I) und Diebstahls (III B) nur bis ins Versuchsstadium, die untergeordnete Tatbeteiligung beim Raub an der Geschäftsfrau F*** (II) und die - wenn auch nicht besonders ins Gewicht fallende - teilweise objektive Schadensgutmachung, beim Angeklagten S*** überdies den bisher ordentlichen Lebenswandel. In Ansehung des Angeklagten T*** stellte das Erstgericht folgende Erschwerungsgründe fest:

Zusammentreffen eines Raubes (II) mit (zwei) Diebstählen (III A 3 und B), die führende Beteiligung am Raub an Karoline F*** (II), den Umstand, daß dieser Raub unter Drohung und mit Gewalt ausgeführt wurde, das Ausnützen der Wehr- und Hilflosigkeit des eben genannten Tatopfers, die mehrfache Verbrechensqualifikation (auch) bei den ihm angelasteten Diebstählen, drei auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafen in Verbindung mit dem raschen Rückfall. Hingegen wurde bei T*** als mildernd angenommen: das reumütige und der Wahrheitsfindung dienliche Geständnis zu allen ihn betreffenden Delikten, der Umstand, daß es bei einem Diebstahl (III B) beim Versuch blieb, das Alter bei sämtlichen Straftaten (zwischen 18. und 21. Lebensjahr), die Milieuschädigung und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Mit ihren Berufungen streben die vier Angeklagten die Herabsetzung und die Anklagebehörde die Erhöhung der Freiheitsstrafen an.

Nur dem Rechtsmittel des öffentlichen Anklägers kommt (in Ansehung aller vier Angeklagten) Berechtigung zu.

Zunächst ist festzuhalten, daß bei allen Angeklagten auch die zweifache Qualifikation zum schweren Raub und die Wiederholung der Diebstähle, welche Umstände das Erstgericht übersehen hat, als erschwerend ins Gewicht fallen.

Auf der Grundlage der sohin korrigierten (besonderen) Strafzumessungsgründe und der Überlegung, daß S***, S*** und K*** zwei Raubüberfälle (I und II) sowie acht bzw. sieben schwere und gewerbsmäßige Bandendiebstähle (III A 1 a bis e, 2 und 3 sowie B) zu verantworten haben, gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, daß trotz des Vorliegens der vom Erstgericht zutreffend festgestellten Milderungsumstände mit der gesetzlichen Mindeststrafe nicht das Auslangen gefunden werden kann. In Stattgebung der Berufung des öffentlichen Anklägers waren daher die Strafen auf das aus dem Urteilsspruch ersichtliche Maß zu erhöhen.

Aber auch die über den Angeklagten T*** verhängte Freiheitsstrafe hält einer Überprüfung nicht stand. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB, nämlich Überwiegen der Milderungsumstände gegenüber den Erschwerungsumständen und günstige Verhaltensprognose (auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe) sind im Fall des dreimal einschlägig vorbestraften Angeklagten T***, dem ein schwerer Raub, bei welchem er im Rahmen einer "Mutprobe" gegenüber einer 84-jährigen Frau als unmittelbar Ausführender aufgetreten ist (II), und zwei schweren und gewerbsmäßigen Bandendiebstählen (III A 3 und B) zur Last liegen, nicht gegeben. Die Verhängung einer der gesetzlichen Mindeststrafdrohung (§ 143, erster Strafsatz, StGB) entsprechenden Sanktion ist nur auf die vom Geschwornengericht zutreffend angenommenen, wenn auch dem Gewicht nach die Erschwerungsgründe nicht überwiegenden Milderungsumstände zurückzuführen. Die vier Angeklagten waren mit ihren Berufungen auf die vom Obersten Gerichtshof in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft festgesetzten Strafen zu verweisen.

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