OGH 5Ob318/86 (5Ob319/86)

OGH5Ob318/86 (5Ob319/86)9.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in den zur gemeinsamen Erledigung verbundenen Konkurseröffnungssachen der antragstellenden Parteien 1.) Karl W***, Arbeitnehmer, 6922 Moor 107, 2.) Ingeborg B***, Arbeitnehmerin, 6911 Lochau, Alberloch-Straße 21, beide vertreten durch Dr. Sigmund Mozes und Johann Gohm der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg in Feldkirch, wider die antragsgegnerische Partei Helmut M***

- M + M Gatstronomie Gesellschaft m.b.H. (in Gründung), 6903 Bregenz, Quellenstraße 17-21, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, infolge Revisionsrekurses der antragsgegnerischen Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 27.Juni 1986, GZ 1 R 208, 209/86-21, womit der Rekurs der M + M Gesellschaft m. b.H., vertreten durch den Geschäftsführer Helmut M***, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 30.4.1986, GZ 13 Nc 231,232/85-17, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit ihren je am 28.11.1985 beim Erstgericht eingelangten Schriftsätzen beantragten die beiden Antragsteller die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der antragsgegnerischen Partei "M*** Helmut - M + M Gastronomie Gesellschaft m.b.H. (in Gründung), Quellenstraße 17-21, 6903 Bregenz".

Mit Beschluß vom 18.4.1986, ON 15, wies das Erstgericht die Konkurseröffnungsanträge der beiden Antragsteller mangels hinreichenden Vermögens der antragsgegnerischen Partei gemäß § 72 Abs 2 KO ab.

Mit Beschluß vom 30.4.1986, ON 17, berichtigte das Erstgericht die Bezeichnung der antragsgegnerischen Partei gemäß § 235 Abs 5 ZPO, § 171 KO von Amts wegen wie folgt: "Firma M + M Gastronomie Gesellschaft m.b.H., Brerenz". Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde Helmut M*** am 13.5.1986 zugestellt. Am 27.5.1986 gab dieser dagegen namens der M + M Gastronomie Gesellschaft m.b.H. als deren Geschäftsführer beim Bezirksgericht Montafon in Schruns als Bezirksgericht seines Aufenthaltes einen Rekurs zu Protokoll, den das genannte Bezirksgericht an das Erstgericht weiterleitete, wo er am 4.6.1986 einlangte.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs wegen Verspätung zurück und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und der Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei. Es führte aus:

Zwar seien gemäß § 173 Abs 1 KO die Bestimmungen über die Vertretung durch Rechtsanwälte nicht anzuwenden, so daß Rekurse im Konkursverfahren der Unterschrift eines Rechtsanwaltes nicht bedürften (vgl.Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rdz 53). Zu Protokoll gegeben könnten aber nur Rekurse werden, die beim Bezirksgericht anzubringen seien, also Rekurse gegen Beschlüsse im bezirksgerichtlichen Verfahren, nicht aber Rekurse gegen erstinstanzliche Beschlüsse von Gerichtshöfen (vgl.MGA der ZPO 3, 1035, Entscheidungen unter Nr.5 zu § 520 ZPO; Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1992, 1993; derselbe, Kommentar IV 418 Punkt 2). Die Möglichkeit, den in Rede stehenden Rekurs beim Bezirksgericht Montafon in Schruns als dem Bezirksgericht seines Aufenthaltes zu Protokoll zu erklären, habe für Helmut M*** aber auch gemäß § 90 GOG in der Fassung des Art.VI Z 7 BGBl 1983/135 nicht bestanden, weil er im vorliegenden Verfahren nicht Verfahrenshilfe genieße. Bei dieser Verfahrenslage vermöge der Umstand, daß Helmut M*** den hier in Rede stehenden Rekurs am letzten Tag der 14-tägigen Rekursfrist des § 176 Abs 1 KO beim Bezirksgericht Montafon in Schruns mündlich zu Protokoll gegeben habe, die Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels sohin nicht zu bewirken. Der Rekurswerber müsse vielmehr gegen sich gelten lassen, daß der gegenständliche Protokollarrekurs erst nach Ablauf der vorerwähnten Rekursfrist, nämlich am 4.6.1986, beim Erstgericht als zur Einbringung des Rekurses zuständigem Gericht (§ 520 Abs 1 ZPO) eingelangt sei, da dieser Tag für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Rekurses entscheidend sei (vgl.MGA der ZPO13, 923, Entscheidungen unter Nr.1

zu § 465 ZPO). Die Überlegung, daß der Rekurs rechtzeitig gewesen wäre, wenn ihn der Rekurswerber selbst verfaßt, unterschrieben und spätestens am 27.5.1986 an das Erstgericht adressiert zur Post gegeben hätte (§ 89 Abs 1 GOG), vermöge an dem Ergebnis nichts zu ändern, daß der Rekurs bei der hier gewählten Vorgangsweise verspätet sei. Er sei daher vom Rekursgericht zurückzuweisen gewesen, da dies nicht schon das Erstgericht getan habe (§ 526 Abs 2, § 523 ZPO).

