OGH 13Os102/86

OGH13Os102/8618.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.September 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Erwin H*** wegen der beiden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 11.März 1986, GZ. 10 Vr 47/84-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Erwin H*** wurde der beiden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und nach Abs. 2 lit. a FinStrG. schuldig erkannt, wogegen der Angeklagte Nichtigkeit aus § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Schon die Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer die fehlende Feststellung des im § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. geforderten besonderen Vorsatzes reklamiert, schlägt durch. Zur Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 (lit. a und b) FinStrG. genügt nämlich nicht, daß der Täter die Verwirklichung des einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalts ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 8 Abs. 1 FinStrG.). Vielmehr muß der Täter hinsichtlich der Bewirkung einer Verkürzung wissentlich (§ 33 Abs. 2 FinStrG.: "... und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält"; siehe § 5 Abs. 3 StGB.) handeln (13 Os 16/81; Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Erläuterung P. 2 zu § 33 FinStrG.).

Die anderslautende Rechtsansicht des Erstgerichts, daß (auch) der Vorsatz des § 33 Abs. 2 StGB. sich darin erschöpfen könne, daß der Angeklagte die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich gehalten habe (S. 490), weshalb weitere Ausführungen zum Mangel oder zum Vorhandensein der Wissentlichkeit (des Wissensfaktors) beim Angeklagten in den Entscheidungsgründen fehlen, belastet das Urteil mit einem die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung des inkriminierten Verhaltens berührenden Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.). Dieser Mangel kann nur in einem neuen Urteil, in dem entsprechende, positive oder negative Konstatierungen zur subjektiven Tatseite enthalten sind, behoben werden. Das mitabgeurteilte, rechtlich ganz anders konstruierte Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG. verlangt zwar keine Wissentlichkeit, für dieses genügt der festgestellte bedingte Vorsatz. Doch sind, worauf die Mängelrüge zutreffend hinweist, in Spruch und Gründen des angefochtenen Urteils die beiden Finanzvergehen undifferenziert so zusammengefaßt, daß der Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 FinStrG. das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens betreffend den Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. teilen muß (§ 289 StPO.).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, gemäß § 285 e StPO. in einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und die Strafsache an die erste Instanz rückzuverweisen, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst aus den aufgezeigten Gründen noch nicht eintreten kann.

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