OGH 14Ob163/86

OGH14Ob163/8630.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred G***, Angestellter, Wien 8., Alserstraße 55/12, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Dr. Ernst Schilcher, Dr. Jörg Beirer und Dr. Roman Kosch, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei B*** Burgenländische Erdgasversorgungs-AG in Eisenstadt, Kasernenstraße 10, vertreten durch Dr. Harald Beck und Dr. Klaus Dörnhöfer, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wegen S 115.226,-- sA (Revisionsstreitwert S 89.980,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 3. Juli 1986, GZ. 13 Cg 6/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Eisenstadt vom 28. Oktober 1985, GZ. Cr 152/84-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 15. August 1972 bis 30. September 1984 bei der beklagten Partei angestellt. Neben anderen, nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Beträgen begehrte er Zahlung von S 89.980,-- mit der Behauptung, ihm stehe eine Abfertigung in der Höhe des Sechsfachen (und nicht nur des Vierfachen) des monatlichen Entgelts zu, weil ihm die beklagte Partei für die Abfertigung vier Jahre Vordienstzeiten angerechnet habe. Zum Beweis dieser Zusage berief er sich auf den Zeugen Dr. Friedrich H***, den Personalakt und seine Parteienvernehmung. Das Erstgericht wies (unter anderem) diesen Teil des Klagebegehrens mit der Begründung ab, die vom Kläger behauptete Anrechnungszusage sei nicht erwiesen. Das Erstgericht hatte Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. Friedrich H*** und zog aus Widersprüchen zwischen seiner Aussage und der Parteiaussage des Klägers sowie aus Urkundeninhalten den Schluß, daß es zur behaupteten Vordienstzeitanrechnung nicht gekommen sei. Der Kläger erhob Berufung. In der Berufungsbeantwortung behauptete die beklagte Partei, Dr. Friedrich H*** sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 3. Dezember 1980, 8 e Vr 850/79, Hv 130/80, wegen Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht verurteilt worden, und beantragte die Beischaffung dieses Aktes.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, wiederholte die Vernehmung des Zeugen Dr. Friedrich H*** und des Klägers und sprach diesem in Stattgebung der Berufung die strittige Abfertigungsdifferenz in Höhe von S 89.980,-- sA zu.

Die zweite Instanz nahm die vom Kläger behauptete Anrechnungszusage als erwiesen an. Auf Grund des persönlichen Eindruckes, den das Berufungsgericht von Dr. Friedrich H*** gewonnen habe, stehe seine Glaubwürdigkeit außer Zweifel. Er habe mit Bestimmtheit erklärt, dem Kläger vier Jahre Vordienstzeiten angerechnet zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt. Das Berufungsgericht holte den von der beklagten Partei beantragten Strafakt, aus dem sich eine rechtskräftige Verurteilung des Zeugen Dr. Friedrich H*** wegen versuchter falscher Beweisaussage ergeben soll, nicht ein. Aus den Erwägungen der zweiten Instanz zur Beweiswürdigung ergibt sich nicht, daß es eine Beweisaufnahme über diesen Umstand als für seine Beweiswürdigung nicht wesentlich angesehen habe. Damit liegt aber in der Unterlassung der Aufnahme dieses Kontrollbeweises kein in dritter Instanz unüberprüfbarer Akt der Beweiswürdigung, sondern ein Verfahrensmangel. Da sich das Berufungsgericht mit der für die Beweiswürdigung wesentlichen Frage, ob dem Zeugen Dr. Friedrich H*** infolge angeblicher Verurteilung wegen versuchter falscher Beweisaussage die Glaubwürdigkeit zu versagen ist, trotz eines ausdrücklichen Vorbringens der Berufungsgegnerin überhaupt nicht befaßt hat, leidet das Verfahren zweiter Instanz an einem wesentlichen Mangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert (vgl RZ 1970, 222). Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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