Mit dem Ergebnis, daß im vorliegenden Fall für den Rekurswerber Helmut M*** nicht die gesetzliche Möglichkeit bestanden habe, den gegenständlichen Rekurs beim Bezirksgericht Montafon in Schruns als dem Bezirksgericht seines Aufenthaltes zu Protokoll zu geben, scheine der Wortlaut der Bestimmung des § 90 GOG in der zitierten Fassung in Widerspruch zu stehen, wonach dann, wenn eine die Verfahrenshilfe genießende Partei in einem nicht dem Anwaltszwang unterliegenden streitigen oder in einem außerstreitigen Verfahren bei einem Gericht außerhalb ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltes Anträge zu stellen oder Erklärungen abzugeben habe, die Bestimmungen des § 64 Abs 1 Z 4 ZPO sinngemäß anzuwenden seien; diese Gesetzesbestimmung mache nämlich keinen Unterschied zwischen Verfahren, in denen ein Bezirksgericht, und Verfahren, in denen ein Gerichtshof erster Instanz zur Entscheidung berufen sei, wie etwa im Konkursverfahren, in welchem gemäß § 173 Abs 1 KO grundsätzlich kein Anwaltszwang bestehe. Doch sei für den Rekurswerber gegebenenfalls aus dieser Vorschrift kein Gewinn zu ziehen, weil er nicht im Genuß der Verfahrenshilfe stehe.

Der Revisionsrekurs sei für zulässig zu erklären gewesen (§ 528 Abs 2, § 502 Abs 4 Z 1 ZPO), weil die Frage der Möglichkeit, in Insolvenzsachen Rekurse beim Bezirksgericht des Aufenthaltes zu Protokoll zu erklären, eine Frage des Verfahrensrechtes darstelle, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der antragsgegnerischen Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern (offenbar gemeint: aufzuheben) und in der Sache selbst zu entscheiden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Es ist mit dem Rekursgericht davon auszugehen, daß für den Rekurs im Konkursverfahren sowie im Konkurseröffnungsverfahren, soweit in der Konkursordnung nichts anderes angeordnet ist, unter anderem die Vorschriften der Zivilprozeßordnung und des Gerichtsorganisationsgesetzes gelten (§ 171 KO; Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rdz 39; 5 Ob 312/86). Es ist dem Rekursgericht auch darin beizupflichten, daß im gegenständlichen Fall weder aus den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung noch aus jenen des Gerichtsorganisationsgesetzes die Zulässigkeit eines Protokollarrekurses beim Bezirksgericht Montafon in Schruns als dem Bezirksgericht des Aufenthaltes des Helmut M*** abgeleitet werden kann. Eine solche Zulässigkeit folgt auch nicht aus § 173 Abs 2 KO, wonach Anträge durch Schriftsätze angebracht oder (beim Konkursgericht) mündlich zu Protokoll erklärt werden können (ohne daß hier die Frage beantwortet zu werden braucht, ob die genannte Vorschrift auf Rekurse überhaupt anzuwenden wäre; vgl.dazu Bartsch-Pollak3 I 696 iVm II 16, 26 einerseits und Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 29 andererseits). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits mit Billigung der Lehre ausgesprochen, daß eine Berufung als zulässig zu behandeln ist, obgleich sie vom Gericht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 465 Abs 2 ZPO zu Protokoll genommen worden ist (JBl 1953, 187 unter Hinweis auf Pollak, System2, 580 - früher aM GlUNF 6788, 7.541, ZBl 1930/168

u. a. - ; Novak in der Glosse zur Entscheidung des OLG Wien JBl 1956, 454; Fasching, Kommentar IV 55; OLG Wien in SSV 5/27 - früher aM JBl 1956, 454 - ). Dasselbe hat für einen vom Gericht zu Unrecht zu Protokoll genommenen Rekurs zu gelten. Da es sich bei der hier unterlaufenen Fehlprotokollierung um einen Gerichtsfehler handelt, der nicht zu Lasten der Partei gehen darf, wäre der gegenständliche Rekurs nicht deswegen als verspätet zurückzuweisen gewesen, weil er am letzten Tag der Rekursfrist beim Bezirksgericht Montafon in Schruns zu Protokoll gegeben wurde und erst am 4.6.1986 beim Erstgericht einlangte.

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.

Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten war abzuweisen, weil im Konkurs(eröffnungs)verfahren grundsätzlich kein Kostenersatz zu leisten ist (§ 173 Abs 1 KO; Bartsch-Heil a.a.O:

Rdz 39; Wegan a.a.O.28; Bartsch-Pollak a.a.O. I 690).

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