Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Johann Alfons P*** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (A/1 und B/1), des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB (A/II) sowie des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (B/II) schuldig erkannt. Die Geschwornen haben die an sie gerichteten, den genannten Angeklagten betreffenden Hauptfragen 1 (§ 75 StGB, Opfer Friedrich A***), 2 (§§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB, Opfer Friedrich A***), 3 (§ 75 StGB, Opfer Anna B***) und 4 (§ 142 Abs. 1 StGB, Opfer Anna B***) jeweils stimmeneinhellig bejaht. Die Beantwortung der in Ansehung der an Friedrich A*** verübten Straftaten gestellten Eventualfragen 1 (§ 76 StGB), 2 (§§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter sowie letzter Fall StGB), 3 (§ 87 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB), 4 (§§ 83, 86 StGB), 5 (§ 80 StGB) und 6 (§§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB), sowie der in Ansehung der an Anna B*** verübten Straftaten gestellten Eventualfragen 9 (§§ 142 Abs. 1, 143 letzter Fall StGB), 10 (§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall StGB), 11 (§§ 83, 86 StGB), 12 (§ 80 StGB) und 13 (§§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB), ferner der in Richtung des Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB in bezug auf die Hauptfragen 3 und 4 sowie die Eventualfragen 9, 10, 11, 12 und 13 gestellten Eventualfragen 14 bis 21 (ohne Nummer 16, die nicht gestellt wurde) ist demgemäß entfallen. Ferner haben die Geschwornen die Zusatzfrage 1 (Notwehr hinsichtlich Hauptfrage 1 oder Eventualfrage 1), 2 (Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt nach § 3 Abs. 2 StGB hinsichtlich Hauptfrage 1 oder Eventualfrage 1), 3 (irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 erster Satz StGB hinsichtlich Hauptfrage 1 und Eventualfrage 1), 4 (Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt nach § 3 Abs. 2 StGB bei irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 erster Satz StGB hinsichtlich Hauptfrage 1 oder Eventualfrage 1) stimmeneinhellig verneint, wodurch auch die Beantwortung der (in Richtung § 80 StGB gehenden) Eventualfragen 7 (fahrlässige Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt nach § 3 Abs. 2 StGB hinsichtlich Hauptfrage 1 oder Eventualfrage 1), und 8 (fahrlässige irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 zweiter Satz StGB hinsichtlich Hauptfrage 1 oder Eventualfrage 1, bzw. fahrlässige Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt nach § 3 Abs. 2 StGB bei irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 erster Satz StGB) entfallen ist. Die weiteren Fragen bezogen sich auf die Mitangeklagte Melitta P***, hinsichtlich welcher das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist.
Dieses Urteil, und zwar der Sache nach nur die Schuldsprüche wegen der an Friedrich A*** begangenen Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (Punkt A/I) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB (Punkt A/II), bekämpft der Angeklagte Johann Alfons P*** mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Im angefochtenen Umfang wurde der Angeklagte P*** schuldig erkannt, am 10.Juni 1982 in Wien
I/ dadurch, daß er mehrmals, darunter zumindest einmal mit einer Gaspistole heftig auf Friedrich A*** einschlug und diesen dabei am Kopf, Hals sowie an der linken Schulter traf, weiters dadurch, daß er dessen Hals zusammendrückte, Friedrich A*** vorsätzlich getötet zu haben (§ 75 StGB), und II/ zusammen mit Melitta P***, und zwar er selbst durch die zu I/ beschriebene aggressive Handlung, Melitta P*** dadurch, daß sie am Tatort Aufpasserdienste leistete und sich bereit hielt, ihn zu unterstützen sowie auch dadurch, daß sie an der Suche nach Beute mitwirkte, Friedrich A*** mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Gaspistole, Bargeld im Betrag von 1.800 S, Zigaretten, zwei Bic-Feuerzeuge und ein Transistorradio mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er und Melitta P*** den Raub in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) begangen haben, er den Raub unter Verwendung der zu I/ angeführten Waffe verübt hat und Melitta P*** den Umstand zu vertreten hat, daß die Gewaltanwendung den Tod des Friedrich A*** zur Folge hatte (§§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB bezüglich Johann Alfons P***).
