Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin entschieden, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten mit 2.214,78 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 201,34 Umsatzsteuer) sowie die mit 3.914,72 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 1.500 S Barauslagen und 219,52 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Mieterin der Wohnung Nr. 24-26 im Haus Wien 10., Quellenstraße 173. Diese Wohnung hat sie zusammen mit ihrem Ehegatten Evangelos M*** bewohnt. Ihre Ehe wurde am 7. August 1979 zu 1 Sch 162/79 des Bezirksgerichtes Favoriten einvernehmlich geschieden. Anläßlich der Ehescheidung schlossen die Eheleute einen Vergleich dahin, daß die Wohnung dem Ehegatten verbleibt, während die Ehefrau eine neue Wohnung bezieht. Bis dahin verbleibt sie in der Ehewohnung.
Tatsächlich verblieb die Beklagte bis September 1984 in der Ehewohnung. Nach dem Vorbringen beider Parteien hat sie mit ihrem geschiedenen Ehegatten in Lebensgemeinschaft gelebt (siehe insbesondere S 11 und 55 des Aktes). Seither benützt Evangelos M*** die Wohnung allein.
Das Erstgericht hat die auf § 30 Abs. 2 Z 6 MRG gestützte Aufkündigung mit der Begründung aufgehoben, nach der zum Zeitpunkt der Ehescheidung in Geltung gestandenen Bestimmung des § 19 Abs. 4 MG habe eine wirksame Überlassung an den Ehegatten erfolgen können. Eine Verständigung des Hauseigentümers sei für die Wirksamkeit der Überlassung nicht erforderlich gewesen. Auch an einen geschiedenen Ehegatten habe eine Überlassung erfolgen können, falls der Grund für die Überlassung die Ehescheidung gewesen sei. Dies sei hier der Fall gewesen, weshalb seinerzeit die Mietrechte an den geschiedenen Ehegatten der Beklagten übergegangen seien. Die Beklagte sei daher passiv für die Kündigung nicht mehr legitimiert. Selbst wenn man aber eine wirksame Überlassung der Mietrechte im Jahre 1979 verneinen würde, wären die geltend gemachten Kündigungsgründe nicht gegeben, weil der Lebensgefährte gemäß § 14 Abs. 3 MRG eintrittsberechtigt sei und die Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 Z 4 und 6 MRG dann nicht vorlägen, wenn die aufgekündigte Wohnung der Befriedigung eines dringenden Wohnungsbedürfnisses eintrittsberechtigter Personen diene. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Es trat zwar der Rechtsansicht des Erstgerichtes, auch an einen geschiedenen Ehegatten könne eine vermietete Wohnung rechtswirksam überlassen werden, falls die Überlassung ihren Grund in der Ehescheidung habe, bei, doch sei eine solche Überlassung dann nicht mehr wirksam, wenn die geschiedenen Ehegatten weiterhin länger als fünf Jahre gemeinsam in der aufgekündigten Wohnung zusammengelebt hätten. Dies sei hier der Fall gewesen. Da demnach die seinerzeitige Überlassung an den geschiedenen Ehegatten der Beklagten unwirksam sei, müsse das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die geltend gemachten Kündigungsgründe geprüft werden.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt. Richtig hat das Berufungsgericht grundsätzlich erkannt, daß nach der seinerzeitigen Bestimmung des § 19 Abs. 4 MG das Verlassen der Wohnung und die Überlassung an die eintrittsberechtigte Person zeitlich nicht zusammenfallen müssen. Ferner ist es richtig, daß von der Rechtsprechung der im § 19 Abs. 4 MG genannte Personenkreis auch auf geschiedene Ehegatten für den Fall ausgedehnt wurde, daß die Ehegatten bis zur Scheidung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und der Grund der Überlassung in der Scheidung der Ehe gelegen war (siehe die vom Berufungsgericht zitierte Judikatur). Der Beklagten ist ferner zuzubilligen, daß vom Eintrittsrecht des geschiedenen Ehegatten auch dann ausgegangen werden könne, wenn der bisherige Mieter nicht sogleich mit der Überlassung auszieht, sondern noch eine gewisse Zeit in der Wohnung bleibt. Voraussetzung für einen Eintritt des ehemaligen Ehegatten ist jedoch, neben der Überlassung der Wohnung an ihn, auch das Verlassen der Wohnung durch den bisherigen Mieter (Würht in Rummel, Rdz 3 zu § 12 MRG). Demnach könnte in einem solchen Falle eine wirksame Überlassung frühestens mit dem tatsächlichen Verlassen der Wohnung durch den bisherigen Mieter erfolgen. Da § 19 Abs. 4 MG aber einen einheitlichen Tatbestand für den Übergang der Mietrechte an eine eintrittsberechtigte Person geschaffen hatte, konnte dieser Tatbestand