OGH 11Os108/86

OGH11Os108/8623.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manuela F*** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 21.Mai 1986, GZ 3 a Vr 896/86-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Hauptmann als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 13.Juni 1969 geborene beschäftigungslose Manuela F*** des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit von November 1985 bis Ende Jänner 1986 in Tratten, Gemeinde Berg an der Drau, Bezirk Spittal an der Drau, der Thusnelda G*** gebrauchte Damenbekleidungsstücke im Gesamtwert von ca. 9.000 S mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Vom weiteren Anklagevorwurf des Diebstahls von Silbermünzen im Wert von 4.250 S zum Nachteil der Thusnelda G*** im selben Zeitraum wurde sie unter einem gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gegen den schuldigsprechenden Teil dieses Erkenntnisses wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Mit den Ausführungen zur Mängelrüge und zur Rechtsrüge, welche inhaltlich weitgehend übereinstimmen, wirft die Angeklagte dem Erstgericht vor, ihr zu Unrecht nicht den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB zugebilligt und in diesem Zusammenhang auch hiefür maßgebende Feststellungen unterlassen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zusammenfassend folgendes zu erwidern:

Das Erstgericht stellte fest, daß zum Zeitpunkt, als Thusnelda G*** beim Gendarmeriepostenkommando Greifenburg die Diebstahlsanzeige erstattete, die Angeklagte sämtliche gestohlenen Bekleidungsstücke bereits zurückerstattet hatte (S 48 oben). Es traf weiters die Feststellung, daß ein Teil der von der Angeklagten an die Eigentümerin zurückgegebenen Kleidungsstücke verwaschen war, eine Bluse einen Brandfleck hatte und ein Pullover ein Loch aufwies (S 47), es zwischen den beiden Personen jedoch zu keinem Gespräch über eine allfällige Abgeltung der eingetretenen Wertminderung kam. Thusnelda G*** forderte einerseits keinen Ersatz von der Angeklagten, verzichtete aber andererseits auch nicht auf einen solchen (S 48/50). Soweit die Angeklagte daher in Ausführung ihrer Nichtigkeitsbeschwerde Feststellungen über das zeitliche Verhältnis zwischen Anzeigeerstattung und voller Schadensgutmachung sowie über die Unterlassung der Geltendmachung von Schadenersatzforderungen der Geschädigten vermißt, geht ihr Vorbringen ins Leere, weil diese Konstatierungen bereits vorliegen.

Die Beschwerdebehauptung, die Zeugin G*** habe schon vor der Anzeige bei der Gendarmerie auf Schadenersatz gegenüber der Beschwerdeführerin verzichtet und diesen Verzicht in der Hauptverhandlung vom 21.Mai 1986 "aufrechterhalten", findet in den Akten keine Deckung.

Die Frage aber, ob die Zeugin G*** schon vor der Anzeigeerstattung gegen die Angeklagte entschlossen war, für die Beschädigungen der Kleidungsstücke keinen Ersatz zu verlangen (wobei sie dies aber nach außen hin nicht zum Ausdruck brachte), ist rechtlich ebenso irrelevant wie der Umstand, daß es dieser Zeugin primär um die abhanden gekommenen Silbermünzen zu tun war und sie ihrer Aussage gemäß wegen des Diebstahls der Kleidungsstücke allein keine Anzeige erstattet hätte. Für die Anwendbarkeit des § 167 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB ist nur zu prüfen, ob unter Bedachtnahme auf den Freispruch der Angeklagten vom Anklagevorwurf des Silbermünzendiebstahls - in Ansehung des vom Schuldspruch umfaßten Diebstahls der Kleidungsstücke zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung (S 9) die Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle vorlagen, was nach dem Gesagten zu verneinen ist.

Die Beschwerdeführerin irrt aber auch, wenn sie vermeint, es sei von rechtserheblicher Bedeutung, ob sie von den die Kleidungsstücke betreffenden Beschädigungen, von denen sich aus der Aussage der Zeugin G*** implicite eindeutig ergibt, daß sie vor dem Diebstahl noch nicht vorhanden gewesen waren, "etwas bemerkt hat" und ob sie ihre Verpflichtung zum Ersatz solch weiteren Schadens "erkennen konnte". Denn abgesehen davon, daß die Angeklagte in der Hauptverhandlung eine "leichte Beschädigung" der Kleidungsstücke zugab und etwa die Beschädigung eines Pullovers sogar damit erklärte, sie sei an einer Autotür hängengeblieben (S 36), entschuldigt den Täter ein Versehen in dieser Richtung nicht (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 16 und 18 zu § 167, S 1102, 1103). Desgleichen ist es belanglos, ob die Angeklagte allenfalls in einem Irrtum über die rechtlichen Voraussetzungen des § 167 Abs. 2 Z 1 StGB befangen war, zumal diese Gesetzesstelle nicht die Frage der Rechtmäßigkeit des Täterverhaltens berührt, sondern bloß einen das Erlöschen des entstandenen Strafanspruches bewirkenden Strafaufhebungsgrund umschreibt und sich ein derartiger Irrtum daher bloß in unbeachtlicher Weise auf die Strafbarkeit der Tat (und nicht auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinn des § 9 StGB) bezöge. Zusammenfassend ist sohin von der Feststellung des Erstgerichtes auszugehen, wonach die Angeklagte zwar alle gestohlenen Kleidungsstücke vor der Anzeigeerstattung an die Geschädigte Thusnelda G*** zurückerstattete, damit aber keine volle Schadensgutmachung im Sinn des § 167 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB leistete, weil sie mehrfache Beschädigungen an den gestohlenen Sachen, welche eine Wertminderung zur Folge hatten, bis zur Anzeigeerstattung nicht abgegolten und die Geschädigte bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht auf den Ersatz dieses Schadens ausdrücklich verzichtet hatte.

Ungeachtet dessen, daß die Zeugin G*** später - nämlich in der Hauptverhandlung vom 21.Mai 1986 - eine Erklärung abgab, welche als Verzicht auf Schadensgutmachung aufgefaßt werden kann, erscheinen somit die auf den Zeitpunkt der Anzeigeerstattung abstellenden Voraussetzungen des § 167 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB für die Annahme strafaufhebender tätiger Reue nicht gegeben. Aus der Bestimmung des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB schließlich ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt im vorliegenden Strafverfahren nichts zu gewinnen, weil eine Vereinbarung über die Schadensgutmachung nicht getroffen wurde. Ohne Rechtsirrtum erkannte somit das Erstgericht die Angeklagte des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB für schuldig, weshalb die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Das Jugendschöffengericht schob gemäß dem § 13 Abs. 1 JGG den Ausspruch und die Vollstreckung der über Manuela F*** zu verhängenden Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig auf.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte eine bloße Ermahnung

nach dem § 12 Abs. 2 JGG an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die vom Erstgericht gefundene strafgerichtliche Reaktion auf die Delinquenz der Angeklagten entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der verfahrensgegenständlichen Tat. Zu einer noch milderen Ahndung besteht schon im Hinblick auf die wiederholten diebischen Zugriffe der Manuela F*** kein Anlaß. Mangels Vorliegens einer eine bloße Ermahnung rechtfertigenden offensichtlichen Bagatelldelinquenz war daher auch der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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