Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens 1. Instanz.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung eines Betrages von S 118.853,98 brutto s.A. mit der Behauptung, sie sei vom 1. Dezember 1978 bis 31. Dezember 1984 im Betrieb der erstbeklagten Partei (die zweitbeklagte Partei ist Komplementärgesellschafterin der erstbeklagten Partei) als Provisionsvertreterin angestellt gewesen. Sie habe von den erhaltenen Provisionszahlungen die Reisespesen zum Teil selbst tragen müssen, weil ihr dieser nach dem Arbeitsvertrag nur bis zum Ausmaß von 9 % des von ihr erzielten Nettoumsatzes ersetzt worden seien. Dies habe zur Folge gehabt, daß sie in den Jahren 1983 und 1984 das kollektivvertragliche Mindestentgelt im Jahresdurchschnitt nicht erreicht habe. Daraus ergebe sich für das Jahr 1983 eine Differenz von S 37.689,75 und für das Jahr 1984 eine Differenz von S 65.615,63 brutto. Der Klägerin stehe überdies für die Jahre 1982 bis 1984 eine Urlaubsentschädigung in der Höhe von S 15.548,60 brutto zu.
Der beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin verlange in Wahrheit den Ersatz restlicher Reisespesen. Dieser Anspruch bestehe aber nicht zu Recht, weil sie bis zu dem in zulässiger Weise vereinbarten Ausmaß von 9 % des Nettoumsatzes alle Reisespesen ersetzt bekommen habe. Die Klägerin habe ein das kollektivvertragliche Mindestentgelt übersteigendes Entgelt erhalten. "Weiters werde Verjährung der geltend gemachten Ansprüche eingewendet."
Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und erklärte, sie verlange nicht den Ersatz von Reisespesen, sondern die Differenz auf das von der beklagten Partei unterschrittene kollektivvertragliche Mindestentgelt. Diese Entgeltansprüche unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist, sodaß eine Verjährung nicht eingetreten sei. Die beklagten Parteien bestritten die Richtigkeit dieses ergänzenden Vorbringens, ohne zur Frage der Verjährung ein weiteres Vorbringen zu erstatten.
Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren im Umfang eines Teilbetrages von S 103.305,38 brutto (das sind die für die Jahre 1983 und 1984 begehrten Entgeltbeträge) ab. Es ging von folgendem unbestrittenen Sachverhalt aus:
Die Klägerin war vom 1. Dezember 1978 bis 31. Dezember 1984 als Angestellte der erstbeklagten Partei im Außendienst beschäftigt. Sie war vereinbarungsgemäß in der Gehaltstafel A, Beschäftigungsgruppe 4, Gehaltsgebiet A, eingestuft. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages waren ihr Aufwendungen nur insoweit zu ersetzen, als sie 9 % des Nettoumsatzes der übermittelten indirekten Aufträge nicht überstiegen. Die Klägerin verdiente im Jahr 1983 Provisionen von S 131.490,80 und erhielt ein Krankenentgeld von S 12.160; der kollektivvertragliche Mindestbezug hätte in diesem Jahr S 119.980 betragen.
Im Jahr 1984 erhielt die Klägerin von der erstbeklagten Partei Provisionszahlungen von S 134.142,90 und Krankengeld von S 19.550; das kollektivvertragliche Mindestentgelt hätte in diesem Jahr S 125.225 betragen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Klägerin habe das kollektivvertragliche Mindestentgelt nach ihrem eigenen Vorbringen stets erhalten. Sie gelange nur deshalb zu der Behauptung einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung, weil sie die Provisionszahlungen und die Reisespesen in unzulässiger Weise vermenge. Da die Klägerin die Klagsforderung ausdrücklich und ausschließlich auf den Anspruch auf Nachzahlung eines Arbeitsentgelts und nicht etwa auf den Ersatz von Reisespesen stütze, fehle dem Klagebegehren die Berechtigung.
In der Berufungsverhandlung gab die Klägerin die Erklärung ab, sie stütze das Klagebegehren nicht ausschließlich auf einen einzigen Rechtsgrund.
Das Berufungsgericht hob nach Neudurchführung des Verfahrens (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG) das Teilurteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dem ohne Fixum, aber mit Provision angestellten Vertreter müsse ein monatliches Mindestentgelt in der im Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs (KV) festgesetzten Höhe zukommen. Reisespesen dürften auf das Provisionseinkommen der Klägerin daher nur insoweit angerechnet werden, als die Höhe der verdienten Provisionen das kollektivvertragliche Mindesteinkommen übersteige. Soweit die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über Reisekosten und Reiseaufwandsentschädigung dazu führe, daß die Klägerin bei Anrechnung ihres von den beklagten Parteien nicht ersetzen Aufwandes auf die Provisionszahlungen in einem Jahr nicht einmal das kollektivvertragliche Mindestentgelt erhalte, stehe ihr aus dem Rechtsgrund des nach dem Kollektivvertrag gebührenden Mindestentgelts ein Anspruch auf die fehlende Differenz zu. Ob ein solcher Differenzanspruch tatsächlich bestehe, könne derzeit mangels Beweisaufnahmen noch nicht festgestellt werden.