Rechtliche Beurteilung
Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen (§§ 312 bis 317 StPO) im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß zur Hauptfrage 2 (betreffend den schweren Raub an Friedrich A***) keine Zusatzfrage in Richtung strafaufhebenden Rücktrittes vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) gestellt worden ist. Hiezu führt er aus, daß er nach den "Beweisergebnissen der Hauptverhandlung" (gemeint offenbar: seiner eigenen Verantwortung in derselben, vgl. Band III/S 107 bis 109) spätestens zum Zeitpunkt seines Eintreffens beim Anwesen des Friedrich A*** seinen vorher gefaßten Raubvorsatz aufgegeben habe, zumal er bemerkt habe, daß ein Fenster offenstand und A*** anscheinend schlief, weshalb er seinen Plan auf die Durchführung eines "Einschleichdiebstahls" geändert habe und - nachdem er die als Waffe vorgesehen gewesene leere Bierflasche in beträchtlicher Entfernung vom Fenster abgestellt habe - auch tatsächlich unbewaffnet durch das Fenster in die Wohnung des Friedrich A*** eingestiegen sei.
Die Rüge ist deshalb nicht begründet, weil die an die Geschwornen gerichtete Hauptfage 2 anklagekonform auf das Verbrechen des (vollendeten) Raubes gerichtet war, was die Stellung einer Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch begrifflich ausschloß. Im übrigen wurde dem Fall der Annahme der Richtigkeit dieser in der Hauptverhandlung vom Angeklagten Johann Alfons P*** vorgebrachten Konstruktion durch die Geschwornen durch das Schema der gestellten Fragen ausreichend Rechnung getragen. Wären die Geschwornen nämlich dieser Darstellung gefolgt, dann hätten sie bloß - unter Aufrechterhaltung ihres Spruches bezüglich der an Friedrich A*** begangenen Gewalttat mit tödlichem Ausgang - die auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB gerichtete Hauptfrage 2, welche sich ja ausschließlich auf die (vollendete !) Sachwegnahme in der Wohnung des Friedrich A*** bezog und davon ausging, daß die Gewalt gegen die Person des Genannten im Hinblick auf die in Aussicht genommene, vom Bereicherungsvorsatz getragene Sachwegnahme ausgeübt wurde, zu verneinen und statt dessen die in Richtung des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB gestellte Eventualfrage 6 zu bejahen gehabt. Das Verhältnis dieser beiden Fragen zueinander war den Geschwornen in der schriftlichen Rechtsbelehrung mitgeteilt worden.
Die Geschwornen haben jedoch durch die Bejahung der Hauptfrage 2 zu erkennen gegeben, daß sie in freier Beweiswürdigung der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung nicht gefolgt, sondern davon ausgegangen sind, daß dessen Verhalten gegenüber Friedrich A*** von einem jedenfalls zum Zeitpunkt der Gewaltausübung vorliegenden Wegnahme- und Bereicherungsvorsatz, und sohin Raubvorsatz, getragen war.
Die behauptete Nichtigkeit liegt somit nicht vor.
