Spruch:
Der Vorgang, daß dem Verurteilten der Beschluß des Jugendgerichtshofs Wien vom 5.Oktober 1983, GZ 2 a E Vr 1.466/80-31, womit die mit Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 21.Mai 1981, GZ 2 a E Vr 1.466/80-22, mit drei Jahren bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden war, nicht zugestellt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 79 Abs. 2 StPO in Verbindung mit dem § 498 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Der ungeachtet der mangelnden Zustellung ergangene Beschluß des Jugendgerichtshofs Wien vom 8. Jänner 1986, GZ 2 a E Vr 1.466/80-48, mit dem die mit Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 21.Mai 1981 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, und alle darauf basierenden Verfügungen werden aufgehoben und es wird dem Erstgericht aufgetragen, den Beschluß vom 5.Oktober 1983 (ON 31) an den Verurteilten zuzustellen; dem Einzelrichter wird aufgetragen, nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses über den Antrag der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien vom 8.Oktober 1985 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht neuerlich zu entscheiden. Der Verurteilte Wolfgang S*** wird mit seiner (gegenstandslos gewordenen) Beschwerde vom 11.August 1986 auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem in einem Vermerk gemäß § 458 Abs. 2 (§ 488 Z 7) StPO beurkundeten Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 21.Mai 1981, GZ 2 a E Vr 1.466/80-22, wurde der am 16.September 1947 geborene Elektromonteurgeselle Wolfgang S*** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil erwuchs infolge Rechtsmittelverzichts am selben Tag in Rechtskraft. Mit Urteil des Jugendgerichtshofs vom 7.April 1983, rechtskräftig am 12.April 1983, AZ 2 a E Vr 568/82, wurde Wolfgang S*** neuerdings des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt (gleichfalls gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen - ON 27). Am 9. Juni 1983 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien, vom Widerruf der mit Urteil vom 21.Mai 1981 verhängten und bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe abzusehen und die Probezeit zu verlängern (AS 132). Diesem Antrag gab der Einzelrichter des Jugendgerichtshofs Wien mit Beschluß vom 5.Oktober 1983 statt und verlängerte die Probezeit (gemäß dem § 53 Abs. 2 StGB) auf fünf Jahre (ON 31). Dieser Beschluß konnte in der Folge dem Angeklagten nicht zugestellt werden, weil Wolfgang S*** unbekannten Aufenthaltes war (ON 32 bis ON 38).
Am 9.August 1985 wurde der Angeklagte zu 22 U 92/85 des Jugendgerichtshofs Wien ein weiteres Mal des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB (Tatzeiträume bis 1985) schuldig erkannt und zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt (ON 39). Dieses Urteil erwuchs am 13.August 1985 in Rechtskraft (ON 42). Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien am 8. Oktober 1985 den Widerruf der eingangs erwähnten bedingten Strafnachsicht vom 21.Mai 1981 (ON 40). Am 12.Dezember 1985 wurde Wolfgang S*** zu diesem Antrag gehört (§ 495 Abs. 3 StPO). Der Beschluß vom 5.Oktober 1983, mit dem die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden war, wurde Wolfgang S*** auch anläßlich dieser Vernehmung nicht bekannt gemacht (ON 47). Mit Beschluß eines Dreirichtersenates des Jugendgerichtshofs Wien vom 8.Jänner 1986 wurde sodann die bedingte Strafnachsicht widerrufen (ON 48). Dieser Beschluß wurde Wolfgang S*** am 25.Juli 1986 zugestellt (Rückschein bei ON 53). Die dagegen am 11.August 1986 eingebrachte Beschwerde (ON 58) ist verspätet, der Widerrufsbeschluß sohin rechtskräftig.
Rechtliche Beurteilung
Abgesehen davon, daß der Widerrufsbeschluß von einem Dreirichtersenat gefällt wurde, obwohl hiezu der Einzelrichter zuständig gewesen wäre (vgl. § 490 Abs. 2 StPO und Erläuterungen II zu § 495 StPO in Foregger-Serini MKK 3 ), steht die Vorgangsweise des Erstgerichtes deshalb mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil der nach Ablauf der ursprünglich mit drei Jahren bestimmten Probezeit gefaßte Widerrufsbeschluß auf einem mangels Zustellung an den Verurteilten (§ 79 Abs. 2 StPO iVm § 498 Abs. 1 StPO) nicht in Rechtskraft erwachsenen Beschluß auf Verlängerung der Probezeit beruht, der Angeklagte sohin zu seinem Nachteil in dem ihm nach dem § 498 Abs. 2 StPO auch gegen die Verlängerung der Probezeit zustehenden Beschwerderecht beeinträchtigt wurde. Gemäß dem § 56 StGB wird vorliegend ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter der Voraussetzung des Eintritts der Rechtskraft des Verlängerungsbeschlusses (ON 31) noch bis 21.November 1986 möglich sein.
Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.
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