OGH 11Os133/86 (11Os134/86)

OGH11Os133/86 (11Os134/86)23.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef R*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 20.November 1985, GZ 1 U 94/84-61, und des Kreisgerichtes Wels vom 26.Mai 1986, AZ 15 Bl 4/86, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 20. November 1985, GZ 1 U 94/84-61, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 267, 447 Abs. 1 StPO, soweit der Beschuldigte Josef R*** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB auch für den Zeitraum vom 26.Mai 1984 bis zum 20.November 1985 schuldig erkannt wurde. Es werden das genannte Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in diesem Teil des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch, sowie das im übrigen ebenfalls unberührt bleibende Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 26.Mai 1986, AZ 15 Bl 4/86, soweit es in Stattgebung der Strafberufung der Staatsanwaltschaft Wels den Strafausspruch des Erstgerichtes abgeändert hat, aufgehoben, und es wird gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Josef R*** wird für das ihm nach dem unberührt

gebliebenen Teil des Schuldspruches weiter zur Last liegende Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB (Tatzeitraum 26.September 1980 bis 25.Mai 1984) gemäß dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Wochen verurteilt.

Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See erstattete am 17. November 1982 beim Bezirksgericht Vöcklabruck (dort eingelangt am 18. November 1982) Strafanzeige gegen den am 22.Juni 1942 geborenen Maler und Graphiker Josef R*** wegen des Verdachtes des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB in bezug auf seinen am 27.Februar 1975 geborenen Sohn David Josef S***. Der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Vöcklabruck beantragte am 9.Dezember 1982 die Bestrafung des Josef R*** wegen des genannten Vergehens (S 1 a). Dieser Strafantrag wurde jedoch am 23.Dezember 1983 gemäß dem § 227 (zu ergänzen: iVm 447 Abs. 1) StPO zurückgezogen (S 71). Am 25.Mai 1984 beantragte die Staatsanwaltschaft Wels beim Bezirksgericht Vöcklabruck

1. die Bestrafung des Josef R*** wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB für die Zeit ab 10.Dezember 1982 (mit dem zutreffenden Hinweis darauf, daß der seinerzeit zurückgezogene Strafantrag vom 9.Dezember 1982 nicht auf den anschließenden Zeitraum ausgedehnt worden war, der folglich auch nicht von der Erklärung nach § 227 StPO erfaßt sein konnte), sowie

2. die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Josef R*** wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB für die Zeit vom 26.September 1980 (den davor liegenden Zeitraum erfaßte eine inzwischen getilgte einschlägige Vorverurteilung) bis 9. Dezember 1982 (S 87).

In der über den zu 1. genannten Strafantrag anberaumten Hauptverhandlung vom 27.Juli 1984 beschloß das Bezirksgericht Vöcklabruck auch gemäß den §§ 352, 480 StPO die Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Sinn des erwähnten Antrages der Staatsanwaltschaft (S 94, 95).

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 20.November 1985 (ON 61) wurde Josef R*** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB im Zeitraum vom 26. September 1980 bis zum 20.November 1985 schuldig erkannt und gemäß der genannten Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Wochen verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte das Rechtsmittel der Berufung wegen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen, sowie wegen des Ausspruches über die Schuld und die Strafe an (S 188), führte es aber nicht aus. Die Staatsanwaltschaft Wels ergriff Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe; sie führte dieses Rechtsmittel aber nur wegen des Strafausspruches aus (ON 64, S 218). Mit Urteil vom 26.Mai 1986, AZ 15 Bl 4/86 (ON 70 im Akt 1 U 94/84 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck), nahm das Kreisgericht Wels als Berufungsgericht auf die (unkonkretisiert gebliebene) Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit nicht Bedacht und wies die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld und Strafe als unbegründet zurück. Hingegen gab es der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahin ab, daß es die verhängte Freiheitsstrafe auf zwei Monate erhöhte; im übrigen wurde auch die Strafberufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 20. November 1985, GZ 1 U 94/84-61, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 267, 447 Abs. 1 StPO, weil es den Angeklagten Josef R*** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB auch für die Zeit vom 26. Mai 1984 (Tag nach der Stellung des neuen Strafantrages) bis zum 20. November 1985 (Tag der Urteilsfällung erster Instanz) schuldig erkannte, obwohl der (neue) Strafantrag nicht ausgedehnt worden war. Der Bezirksanwalt beantragte in der Hauptverhandlung vom 20. November 1985 bloß die Bestrafung des Beschuldigten "im Sinne des gestellten Strafantrages" (S 187). Da der am 25.Mai 1984 gestellte Strafantrag sich denknotwendig nicht auf zukünftige Ereignisse beziehen konnte, eine Ausdehung des Anklagevorwurfes auf die Zeit danach aus der bloßen Bezugnahme auf den Strafantrag in der Hauptverhandlung aber nicht abgeleitet werden kann (SSt 51/27, zuletzt 10 Os 87,101/85), überschritt das Bezirksgericht Vöcklabruck unter Mißachtung der Vorschriften der §§ 267, 447 Abs. 1 StPO die Anklage; es war an die Anträge des Anklägers gebunden und durfte den Beschuldigten nicht wegen einer Tat verurteilen, auf welche die Anklage (der Strafantrag) weder ursprünglich gerichtet war noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde. In diesem Umfang ist das erwähnte Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck - worauf auch das Berufungsgericht verwies - mit dem Nichtigkeitsgrund nach den §§ 468 Abs. 1 Z 4, 281 Abs. 1 Z 8 StPO behaftet, der vom Angeklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht wurde und auf den vom Kreisgericht Wels als Berufungsgericht nicht von Amts wegen Bedacht genommen werden durfte (S 246, 247). Diese sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende Gesetzesverletzung konnte sohin nur in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem § 33 Abs. 2 StPO beseitigt werden, wobei auch das Berufungsurteil insoweit gemäß dem § 292 StPO aufzuheben war, als es auf der Basis des gesetzwidrigen Teils des Ersturteiles auf einen fünfjährigen Deliktszeitraum (S 253) verwies, über die Strafberufung der Staatsanwaltschaft Wels teilweise in stattgebendem Sinn entschied und die (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe erhöhte. Bei der nunmehr neuerlich nach dem § 198 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht den langen, beinahe vier Jahre erreichenden Deliktszeitraum, in dem der Angeklagte überhaupt keine Unterhaltszahlungen leistete, als erschwerend, während (im Hinblick auf die zwischenzeitige Tilgung der Vorstrafe) die Unbescholtenheit ebenso als mildernd zu berücksichtigen war wie die schwierigen persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, der mit seiner künstlerischen Arbeit kein ausreichendes Einkommen erzielt und im Hinblick auf gesundheitliche Probleme in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit schwerer ihm zuzumutende andere Arbeit findet als in Zeiten des Arbeitskräftemangels.

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände erschien dem Obersten Gerichtshof auch unter Einbeziehung der auf Erhöhung der vom Erstgericht verhängten vierwöchigen Freiheitsstrafe abzielenden Berufungsausführungen der Staatsanwaltschaft die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe noch schuld- und tatgerecht. Im Hinblick auf das Verschlimmerungsverbot war die vom Berufungsgericht bestätigte bedingte Strafnachsicht weiterhin zu gewähren, wobei diesem Grundsatz entsprechend auch der Beginn der Probezeit mit der Rechtskraft des Strafausspruchs (Tag der Berufungsentscheidung) zu berechnen sein wird (Mayerhofer-Rieder 2 , E 70 zu § 292 StPO und E 50, 51 zu § 293 StPO).

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