Gleichfalls nicht berechtigt ist der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützte Einwand, eine einer Unrichtigkeit gleichzuhaltende Unvollständigkeit der schriftlichen Rechtsbelehrung liege deshalb vor, weil diese zur Hauptfrage 1 (Mord an Friedrich A***) zwar die Vorsatzformen des dolus directus und des dolus eventualis erläutere und gegeneinander abgrenze, jedoch zu dieser Hauptfrage, bzw. zu den Eventualfragen 3 und 4 (§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall StGB, bzw. §§ 83, 86 StGB bezüglich Friedrich A***) keine Erklärung des Rechtsbegriffes der "bewußten Fahrlässigkeit" und dessen Abgrenzung zum bedingten Vorsatz enthalte. Denn die Rechtsbelehrung hat gemäß § 321 Abs. 2 StPO nur die Aufgabe, die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung darzustellen, auf welche die Fragen gerichtet sind und eine Auslegung der in diesen Fragen vorkommenden Rechtsbegriffe zu geben, sodaß daher vorliegend kein Anlaß bestand, bei der Erläuterung von Vorsatzdelikten den Begriff der Fahrlässigkeit zu erklären. Was die weiteren Beschwerdeausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund in Ansehung der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage 2 (schwerer Raub zum Nachteil des Friedrich A***) anlangt, so hatten Belehrungen über den Rücktritt vom Versuch (hier: des schweren Raubes) und dessen rechtliche Wirkungen schon deshalb zu unterbleiben, weil keine Schuldfragen nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes und daher (denknotwendig) auch keine Zusatzfrage nach einem allfälligen strafaufhebenden Rücktritt von diesem Versuch gestellt worden war, die Rechtsbelehrung aber nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die an die Geschwornen tatsächlich gestellt worden sind (vgl. SSt. 32/77; EvBl. 1974/77 uva).
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch rügt, daß die Geschwornen nicht mit dem Problem konfrontiert worden seien, zu welchem Zeitpunkt "der Vorsatz der Gewaltanwendung vorhanden sein mußte, um den Tatbestand des Raubes zu erfüllen", so übersieht er, daß schon der in der Belehrung ausgiebig erläuterte gesetzliche Tatbestand des Verbrechens des Raubes ("mit Gewalt gegen eine Person .... wegnimmt") keinen Zweifel daran läßt, daß der Vorsatz zur Gewaltanwendung ebenso wie diese selbst vor der Sachwegnahme und im Hinblick auf dieselbe gegeben sein muß. Eines näheren Eingehens hierauf bedürfte es allenfalls dann, wenn im konkreten Fall die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl (§ 131 StGB) von Belang wäre, was aber hier nicht zutrifft, zumal vorliegend niemals behauptet wurde, daß der Beschwerdeführer etwa nach einer Sachwegnahme, auf frischer Tat betreten, Gewalt angewendet hätte, um sich den Besitz der weggenommenen Sachen zu erhalten. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann Alfons P*** war daher zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB zur lebenslangen Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die Wiederholung de Taten und das Zusammentreffen verschiedener Delikte, mildernd hingegen das Teilgeständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung, die niedrige Intelligenz und die Gefühlskälte (offensichtlich verstanden als vom Angeklagten nicht zu vertretende Charakteranomalie).
Die Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafminderung anstrebt, ist nicht begründet.
Der Berufungswerber vermag keine weiteren Milderungsgründe aufzuzeigen. Das Erstgericht hat mit Recht nur ein Teilgeständnis als mildernd angenommen, weil der Angeklagte nur hinsichtlich der Tat zu Faktum B I des Urteilssatzes ein uneingeschränktes Schuldbekenntnis abgelegt hat, hinsichtlich der weiteren Mordtat (Faktum A I) jedoch kein Eingeständnis der subjektiven Merkmale vorliegt. Daß er bei der Tötung des Friedrich A*** nur mit bedingtem Vorsatz handelte, kann nicht als mildernd ins Gewicht fallen. Der Milderungsgrund des § 34 Z 10 StGB kommt nur in bezug auf strafbare Handlungen in Betracht, die dazu bestimmt sind, der Notlage abzuhelfen (vgl. Kunst, WK, § 34 StGB RZ 35), wovon hier aber nicht die Rede sein kann.
Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe aber auch einer zutreffenden Würdigung unterzogen. Der Angeklagte hat zwei schwerwiegende Verbrechen mit höchstem Unrechtsgehalt begangen, sodaß auch eine dem Berufungswerber wohlwollendere Berücksichtigung seiner abnormen Persönlichkeitsstruktur und eine Bedachtnahme auf eine auf Alkoholgenuß zurückzuführende Enthemmung zur Tatzeit keine Reduzierung der vom Erstgericht ausgesprochenen Strafe zuläßt.
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