Die in erster Instanz erhobene Verjährungseinrede beziehe sich auf den im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarten Verfall. Dieser trete dann ein, wenn offene Ansprüche nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Die einzelvertragliche Vereinbarung eines Verfalls, welche die Geltendmachung des kollektivvertraglichen Mindestgehalts für einen im Arbeitsverhältnis bereits zurückgelegten Zeitraum einschränke, sei aber sittenwidrig. Ein solcher Fall einer sittenwidrigen Verfallsvereinbarung liege hier vor. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit einem Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Auffassung der Rekurswerber, die Klägerin habe zusätzlich zu ihrem, das im Kollektivvertrag vorgesehene Mindestentgelt übersteigenden Entgelt (Provisionen) einen Spesenersatz zugestanden erhalten, dessen Höhe in zulässiger Weise vertraglich limitiert worden sei, sodaß dem Klagebegehren die Grundlage fehle, kann nicht zugestimmt werden. Der Zweck der Festsetzung kollektivvertraglicher Mindestlöhne besteht darin, dem Arbeitnehmer dessen Existenz zu sichern. Dieses Mindestentgelt muß ihm daher zur Gänze zu seiner freien Verfügung verbleiben. Müßte der Arbeitnehmer von diesem Mindestentgelt Spesen (ganz oder zum Teil) bezahlen, die mit seiner Berufsausübung verbunden sind (Reisekosten), dann würde das Mindestentgelt eine unzulässige Kürzung erfahren. Die im Punkt 7. des Arbeitsvertrages der Prozeßparteien getroffene Vereinbarung, wonach Spesen nur bis zum Ausmaß von 9 % des Nettoumsatzes der übermittelten indirekten Aufträge ersetzt werden, ist daher, soweit sie zu einer Tragung der Reisespesen durch die Klägerin auf Kosten ihres kollektivvertraglichen Mindestentgelts führte, infolge Verstoßes gegen den zwingenden Chrakter (§ 3 ArbVG) dieser Kollektivvertragsbestimmung rechtsunwirksam. Wollte man der Auffassung der beklagten Parteien zustimmen, so hätte es der Arbeitgeber in der Hand, die Bestimmungen über kollektivvertragliche Mindestentgelte durch eine Vereinbarung zu umgehen, daß der angestellte Provisionsvertreter einen Teil seiner Reiseaufwendungen selbst zu tragen habe.
Dem Berufungsgericht ist daher darin zu folgen, daß der kollektivvertragliche Mindestanspruch der Klägerin auf Provision durch Anrechnung von Reisespesen nicht unterschritten werden darf. Ob und in welcher Höhe dies allenfalls hier geschehen ist, wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß für diese Beurteilung der Jahresdurchschnitt herauszuziehen ist, bestehen mit Rücksicht auf die Schwankungen des monatlichen Provisionseinkommens keine Bedenken.
Für die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage eines Verfalls der Entgeltansprüche bestand jedoch kein Anlaß. Die beklagten Parteien haben in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. Juni 1985 ausdrücklich "Verjährung" eingewendet, ohne dazu irgendein Sachvorbringen zu erstatten. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann aus dem dabei gestellten Beweisanbot durch Kollektivvertrag und Arbeitsvertrag kein Schluß darauf gezogen werden, sie hätten unter "Verjährung" den im Arbeitsvertrag vereinbarten "Verfall" gemeint, zumal sich auch schon das vorangegangene, die Verjährungseinrede nicht betreffende Vorbringen sowohl auf den Kollektivvertrag als auch auf den Arbeitsvertrag bezog. Da die beklagten Parteien das von der Klägerin daraufhin erstattete ergänzende Vorbringen - Verjährung sei nicht eingetreten, weil mit der Klage Entgeltansprüche geltend gemacht worden seien, welche auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen der dreijährigen Verjährungsfrist unterlägen - lediglich bestritten haben, ohne auf die vertraglich vereinbarte Verfallsklausel und die ihr zugrundeliegende dreimonatige Fallfrist hinzuweisen, kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichts die Einrede des Verfalls nicht als erhoben angenommen werden.
Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)