OGH 13Os128/86

OGH13Os128/869.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kuras als Schriftführers in der Strafsache gegen Herbert P***-P*** wegen des Verbrechens des Mords nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22.Mai 1986, GZ 20 Vr 8383/85-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Zusatzstrafe auf 17 1/2 (siebzehneinhalb) Jahre erhöht. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 31.Mai 1962 geborene Herbert P***-P*** wurde des Verbrechens des Mords nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 24. Mai 1985 in Wien seine Ehegattin Hedwig P***-P*** durch Erdrosseln mit einer Wäscheleine vorsätzlich getötet hat. Der Schuldspruch beruht auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschwornen, welche die anklagekonforme Hauptfrage nach Mord (1) bejaht und demgemäß die Eventualfragen nach Totschlag (2), nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (3), nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (4) sowie nach fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (5) unbeantwortet gelassen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt vor, wenn der Vorsitzende den Geschwornen eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt hat. Demgemäß kann ein solcher Mangel nicht schon mit der behaupteten Möglichkeit einer zweckmäßigeren oder eingehenderen Gestaltung der Belehrung oder mit dem Hinweis auf ohne Beeinträchtigung der Verständlichkeit unterlaufene Schreibfehler oder mit dem Einwand einer abstrakten Gefahr der Mißverständlichkeit gesetzmäßiger Erläuterungen (§ 321 StPO) dargetan werden, sondern nur mit der Reklamation einer inhaltlichen Unrichtigkeit der Rechtsausführungen.

Aus dieser Sicht ist das Beschwerdevorbringen überwiegend zur prozeßordnungsmäßigen Bezeichnung der behaupteten Nichtigkeit untauglich. Im einzelnen betrifft dies die Einwände, daß a/ Vorsatz und Fahrlässigkeit zusammenfassend in einer Einleitung vor dem übrigen Belehrungsinhalt zu behandeln gewesen wären;

b/ das Verhältnis von § 75 StGB zu § 76 StGB "nicht entsprechend genau ausgeführt" worden sei und zusätzliche Erläuterungen über die mögliche Dauer und die Steigerungsfähigkeit der für den Tatbestand des Totschlags maßgebenden heftigen Gemütsbewegung angebracht gewesen wären;

c/ die ohnedies mit einer Bezugnahme auf die Eventualfragen 2 und 3 (3 und 4) erörterte Regelung des § 7 Abs 2 StGB erst nach Ausführungen über die Beurteilunsvariante als "vorsätzliches Handeln in Richtung Körperverletzung" mit fahrlässig herbeigeführter Todesfolge hätte behandelt werden sollen;

d/ im Zusammenhang mit § 7 Abs 2 StGB auf Grund eines Schreibfehlers von "schwere" statt "schwerere" Strafe die Rede ist (siehe S 17 oben der Rechtsbelehrung, Beilage B./ zu ON 63). Die ferner als unrichtig gerügte Aussage, daß die Gemütsbewegung im Sinn des § 76 StGB auf äußere Umstände zurückgehen muß und nicht im Charakter des Täters liegen darf, entspricht der Rechtslage (LSK. 1975/200, 1978/199). Das von der Beschwerde ins Treffen geführte Judikaturzitat betrifft nur die Zeitspanne eines Affekts (LSK. 1979/339). Die Hervorhebung der intellektuellen Minderbegabung des Angeklagten vermag nicht in Frage zu stellen, daß bei der Beurteilung einer Gemütsbewegung unter dem Aspekt der allgemeinen Begreiflichkeit nicht eine besondere Veranlagung des Täters, sondern die auslösende faktische Lebenssituation entscheidend ist. Der in dieser Beziehung anzulegende objektiv-normative Maßstab läßt keinen Raum für die vom Beschwerdeführer ersichtlich angestrebte Gesetzesauslegung, wonach der gegenüber § 75 StGB privilegierende Tatbestand des § 76 StGB einem verstandesschwachen oder unintelligenten Täter im größeren Umfang zugute kommen könne als einem Durchschnittsmenschen (JBl 1986 S. 261). Folglich hält der von dieser Prämisse ausgehende Vorwurf einer unrichtigen Rechtsbelehrung einer Überprüfung nicht stand.

