OGH 2Ob53/86

OGH2Ob53/8628.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P***, Angestellter, Linzerstraße 11, 3002 Purkersdorf, vertreten durch Dr.Ferdinand Pieler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

  1. 1.) Augustin H***, Angestellter, Hohenweg 16, 2100 Leopoldsdorf,
  2. 2.) W*** S*** W*** V***, Ringturm,

    1010 Wien, beide vertreten durch Dr.Peter Windhopp, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 60.244,06 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Mai 1986, GZ15 R 68/86-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5. November 1985, GZ28 Cg 760/83-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision, deren Kosten die klagende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17.6.1983 ereignete sich in Purkersdorf auf der Wienerstraße (Bundesstraße 1) ein Verkehrsunfall. Der Erstbeklagte fuhr auf dieser Straße in Richtung Wien. Als er 31,3 m von der Eisenbahnkreuzung entfernt war, begann sich der Schranken zu senken, die Bewegung des Schrankens wurde dem Erstbeklagten aber sicherlich erst etwas später auffällig. Der Erstbeklagte hielt seinen PKW nicht mehr an und konnte die Eisenbahnkreuzung anstandslos passieren, weil der Schrankenwärter den Vorgang des Schrankenschließens etwas unterbrach. Nach der Eisenbahnkreuzung mündet von links die Bahnhofstraße in die Bundesstraße ein. In der Bahnhofstraße befindet sich vor der Kreuzung das Verkehrszeichen "Vorrang geben". Der Kläger fuhr von der Bahnhofstraße kommend ohne anzuhalten mit seinem PKW in die Bundesstraße mit einer Geschwindigkeit von 34 km/h ein. Der Erstbeklagte erkannte die Gefahr am Beginn der Eisenbahnkreuzung und leitete aus einer Geschwindigkeit von 47 km/h eine Vollbremsung ein. Der Kläger bremste ebenfalls voll ab. Es kam zu einer Kollision, bei der der Kläger eine Geschwindigkeit von 31 km/h und der Erstbeklagte eine solche von 33 km/h hatte.

Der Kläger begehrt wegen dieses Unfalles Schadenersatz. Er sei erst in die Kreuzung eingefahren, nachdem die Signalanlage am Bahnschranken Rotlicht gezeigt und sich der Bahnschranken bereits um ein Drittel gesenkt gehabt habe. Der Erstbeklagte, der trotzdem noch über die Eisenbahnkreuzung gefahren sei, habe den Unfall allein verschuldet.

Die Beklagten wendeten ein, dem Erstbeklagten wäre ein Anhalten vor dem Bahnschranken nicht mehr möglich gewesen, das Alleinverschulden treffe den benachrangten Kläger.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger habe den Vorrang des Erstbeklagten nicht beachtet, das Signal auf der Eisenbahnkreuzung regle lediglich den Verkehr auf dieser Kreuzung, nicht jedoch jenen auf der folgenden Straßenkreuzung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es führte aus, durch die Übertretung von Verkehrsvorschriften gehe der Vorrang grundsätzlich nicht verloren, der Wartepflichtige müsse den bevorrangten Verkehr in seiner tatsächlichen Gestaltung berücksichtigen. Der Erstbeklagte habe allenfalls gegen die §§ 15 ff, insbesondere 18 Eisenbahnkreuzungsverordnung verstoßen. Der Schutzzweck dieser Bestimmungen beziehe sich ausschließlich auf Sachen oder Personen, die sich auf der Eisenbahnkreuzung befänden. § 18 Eisenbahnkreuzungsverordnung regle eine Angelegenheit des Eisenbahnverkehrswesens, örtlich betrachtet beziehe sich die Regelung nur auf den Bereich der Eisenbahnkreuzung, sie solle allein Beschädigungen der Eisenbahn vermeiden. Es handle sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, deren Schutzzweck nicht andere Güter betreffe. Somit mangle es am Rechtswilligkeitszusammenhang. Es sei nicht erforderlich, zu prüfen, ob dem Erstbeklagten ein Anhalten vor dem Schranken möglich gewesen wäre. Zu Unrecht berufe sich der Kläger auch darauf, er habe vertrauen dürfen, daß der Erstbeklagte die Eisenbahnkreuzung nicht mehr übersetzen werde. Die Anwendung des § 3 StVO wäre nur bei Beurteilung erforderlich, ob den Kläger eine Haftung für die Unfallsfolgen treffe, könne aber keinen Einfluß darauf haben, daß die Beklagten keine Haftung für den Ersatz der Schäden des Klägers treffe. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil es zum Schutzzweck des § 18 Abs2 Eisenbahnkreuzungsverordnung an einer Rechtsprechung fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers, in der beantragt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger führt in der Revision aus, der Schutzzweck des § 18 Eisenbahnkreuzungsverordnung erstrecke sich auch auf die Kollision mit Kraftfahrzeugen außerhalb der Eisenbahnkreuzung. Argumente für diese Rechtsansicht enthält die Revision allerdings nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich der Schutzzweck einer Norm aus ihrem Inhalt, das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (ZVR 1974/265, 1976/65, 1984/214, 1985/9 u.v.a.). Aus dem Inhalt der vom Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft auf Grund des Eisenbahngesetzes erlassenen Eisenbahnkreuzungsvorordnung ergibt sich zweifelsfrei, daß die dort enthaltenen Schutznormen der Sicherheit des Verkehrs auf Eisenbahnkreuzungen dienen und Gefahren bei Benützung der Eisenbahnkreuzung vermeiden sollen. Sie haben aber nicht den Zweck, Schäden zu verhindern, die sich ohne Zusammenhang mit dem Betrieb der Eisenbahn außerhalb der Eisenbahnkreuzung auf der Straße ereignen. Ein allfälliger Verstoß des Erstbeklagten gegen § 18 Eisenbahnkreuzungsverordnung ist daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges ohne Bedeutung. Da dem Erstbeklagten, dem der Vorrang gemäß § 19 Abs4 StVO zukam, ein anderer Verstoß gegen Verkehrsvorschriften nicht angelastet werden kann, haben die Vorinstanzen das Schadenersatzbegehren des Klägers, der gemäß § 19 Abs7 StVO wartepflichtig war, mit Recht abgewiesen. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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