nur erfüllt werden, wenn zwischen den einzelnen Tatbestandselementen ein Zusammenhang bestand. Das tatsächliche Verlassen der Wohnung durch den bisherigen Mieter mußte daher im Zusammenhang mit der Überlassung der Mietrechte an die eintrittsberechtigte Person stehen. Traten nach der Überlassung an die eintrittsberechtigte Person Umstände ein, die den Zusammenhang mit einem allfälligen späteren Verlassen unterbrachen, so konnte das spätere Verlassen nicht mehr als Folge der seinerzeitigen Überlassung der Wohnung angesehen werden. In einem solchen Fall wurde der Tatbestand des § 19 Abs. 4 MG nicht erfüllt. Im vorliegenden Fall wurde sowohl von den Klägern (S 11 und S 55 des Aktes) als auch von der Beklagten (S 32 und S 50 des Aktes) vorgebracht, daß die Beklagte nach der Scheidung der Ehe mit ihrem geschiedenen Ehegatten weiterhin in Lebensgemeinschaft in der Wohnung gelebt hat. Diese Lebensgemeinschaft dauerte länger als fünf Jahre. Unter Lebensgemeinschaft versteht man eine in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichtete Haushaltsgemeinschaft. Sie ist eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, somit keine bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (Würth in Rummel, Rdz 7 zu § 14 MRG, MietSlg. 34.454 ua.). Eine solche Lebensgemeinschaft, die in der Regel nicht auf bestimmte Dauer eingegangen wird, setzt meist die Absicht des Verbleibens der beiden Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung voraus. Daß hier diese Absicht bestanden hat, kann nicht zweifelhaft sein. Jene Wohnung, die als Zentrum der Lebensgemeinschaft diente, ist die aufgekündigte Wohnung. Durch die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft zwischen den ehemaligen Ehegatten in der aufgekündigten Wohnung wurde demnach der Zusammenhang mit der vorher getroffenen Überlassungsvereinbarung und dem späteren Verlassen der Wohnung durch die Beklagte unterbrochen. Zu einem Übergang der Mietrechte im Sinne des § 19 Abs. 4 MG an den geschiedenen Ehegatten der Beklagten ist es also nicht gekommen. Richtig hat das Berufungsgericht demnach erkannt, daß die Beklagte nach wie vor für die Kündigung passiv legitimiert ist. Unbestritten ist, daß die Beklagte im Jahre 1984 die Wohnung verlassen und ihrem nunmehrigen Lebensgefährten überlassen hat. Daß dieser einen dringenden Wohnungsbedarf an der Wohnung hat, wurde nicht bestritten.
Die beiden geltend gemachten Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 4 und Z 6 MRG liegen aber dann nicht vor, wenn die vermietete Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnungsbedürfnisses einer eintrittsberechtigten Person (§ 14 Abs. 3) dient. Nach § 14 Abs. 3 MRG ist eintrittsberechtigt unter anderem auch der Lebensgefährte des Mieters. Sohin dient die Wohnung nach wie vor den Bedürfnissen einer eintrittsberechtigten Person der Mieterin, weshalb die beiden herangezogenen Kündigungstatbestände nicht erfüllt sind.
Entgegen der in der Rekursbeantwortung vertretenen Rechtsansicht hat die Beklagte sehr wohl geltend gemacht, daß ihr geschiedener Ehegatte die Benützung der Wohnung von ihr ableite. Daß sie hiebei der irrigen Rechtsmeinung war, bereits die seinerzeitige Überlassung habe ihrem geschiedenen Ehegatten ein selbständiges Benützungsrecht verschafft, spielt keine Rolle, weil sie eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß die Benützung der Wohnung durch ihren geschiedenen Ehegatten und dessen Wohnbedarf der Kündigung entgegenstehen. Die bloße Einwendung der mangelnden passiven Legitimation läßt keineswegs erkennen, daß die Beklagte unter allen Umständen auf eigene Bestandrechte verzichten wolle. Vielmehr ergibt sich aus ihren Einwendungen eindeutig, daß sie unter allen Umständen die Aufhebung der Aufkündigung wegen der von ihrem geschiedenen Ehegatten von ihr abgeleiteten Benützungsrechte anstrebt, wobei nicht ausgeschlossen wird, daß es sich hiebei nur um Benützungsrechte eintrittsberechtigter Personen ohne Übergang der Mietrechte handeln könnte. Einen eindeutigen Verzicht auf ihre Mietrechte hat die Beklagte nicht ausgesprochen.
Da demnach die Sache im Sinne einer Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung spruchreif ist, konnte der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst entscheiden (§ 519 Abs. 2 ZPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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