OGH 7Ob670/86

OGH7Ob670/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Pflegschaftssache der am 1. August 1977 geborenen Natalie F*** infolge Revisionsrekurses des Vaters Walter F***, Polizeibeamter, Villach, Jakob-Ghon-Allee 22, vertreten durch Dr. Josef Pollan, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 13. August 1986, GZ 2 R 364/86-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 30.Juni 1986, GZ 2 P 84/85-19, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Untergerichte werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung über den Antrag ON 10 nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der am 1.8.1977 geborenen Natalie F*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3.12.1985 geschieden. Anläßlich der Scheidung schlossen die Eltern am 3.12.1985 einen Vergleich, nach dem unter anderem die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind der Mutter zugeteilt werden und der Vater sich verpflichtet, dem Kind zu Handen der Mutter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.500,-- ab 1.1.1986 zu bezahlen. Der Vergleich wurde im angeführten Umfang am 8.1.1986 pflegschaftsbehördlich genehmigt. Am 26.2.1986 stellte die Mutter den Antrag, den Vater ab 1.3.1986 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500,-- zu verpflichten. Sie habe bei Abschluß des Scheidungsvergleiches nicht bedacht, daß ein wesentlich höherer monatlicher Unterhaltsbetrag als die vereinbarten S 1.500,-- zur Deckung der Lebensbedürfnisse des Kindes erforderlich sei. Der Bedarf des Kindes sei gegenüber 1985 wesentlich gestiegen. Der Antragsgegner sei auf Grund seines Einkommens in der Lage, den begehrten höheren Unterhalt zu leisten. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrages. Weder die Bedürfnisse des Kindes, noch seine Einkommensverhältnisse hätten sich seit Vergleichsabschluß geändert.

Das Erstgericht wies den Antrag ab und traf folgende Feststellungen:

Der Vater hat im Jahre 1985 einschließlich der Familienbeihilfe für die mj. Natalie S 219.843,10 netto verdient; sein monatliches Nettoeinkommen betrug daher durchschnittlich S 18.320,25. In der Zeit vom 1.1.1986 bis 31.3.1986 hat der Vater S 49.147,59 ohne Familienbeihilfe verdient; sein monatliches Nettoeinkommen betrug daher durchschnittlich S 16.382,53. Der Vater besitzt kein Vermögen außer einem PKW Opel Kadett Baujahr 1976. Das Kind befindet sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Verhältnisse hätten sich seit dem Vergleich vom 3.12.1985 nicht wesentlich geändert. Eine neue Unterhaltsregelung könne daher nicht begehrt werden.

Das Rekursgericht gab dem Antrag ON 10 statt. Die Mutter habe bei Abschluß des Vergleiches vom 3.12.1985 den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht dadurch schmälern können, daß sie sich gegenüber dem Vater mit einem niedrigeren Betrag als jenem begnügte, der dem Kind unter den gegebenen Verhältnissen zugestanden wäre. Dies würde einen Eingriff in die Rechte des Kindes bedeuten. Der Unterhaltsanspruch des Kindes sei daher mit dem genannten Vergleich nicht in einer das Kind und das Pflegschaftsgericht bindenden Weise geregelt worden. Bei einer Prüfung des Unterhaltsanspruches unter den gegebenen Bedingungen sei das erhöhte Unterhaltsbegehren gerechtfertigt.

