Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafen werden wie folgt erhöht:
bei Kurt N*** gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24.April 1986, AZ. 27 Vr 300/86, auf 2 (zwei) Jahre, bei Manfred P*** auf 4 (vier) Jahre und bei Cem K*** auf 5 (fünf) Jahre.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Kurt N*** und Manfred P*** darauf verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen sämtlichen Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die österreichischen Staatsangehörigen Kurt N*** und Manfred P*** und der türkische Staatsangehörige Cem K*** wurden schuldig erkannt des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB (A) und des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und des Bandendiebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129 Z. 2 und 130 StGB - hier K*** als Anstifter und Gehilfe, was aber zufolge § 12 StGB (Einheitstäterschaft) gleichgültig ist (B) - sowie Cem K*** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach §§ 223 Abs 2, 224 und 15 StGB (C).
Darnach haben sie sich im Mai 1985 in Innsbruck durch die Vereinbarung, künftige Diebstähle durch Aufbrechen von Parkuhren in der Schweiz zu begehen, sowie irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 1985 durch die weitere Vereinbarung, durch Manipulation mit Scheck- und Bankomatkarten unberechtigte Behebungen aus Bankomaten zu tätigen, mit dem Vorsatz verbunden, daß von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt nicht nur geringfügige Diebstähle oder Betrügereien ausgeführt werden (A); ferner haben N*** und P*** von Mai bis Dezember 1985 in Zürich, Grindelwald und Bern als Mitglieder einer Bande in gewerbsmäßiger Absicht Bargeld im Betrag von mehr als 70.000 sfr überwiegend durch Aufbrechen oder Öffnen von Parkuhren mittels nachgemachter Schlüssel Verfügungsberechtigten der zuständigen Polizeidienststellen gestohlen (B I), wozu sie K*** in Innsbruck angestiftet und wozu er dadurch beigetragen hat, daß er die Ausführung plante und die Nachschlüssel für die Parkuhren herstellte (B II). Schließlich hat K*** ab Mai 1985 in Innsbruck und an anderen Orten gefälschte Personaldokumente (mit seinem Lichtbild versehene türkische Dokumente, und zwar eine Identitätskarte, einen Reisepaß und einen Führerschein sowie einen internationalen Führerschein) im Rechtsverkehr zum Beweis seiner Identität gebraucht und zu gebrauchen getrachtet (C).
Die Angeklagten N*** und P*** bekämpfen mit ihren auf § 281 Abs 1 Z. 4 StPO von N*** auch auf Z. 10 gestützten Nichtigkeitsbeschwerden die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit ihrer den Schuldsprüchen B I zugrunde liegenden Taten nach § 130 (zweiter Satz) StGB
Kurt N*** hatte in der Hauptverhandlung Erhebungen bei seinem letzten Dienstgeber, der Firma W*** L***, über seinen Verdienst vom 4.Juli 1985 bis 31.Dezember 1986 (gemeint wohl: 1985) beantragt, Manfred P*** die zeugenschaftliche Einvernahme von Herbert P*** und Sabine S***. Als Beweisthema gaben beide
Beschwerdeführer lediglich "die Frage der Gewerbsmäßigkeit" an (S. 30/II). Beide Anträge wurden in der Hauptverhandlung "wegen Unerheblichkeit der Beweisthemen" abgewiesen (S. 30/II, ausführlicher in den Urteilsgründen: S. 73/II). Die Verfahrensrügen bringen im wesentlichen übereinstimmend vor, die Beweisaufnahme hätte ergeben, daß N*** und P*** infolge einer redlichen Erwerbstätigkeit auf die Einkünfte aus den Diebstählen nicht angewiesen waren.
