OGH 9Os99/86

OGH9Os99/8617.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael E*** wegen des Verbrechens nach §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 SuchtgiftG, AZ 6 a Vr 8436/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 10. September 1984, AZ 21 Bs 412/84, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 10.September 1984, AZ 21 Bs 412/84, verletzt insoweit, als

  1. 1. dem freigesprochenen Angeklagten Michael E*** der Ersatz der Kosten seiner Zureise zur Hauptverhandlung in der Höhe von 3.474 S zuerkannt wurde,
  2. 2. ein Zuspruch des Ersatzes von Barauslagen im Betrag von 170,50 S für die Anfertigung von Aktenablichtungen unterblieb,

    das Gesetz jeweils in der Bestimmung des § 393 a Abs. 1 StPO.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Jänner 1984, GZ 6 a Vr 8436/82-24, wurde Michael E***, der im Verfahren durch einen Wahlverteidiger vertreten war, von der Anklage wegen Verbrechens nach §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 SuchtgiftG (aF) gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Er stellte hierauf (fristgerecht) den Antrag, den ihm gemäß § 393 a StPO vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit insgesamt 14.007,70 S festzusetzen, und zwar 10.000 S als Pauschalbeitrag zu den Kosten seines Wahlverteidigers und 4.007,70 S als Ersatz nötig gewesener und vom Angeklagten wirklich bestrittener barer Auslagen; von diesen Barauslagen entfielen 3.837,20 S auf Kosten der Zureise des Angeklagten aus der Bundesrepublik

Mit Beschluß vom 18.Epril 1984 (ON 28) setzte das Landesgericht für Strafsachen Wien den gemäß § 393 a StPO vom Bund zu leistenden Beitrag - ohne zwischen Barauslagen und Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers zu unterscheiden - mit 2.500 S fest. Der dagegen von Michael E*** erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien zu AZ 21 Bs 412/84 am 10.September 1984 teilweise Folge, indem es den angefochtenen Beschluß aufhob und den Beitrag gemäß § 393 a StPO mit insgesamt 7.474 S, davon 3.474 S für Barauslagen und 4.000 S als Pauschalbeitrag, bestimmte. Den Zuspruch des Barauslagenersatzes begründete das Beschwerdegericht im wesentlichen damit, daß Zureisekosten eines Angeklagten zur Hauptverhandlung grundsätzlich als zur Verteidigung nötigen Barauslagen anzusehen seien, doch seien dem Antragsteller für Fahrten innerhalb Wiens statt der begehrten Taxispesen nur die Kosten der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels und für die Fahrten mit eigenem Kraftfahrzeug zwischen dem Wohnsitz und dem Flughafen in der Bundesrepublik Deutschland statt des dort vorgesehenen amtlichen Kilometergeldes nur der Ersatz der Treibstoffkosten zuzuerkennen; die Kosten für Aktenabschriften (-ablichtungen) seien hingegen nicht gesondert zuzusprechen, weil die Fotokopien vom Verteidiger bestellt und bezahlt worden seien und der Aufwand hiefür im Pauschalbeitrag zu den Verteidigerkosten aufgehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeentscheidung steht, soweit sie den Barauslagenersatz betrifft, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Zwar unterscheidet das Oberlandesgericht Wien bei Festsetzung des Beitrages, welcher gemäß § 393 a StPO vom Bund unter bestimmten Voraussetzungen (außer im Falle eines Privat- oder Subsidiaranklageverfahrens) an den Freigesprochenen zu leisten ist, zu Recht zwischen nötig gewesenen, vom Angeklagten wirklich bestrittenen baren Auslagen, die im vollen Ausmaß - nicht bloß durch Leistung eines Beitrags - zu ersetzen sind, und Kosten des Verteidigers, zu denen - außer im Fall des § 41 Abs. 2 StPO - nur ein Pauschalbeitrag zu erbringen ist. Aus dieser Unterscheidung hat das Oberlandesgericht Wien jedoch in Ansehung des Baraufwands für Aktenablichtungen keine Konsequenz gezogen; anderseits ist es durch den Zuspruch von Reisekosten über den Umfang des strafprozessualen Kostenbegriffes hinausgegangen:

Das mit der Einführung der Beitragspflicht des Bundes (§ 393 a StPO) durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1983, BGBl. 168, verfolgte Ziel war (laut EBRV 1084 Blg.NR 15. GP, 27 f) die Beseitigung jener Unbilligkeit, die im grundsätzlichen Ausschluß des Ersatzes jener Kosten erblickt wurde, welche dem von der Anklage Freigesprochenen dadurch erwachsen sind, daß er sich eines Verteidigers bedient hat. Von Kosten anderer Art ist in den Gesetzesmaterialien (vgl. auch AB 1422 Blg. NR 15. GP) nicht die Rede. Folgerichtig ist nach § 393 a Abs. 1 StPO seitens des Bundes zu den "Kosten der Verteidigung" beizutragen, unter welchem Begriff auch an anderer Stelle (§ 393 StPO) die mit der Vertretung durch einen Verteidiger verbundenen Kosten verstanden werden; dem entspricht die systematische Einordnung der neuen Bestimmung unter jene Vorschriften des XXII. Hauptstückes (§§ 393 bis 395 StPO), welche ausschließlich Vertretungskosten betreffen. Mag auch der Gesetzgeber über seine ausdrücklich erklärte Intention letztlich hinausgegangen sein, indem er den Ersatz der Barauslagen ohne Einschränkung auf Spesen, welche nur infolge Beiziehung eines Verteidigers erwachsen sind, in die Beitragspflicht des Bundes einbezogen hat, so wurde dadurch jedenfalls die den Gesamtumfang des Begriffes der Verfahrenskosten umschreibende taxative Aufzählung des § 381 Abs. 1 StPO (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 1 zu § 381; ferner 12 Os 14/86) nicht erweitert. Die im zweiten Satz des § 393 a Abs. 1 StPO getroffene Unterscheidung zwischen Kosten des (nicht gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigegebenen) Verteidigers und nötig gewesenen, vom Angeklagten wirklich bestrittenen Barauslagen dient - über den bereits erwähnten Zweck, dem Freigesprochenen wenigstens den ungeschmälerten (nicht bloß in einem pauschalierten Beitrag bestehenden) Ersatz der Barauslagen zu sichern, hinaus - lediglich der Klarstellung, daß solche baren Auslagen auch jenen Freigesprochenen zu ersetzen sind, welche in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten waren. Solcherart wird in Ansehung des Barauslagenersatzes die sachlich gebotene Gleichstellung der (vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes) nicht rechtsfreundlich vertreten gewesenen Freigesprochenen mit jenen, für die ein Verteidiger eingeschritten ist, erzielt. Barauslagen, die den Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von der Tätigkeit eines Wahlverteidigers oder Verteidigers nach § 41 Abs. 3 StPO treffen, wie etwa Spesen für Aktenabschriften oder -ablichtungen (EvBl. 1985/178 = RZ 1985/81 = ÖJZ-LSK 1985/75 zu § 393 a Abs. 1 StPO), sind sohin unter den Voraussetzungen des § 393 a StPO sowohl dem durch einen Verteidiger vertretenen als auch dem nicht rechtsfreundlich vertreten gewesenen Angeklagten im vollen Umfang (nicht pauschaliert) zu ersetzen. Hingegen ist mangels einer Erweiterung des strafprozessualen Kostenbegriffes durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1983 der mit dem persönlichen Erscheinen des Angeklagten vor Gericht verbundene Aufwand weiterhin (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 10 zu § 390; Kodek-Germ StPO 3 Anm. 2 zu § 390 StPO) nicht Gegenstand einer Regelung im XXII. Hauptstück der Strafprozeßordnung, sodaß dessen Ersatz nach § 393 a StPO nicht in Betracht kommt (aA - allerdings ohne Begründung - Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts 2 , Rz. 1017).

Demnach verletzt die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, wie die Generalprokuratur zutreffend geltend macht, einerseits im Zuspruch eines Reisekostenersatzes in Höhe von 3.474 S und anderseits in der Ablehnung des Aufwandersatzes für Aktenablichtungen im Betrage von 170,50 S das Gesetz in der Bestimmung des § 393 a Abs. 1 StPO. Da der wirtschaftliche Vorteil des Angeklagten aus ersterem, zu seinen Gunsten unterlaufenen Verstoß die letzterwähnte geringfügige Benachteiligung mehr als aufwiegt, kann es insgesamt mit der Feststellung beider Gesetzesverletzungen sein Bewenden haben.

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