Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird erteilt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Der am 4.August 1962 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Roland P*** wurde im zweiten Rechtsgang abermals des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 1 StGB. (I 1), des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB. (I 2) und des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 1 StGB. (II) schuldig erkannt. Darnach hat er am 16.März 1985 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Alexander F*** als Mittäter Ilse W*** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Überlassung der Lenkung ihres Personenkraftwagens an F*** und zur Mitfahrt genötigt, indem er gemeinsam mit F***, welcher Ilse W*** mit den Worten: "Rück' hinüber, sonst bring' ich dich um" ein Taschenmesser mit geöffneter Klinge am Hals ansetzte, in das Fahrzeug einstieg und anschließend im von F*** gelenkten Automobil mitfuhr (I 1); durch diese Handlungen ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung der Berechtigten Ilse W*** in Gebrauch genommen (I 2) und schließlich in Gesellschaft des Alexander F*** als Diebsgenossen 120 S Bargeld und Banknoten fremder Währungen im Gesamtwert von 100 S der Ilse W*** während einer dieser zugestoßenen Bedrängnis, nämlich während des durch die Nötigung hervorgerufenen Schockzustands gestohlen (II).
Sogleich nach Verkündung des Urteils am Freitag den 18.April 1986 erklärte der durch die gemäß § 41 Abs 2 StPO.
bestellte Verfahrenshelferin Rechtsanwalt Dr. Helga M*** vertretene Angeklagte (S. 131, 132, 279), sich drei Tage Bedenkzeit vorbehalten zu wollen (S. 284, 285). Mit dem am Dienstag, dem 22.April 1986 - sohin nach Ablauf der Fristen der §§ 284 Abs 1 und 294 Abs 1 StPO.
- zur Post gegebenen Schriftsatz ON. 32 meldete die Verfahrenshelferin die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung gegen das ergangene Urteil an (S. 317, 318) und begehrte mittels des am 30. April 1986 zur Post gegebenen Schriftsatzes vom 29.April 1986, ON. 33, unter gleichzeitiger (neuerlicher) Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Anmeldefrist (S. 319, 320). Als Wiedereinsetzungsgrund beruft sich der Restitutionswerber auf ein bedauerliches, einmaliges Versehen einer ansonsten gewissenhaften, seit Jahren fehlerfrei arbeitenden Kanzleiangestellten seiner Verfahrenshelferin namens Maria S***. Diese habe den rechtzeitig verfaßten und von der Verfahrenshelferin unterfertigten Schriftsatz mit der Rechtsmittelanmeldung erst am Tag nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist der Post zur Beförderung an das Gericht übergeben.
Dieses Vorbringen wurde hinreichend bescheinigt (S. 327 bis 329). Die Wiedereinsetzung wurde ferner innerhalb der Frist des § 364 Abs 1 Z. 2 StPO. unter neuerlicher Anbringung der Anmeldung begehrt. Da nach ständiger Judikatur das vereinzelte Versehen einer Kanzleikraft als unabwendbares Hindernis im Sinn des § 364 StPO. anzusehen ist, erweist sich der Antrag als begründet und war die begehrte Restitution zu erteilen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde stützt der Angeklagte auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO.
Das Schöffengericht hat dessen leugnende Verantwortung, er sei durch den abgesondert verfolgten Alexander F*** zur Mitwirkung an den vom Gericht festgestellten Taten gezwungen worden und habe dabei lediglich aus Angst vor dessen Drohungen mitgemacht; er habe vor den Taten so große Mengen an alkoholischen Getränken zu sich genommen, daß er voll berauscht gewesen sei und sich an die Vorgänge zur Tatzeit nicht mehr erinnern könne, auf Grund der (eingehend gewürdigten; S. 303 ff.) Beweisergebnisse als widerlegt erachtet. Auf der Grundlage des gerichtspsychiatrischen Gutachtens (S. 281 ff.) hat es ferner die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten bejaht (S. 307 ff.).
In seiner Rechtsrüge geht der Angeklagte von dem durch den Mittäter F*** auf ihn ausgeübten Zwang, von seiner vollen Berauschung und von seiner mangelnden Zurechnungsfähigkeit, sohin von einem vom Schöffensenat nicht festgestellten Sachverhalt aus und bringt damit den angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Da dies auch hinsichtlich keines anderen der im § 281 Abs 1 Z. 1 bis 11 StPO. aufgezählten Nichtigkeitsgründe der Fall ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285 a Z. 2, 285 d Abs 1 Z. 1 StPO.).
Die Zuleitung der Akten zur Entscheidung über die Berufung an das Oberlandesgericht Wien beruht darauf, daß eine die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufung (§ 296 StPO.) begründende Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt (RZ. 1970 S. 17, 18, 1973 S. 70, JBl 1985 S. 565 u.v.a.).
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