OGH 11Os127/86

OGH11Os127/8630.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinhauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ingo Berndt K*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. April 1986, GZ 22 Vr 2904/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, des Vertreters des Finanzamtes Innsbruck, Hubert S***, des Angeklagten Ingo Berndt K*** und des Verteidigers Dr. Plochberger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Ausspruch, daß Ingo Berndt K*** von der Anklage gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde, aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin erkannt, daß der Angeklagte gemäß dem § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte freigesprochen wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.April 1946 geborene Angestellte Ingo Berndt K*** von der Anklage, das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG dadurch begangen zu haben, daß er in Innsbruck für die Jahre 1977, 1978, 1979 und 1981 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Verschweigung der ihm zugeflossenen Provisionen in den eingereichten Steuererklärungen eine Verkürzung von Einkommensteuer in der Höhe von 825.910 S bewirkte, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Erstgericht stellte fest, daß der Angeklagte Ingo Berndt K*** in den Jahren 1977 bis 1981 für das englische Reisebüro T*** H*** als Manager tätig war und den Abschluß von Hotelverträgen sowie die Gästebetreuung in Österreich besorgte. Ferner organisierte er im Namen und auf Rechnung des englischen Reisebüros verschiedene Zusatzveranstaltungen, wobei er Leistungen inländischer Unternehmer in Anspruch nahm. Diese Unternehmer gaben aus den solcherart erzielten Einnahmen "einen gewissen Betrag an den Angeklagten als Trinkgeld". Der Angeklagte deklarierte in seinen Steuererklärungen nur die von seinem Arbeitgeber T*** H*** direkt bezogenen Einkünfte, nicht aber die ihm von dritter Seite zugeflossenen Provisionseinnahmen.

Zu diesem objektiven Sachverhalt erwog das Schöffengericht, daß der Bezug von Trinkgeldern durch Manager von Reiseunternehmen allgemein bekannt sei, wie zum Beispiel auch ein Busfahrer nach einer Busreise von den Fahrgästen Trinkgeld bekomme. Es sei erwiesen, daß das Bewußtsein, diese Zuwendungen versteuern zu müssen, nicht vorhanden war. Dem Angeklagten sei eine entschuldbare Fehlleistung zuzubilligen.

Bei dieser Begründung für den Freispruch folgte das Erstgericht ersichtlich der Verantwortung des Angeklagten, der sich im gesamten Verfahren stets darauf berufen hatte, die betreffenden Provisionen als Trinkgeld angesehen und an eine diesbezügliche Abgabenpflicht nicht gedacht zu haben (S 18, 49 und 79, 80).

Das Finanzamt Innsbruck bekämpft diesen Freispruch mit einer generell auf "die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 5-9 lit b DPO" gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, ohne jedoch einen Nichtigkeitsgrund ziffernmäßig mit einem bestimmten Beschwerdeeinwand zu verknüpfen.

Inhaltlich wendet sich die Finanzstrafbehörde gegen die ihrer Meinung nach mangelhaft begründete (Z 5) Annahme des Erstgerichtes, dem Angeklagten habe das Bewußtsein der Steuerpflichtigkeit dieser Einkünfte gefehlt, wobei dem Sinn nach eingewendet wird, der im Urteil angestellte Vergleich zwischen dem Trinkgeldempfang eines Busfahrers und einem von einem Fremdenverkehrsmanager in vier Jahren erzielten Provisionsbezug von über 800.000 S (hier dürfte eine Verwechslung der Summe der verkürzten Einkommensteuer mit der noch wesentlich höheren Gesamtsumme der geschätzten Provisionen vorliegen) sei keine tragfähige Argumentation.

Der Ausspruch der Tatsacheninstanz über das Fehlen des Vorsatzes (§ 8 Abs. 1 FinStrG), Abgaben zu hinterziehen, bedurfte keiner weitwendigen Ausführungen, weil das Schöffengericht bei der ihm aufgetragenen gedrängten Darstellung seiner Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) sich darauf beschränken durfte, unter Berufung auf die vernommenen Zeugen (S 91) die leugnende Verantwortung des Ingo Berndt K*** als durch die Beweisergebnisse nicht widerlegt zu beurteilen. Die hiebei vorgenommene Einschätzung der Beweiskraft dieser Einlassungen und der ihnen logisch nicht entgegenstehenden Zeugenaussagen unterliegt als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) im schöffengerichtlichen Nichtigkeitsverfahren keiner Überprüfung.

Dem Einwand, mit der Feststellung, das Bewußtsein der Steuerpflicht sei nicht vorhanden gewesen, habe das Gericht eine Rechtsfrage unrichtig gelöst, ist entgegenzuhalten, daß es sich hiebei um eine Beweisfrage handelt. Wenn die Tatrichter aber - mit ausreichender Begründung - dem Angeklagten einen vorsatzausschließenden Tatbildirrtum über seine Verpflichtung, auch die zusätzlichen, von dritter Seite erhaltenen Provisionen versteuern zu müssen, zubilligten, kann diese Konstatierung im Rahmen der Rechtsrüge nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Der weitere Hinweis aber, die Steuerpflicht sei für den Angeklagten auf Grund seiner Ausbildung zur Vorbereitung auf die Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe leicht erkennbar gewesen, kann nur für eine allfällige Fahrlässigkeit (§ 8 Abs. 2 FinStrG) Bedeutung haben, betrifft damit aber keinen für die gerichtliche Strafbarkeit der Abgabenhinterziehung wesentlichen Umstand (§ 53 Abs. 1 lit b FinStrG).

Rechtliche Beurteilung

Aus dieser Sicht erweist sich allerdings der abschließende (sachlich auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO beruhende) Beschwerdeeinwand als richtig, daß das Erstgericht gemäß dem § 214 Abs. 3 FinStrG im Urteilsspruch die Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung dieses Finanzvergehens zum Ausdruck zu bringen gehabt hätte. Aus dem Urteilssachverhalt ergeben sich nämlich durchaus Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte sich des in die Kompetenz der Finanzstrafbehörden fallenden Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach dem § 34 Abs. 1 FinStrG schuldig gemacht habe. Selbst wenn das Erstgericht der - durch seine Urteilserwägungen nicht gedeckten - Meinung gewesen sein sollte, daß Ingo Berndt K*** nicht einmal Fahrlässigkeit zur Last falle (es spricht von entschuldbarer Fehlleistung), hätte es sich auf den Ausspruch fehlender Gerichtskompetenz zu beschränken gehabt und nicht abschließend über ein Verhalten absprechen dürfen, dessen Beurteilung der Finanzstrafbehörde vorbehalten ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich in dieser Beziehung als berechtigt (9 Os 47/75, EvBl 1981/89, SSt 48/26, 11 Os 143/85), sodaß der Freispruch auf den § 214 FinStrG zu stützen war. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

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