Der Vater bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen, in eventu, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und ihnen eine neue Entscheidung aufzutragen. Die Umstandsklausel sei ein selbstverständliches Element jeder Unterhaltsverpflichtung. Lägen geänderte Verhältnisse nicht vor, sei kein Raum für eine Neubemessung des Unterhalts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch gerechtfertigt. Was zunächst die Zulässigkeit des Rechtsmittels betrifft, so ist davon auszugehen, daß die vergleichsweise Regelung der Höhe eines nach dem Gesetz gebührenden Unterhalts an dem Charakter dieses Unterhaltsanspruches als eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches iS des § 14 Abs 2 AußStrG nichts ändert. Der Revisionsrekurs ist jedoch nach dem Judikat 60 neu zulässig, weil er nur die Auffassung des Rekursgerichtes bekämpft, bei der Entscheidung über den Unterhaltserhöhungsantrag der Mutter sei auf den seinerzeit zwischen den Eltern des Kindes geschlossenen und vom Erstgericht pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich nicht Bedacht zu nehmen, die Unterhaltsbemessung habe ausschließlich auf Grund des Gesetzes und dessen Auslegung durch die Rechtsprechung nach den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Vaters und den Bedürfnissen des Kindes zu erfolgen. Dies deshalb, weil es sich dabei um die Beurteilung der Frage handelt, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt (SZ 49/28).

Das Rekursgericht folgt mit seiner Rechtsansicht, die Erhöhung eines mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich der Eltern festgesetzten Unterhaltsanspruches des Kindes sei auch ohne Änderung der Verhältnisse möglich, einer Rechtsprechung (SZ 43/146 ua), die in dieser Form nicht aufrecht erhalten worden ist (EFSlg 35.783, 5 Ob 506/82, 1 Ob 633/82 ua).

Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als es seinen Lebensverhältnissen angemessen wäre.

Da das Kind im Haushalt der Mutter betreut wird, ist gemäß § 140 Abs 2 ABGB der Vater primär unterhaltspflichtig. Dies schließt aber nicht aus, daß die Eltern eine von § 140 ABGB abweichende Vereinbarung treffen (die allerdings, um dem Kind gegenüber wirksam zu sein, pflegschaftsbehördlicher Genehmigung bedarf). Eine Vereinbarung, mit der die gemäß § 140 Abs 2 ABGB an sich nur subsidiär unterhaltspflichtige Mutter einen Teil der primär dem Vater zustehenden Unterhaltspflichten übernimmt, ist (bei pflegschaftsbehördlicher Zustimmung) gültig, so lange dadurch das Kindeswohl nicht gefährdet wird (EFSlg 35.783). Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt vor, wenn die primär unterhaltspflichtige Mutter zur Leistung des Unterhalts nicht imstande ist (5 Ob 566/82, 1 Ob 633/82).

Im vorliegenden Fall war die Mutter offenkundig über die Einkommensverhältnisse des Vaters bei Abschluß des Vergleiches vom 3.12.1985 vollkommen informiert, denn sie hat in dem etwa einen Monat vor Vergleichsabschluß eingebrachten, später zurückgezogenen Antrag auf Unterhaltsfestsetzung, ON 1, das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Vaters mit S 18.900,-- und damit in fast völliger Übereinstimmung mit den nunmehr getroffenen Feststellungen angegeben. Sie hat daher durch den Vergleich schlüssig die Pflicht übernommen, für allfällige weitere Bedürfnisse des Kindes aufzukommen. Es fehlen jedoch Feststellungen darüber, ob die Mutter imstande ist, ihre im Vergleich allenfalls übernommene Unterhaltsbeitragspflicht zu erfüllen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß sich der Vater in dem Vergleich vom 3.12.1985 auch verpflichtet hat, der Mutter aus dem Titel der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens binnen 14 Tagen S 250.000,-- zu bezahlen. Wurde diese Zahlung geleistet, ist zu prüfen, ob die Mutter nicht bereits deshalb ihrer im Vergleich übernommenen Verpflichtung nachkommen kann. (Daß sich die bei Vergleichsabschluß vorausgesetzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter im übrigen geändert hätten, wurde nicht geltend gemacht.)

Sollte die Mutter außerstande sein, die über den Betrag von S 1.500,-- hinausgehenden Unterhaltserfordernisse des Kindes zu leisten, wäre der Vater ungeachtet des Vergleiches vom 3.12.1985 zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes verpflichtet. Andernfalls aber wäre der Erhöhungsantrag mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse abzuweisen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben. Dem Erstgericht war eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

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