Rechtliche Beurteilung
Das Beweisdesiderat ist substanzlos. Es geht offensichtlich ebenso wie die Rechtsrüge des Angeklagten N*** von der verfehlten Rechtsmeinung aus, gewerbsmäßige Tendenz falle nur dem Täter zur Last, der seinen Unterhalt zur Gänze oder überwiegend aus der verbrecherischen Tätigkeit zieht. Gewerbsmäßiges Handeln kann aber nach ständiger Rechtsprechung auch bei einem Täter vorliegen, der lediglich Zuschüsse zu seinem redlichen Berufseinkommen anstrebt. Folglich kommt es nicht darauf an, ob die Angeklagten auch redliche Einkünfte erzielten und ob allfällige derartige Einnahmen zur Deckung ihres Lebensunterhalts ausgereicht hätten. Entscheidend ist nur, daß die Angeklagten sich durch die "wiederkehrende Begehung" der Diebstähle ein laufendes Einkommen verschaffen wollten. Im übrigen wird im Urteil ohnedies festgestellt, daß N*** im Jahr 1985 zum Großteil berufstätig war und ein Einkommen erzielte, und auch eine fallweise Unterstützung P*** durch Verwandte und Freunde wird nicht ausgeschlossen (S. 71/II). Wenn das Erstgericht dennoch zu der Annahme gelangte, daß die Angeklagten bei der Ausführung der Diebstähle mit gewerbsmäßiger Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) handelten, so setzte es damit einen Akt freier Beweiswürdigung. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB in Anwendung des (gemeint) § 28 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Kurt N*** 20 Monate und über Manfred P*** und Cem K*** je 2 1/2 Jahre. Dabei waren erschwerend bei allen drei Angeklagten die mehrfache Qualifikation, die Wiederholung und der hohe Schaden (beim Diebstahl) sowie das Zusammentreffen strafbarer Handlungen, ferner bei N*** die einschlägige Vorstrafe, bei P*** "das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall sowie die weiteren einschlägigen Vorstrafen", bei K*** die Anstiftung seiner Mitangeklagten und die einschlägigen Vorstrafen. Mildernd waren hingegen bei allen drei Angeklagten die reumütigen Geständnisse und die teilweise Schadensgutmachung.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten N*** und P*** eine Herabsetzung der über sie verhängten Strafen an, die Staatsanwaltschaft hingegen begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der Freiheitsstrafen hinsichtlich aller drei Angeklagten. Nur die Anklagebehörde ist im Recht.
Die ungewöhnlich professionelle Art, in der die Angeklagten zu Werk gingen und der große Umfang ihrer kriminellen Aktivität - nicht weniger als 1287 Parkuhren waren Objekte der diebischen Angriffe; die Beute betrug festgestelltermaßen mindestens (S. 71/II)
70.809 Schweizer Franken - die umsichtige Manipulation mit dem erbeuteten Kleingeld (S. 63/II) und die in dem mit dem Diebstahl konkurrierenden Vergehen der Bandenbildung manifest gewordene Planung weiterer Straftaten lassen eine schon berufsmäßige kriminelle Ambition erkennen, deren besondere Gefährlichkeit durch das Geschick der arbeitsteilig über Grenzen hinweg agierenden Angeklagten unverkennbar ist. Hier sind Strafen im Mittelbereich der angedrohten Sanktion geboten; dies auch angesichts einer Modifikation der Strafzumessungsgründe: Denn bei gewerbsmäßiger Begehung der Diebstähle kommen die Wiederholung und die einschlägige Vorkriminalität nicht gesondert als erschwerend in Anschlag (Leukauf-Steininger 2 , RN. 13 zu § 32 StGB, RN. 5 zu § 33 StGB). Schließlich ist bei P*** § 39 StGB, obwohl anwendbar, nicht angewendet worden, weshalb sämtliche (nicht nur "die weiteren") einschlägigen Vorstrafen aggravierend sind (LSK. 1976/6). Da Cem K*** zweifellos die treibende und führende Kraft bei den kriminellen Unternehmungen war, war seine Strafe von der seiner Komplizen entsprechend abzuheben.
Bei N*** war im Hinblick auf das mittlerweile in Rechtskraft erwachsene Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24.April 1986 (§§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Z. 1 und 2, 130, 2. Fall, und 15 StGB: eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe) gemäß § 31 StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen, wobei davon auszugehen war, daß bei einer gemeinsamen Aburteilung aller von den im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen erfaßten Straftaten eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren angemessen gewesen wäre, was eine Zusatzstrafe von 2 Jahren ergibt.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten N*** und P*** auf das erfolgreiche Rechtsmittel des Prozeßgegners zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)