Es trifft zu, daß die Rechtsbelehrung auf den konkreten Fall nicht einzugehen hat (§ 321 Abs 2 StPO) und auch die Anführung von Beispielen, welche die Geschwornen zu Vergleichen mit dem in den Fragen individualisierten Tatgeschehen anregen und mittelbar die Beweiswürdigung beeinflussen könnten, tunlichst unterlassen soll. Daraus folgt jedoch keineswegs, daß Verstöße gegen diese Grundsätze auf jeden Fall und ohne Rücksicht auf den sonstigen Belehrungsinhalt dessen Unrichtigkeit bewirken. Mag daher die Darlegung des Rechtsbegriffs der besonders gefährlichen Verhältnisse (§ 81 Z. 1 StGB) zu der die weitestgehende Abschwächung des Anklagestandpunkts betreffenden Eventualfrage (5) mittels eines an die angelastete Tathandlung erinnernden Beispiels ("längeres Würgen des Halses mit einer dünnen festen Schnur") nicht tunlich gewesen sein, so kann doch bei unbefangener Betrachtung der Belehrung in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen werden, daß damit eine Tatfrage bereits vorweggenommen oder sonst ein Einfluß auf die Entscheidung der Geschwornen ausgeübt worden wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3.Oktober 1985, GZ 4 d E Vr 4283/85-32 (§§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4 StPO, sechs Monate Freiheitsstrafe), gemäß § 75 StGB eine zusätzliche Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren. Dabei waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die Schwangerschaft der ermorderten Ehefrau des Angeklagten, mildernd hingegen dessen Selbststellung, sein Beitrag zur Aufklärung sowie seine geringe Intelligenz und Grenzbegabung, schließlich die Tat als Affekthandlung.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte hingegen eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist beizupflichten. Es kann zwar dahingestellt bleiben, ob das Gericht "die geringe Intelligenz sowie die Grenzbegabung" des Angeklagten "zugleich als mildernd" wertete oder nicht; wird doch die von der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten, der nur die Sonderschule besucht hatte, konzedierte gewisse Abnormität seines Geisteszustands nach Lage des Falls in seiner verminderten Intelligenz und seiner Grenzbegabung nur konkreter umschrieben, sodaß eine solche Abartigkeit nicht gesondert in Ansatz zu bringen war. Was hier den Ausschlag gibt, ist die von der Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel hervorgekehrte Überlegung, daß bei der vorsätzlichen Tötung eines Menschen das Ausmaß der Fähigkeit, das Unrechtmäßige eines solchen Verhaltens einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, nicht davon abhängt, ob der Täter höher oder minder begabt ist, weil es sich dabei um den Verstoß gegen eine der elementarsten Normen der sittlich-rechtlichen Grundordnung des geordneten menschlichen Zusammenlebens handelt (S. 90, 91/II. Bd.). Dem Angeklagten war auffallend daran gelegen, daß seine Ehefrau vor dem Scheidungstermin in die Wohnung kommt (S. 49, 73/I. Bd.), in der er sie sodann ermordet hat. Der Berufungseinwand, daß dem Angeklagten die Schwangerschaft seiner Frau nicht als erschwerend angelastet werden könne, weil der Abbruch einer Schwangerschaft in deren ersten drei Monaten straflos sei, geht, abgesehen davon, daß sich das Opfer bereits im vierten Monat einer ungestörten Schwangerschaft befand (S. 322/I. Bd.), daran vorbei, daß es nicht im Belieben des Angeklagten gestanden wäre, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen (§ 98 StGB).

Der Unrechtsgehalt der Tat, die eine außerordentlich intensive Brutalität erkennen läßt - mußte doch der Würgevorgang wenigstens fünf Minuten gedauert haben (S. 48, 49/II. Bd.), um zum Tod des Opfers zu führen - ist so hoch, daß ihm nur eine entsprechend empfindliche Strafe gerecht werden kann. Wenn trotz des getrübten Vorlebens des wiederholt vorbestraften Angeklagten von der zeitlichen Höchststrafe Abstand genommen wurde, dann nur, weil dessen reduzierte psychische Disposition doch die Schuldfähigkeit und damit die Schuld mindert.

Unter der gemäß § 31 StGB gebotenen Bedachtnahme auf das eingangs zitierte Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 1985 war die Zusatzstrafe um fünf Jahre zu erhöhen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf das erfolgreiche Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte