OGH 11Os123/86

OGH11Os123/863.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Riedel als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton B*** wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 6.Juni 1986, GZ 10 Vr 598/86-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Jahn, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Februar 1966 geborene Anton B*** des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach versuchte er in den späten Abendstunden des 5.März 1986 in Klagenfurt, als er sich nach dem Besuch mehrerer "Lokale" auf dem Heimweg befand, die ihm zufällig entgegenkommende Passantin Richarda M*** durch gefährliche Drohung und mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, indem er ihr ein aufgeklapptes Fischmesser gegen die Brust hielt, ihr drohte, sie abzustechen, und sie gleichzeitig am Oberarm erfaßte und mit den Worten "jetzt gemma, kumm" mitziehen wollte. Richarda M*** setzte sich jedoch in Panik zur Wehr und versuchte, dem Angeklagten das Messer aus der Hand zu schlagen, wobei sie neben leichten Schnittwunden auch eine schwere Verletzung, nämlich eine Durchtrennung der Sehnen des Ring- und Kleinfingers der linken Hand sowie eine Nervendurchtrennung am Mittelfinger der rechten Hand, erlitt.

Der Angeklagte ficht diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit b "bzw." 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Ablehnung des von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines "medizinischen Fachgutachtens" (S 111) zum Beweis dafür, daß er nach zwei durchzechten Nächten und dem Genuß von erheblichen Alkoholmengen nicht mehr zurechnungsfähig gewesen sei, fühlt sich der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt (Z 4). Das Erstgericht gründet das Zwischenerkenntnis auf die Erwägung, daß die mit den Angaben des Opfers übereinstimmende und in den verschiedenen Verfahrensstadien gleichgebliebene Verantwortung des Angeklagten über den Vorfall ins Detail gehe und der Angeklagte in der Hauptverhandlung auch Einzelheiten über Mengen sowie Zeitpunkte seines Alkoholkonsums angegeben und selbst gar nicht behauptet habe, volltrunken gewesen zu sein (S 111, 112).

Das Vorbringen, die vom Angeklagten am Tattag genossene Alkoholmenge sei absolut geeignet gewesen, "die Willensbildung entscheidend zu beeinflussen und die Enthemmung nachhaltig zu fördern", und die Eskalation seines Verhaltens von einer rüden Anpöbelung bis zum kriminellen Sittlichkeitsattentat sei eine "sogenannte Kurzschlußhandlung", enthält in Wahrheit nicht einmal die Behauptung, beim Beschwerdeführer sei im Tatzeitpunkt zufolge Alkoholisierung eine so hochgradige Bewußtseinsstörung vorgelegen, daß ihm die Diskretions- oder die Dispositionsfähigkeit gefehlt hätte. Die damit behauptete Trübung des Bewußtseins oder eine Enthemmung reicht für die Annahme der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) jedenfalls nicht aus (Leukauf-Steininger 2 , RN 8 zu § 287 StGB). Im übrigen ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß die Tatrichter bei der nur ihnen zustehenden Würdigung der vorliegenden Verhaltenskomponenten vor allem der lückenlosen und detaillierten Einlassungen des Angeklagten keine Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit aufkommen ließen (vgl. hiezu 13 Os 47/83, 11 Os 181/85), sodaß es an der gesetzlichen Voraussetzung für die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens mangelte (§ 134 Abs 1 StPO). Soweit aber durch dieses Gutachten der Milderungsumstand des § 34 Z 1 StGB unter Beweis gestellt werden sollte, kann die Ablehnung des Beweisantrages Nichtigkeit nie bewirken (Mayerhofer-Rieder 2 , E 20, 26 zu § 280 StPO). Somit versagt die Verfahrensrüge ebenso wie der - ausdrücklich gar nicht erhobene, durch Anführung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aber angedeutete - Einwand, es hätte näherer Feststellungen über die "Entstehung des Vorsatzes" und der Blutalkoholkonzentration bedurft.

Aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die strafsatzerhöhende Qualifikation des schweren Verletzungserfolges (§ 202 Abs 2, erster Fall, StGB) sei - wenn überhaupt schuldhaft - nur unbewußt fahrlässig herbeigeführt worden und es hätten Konstatierungen zum Fahrlässigkeitsgrad getroffen werden müssen, geht ins Leere. Wie auch die Beschwerde ausführt, ist für die Zurechnung des strafsatzerhöhenden Verletzungserfolges nach der Grundregel des § 7 Abs 2 StGB Fahrlässigkeit erforderlich. Hiebei ist auf die Regelung des § 6 StGB zurückzugreifen, nach der auch unbewußte Fahrlässigkeit genügt. Die subjektive Zurechnung der schwereren Tatfolge bestimmt sich nach der Vorhersehbarkeit im Rahmen der individuellen Verhältnisse des Angeklagten, wobei Mängel im emotionellen Bereich außer Betracht zu bleiben haben (RiZ 1983/48).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage erweisen sich alle Beschwerdeausführungen, die Feststellungen zum Grad der Fahrlässigkeit reklamieren, als ebenso irrelevant wie die Hinweise auf die alkoholisierungsbedingt herabgesetzte Einsichtsfähigkeit des Täters. Daß aber für jeden Menschen vorherzusehen ist, ein mit einem Messer angegriffenes Opfer werde versuchen, sich zu wehren und sei hiebei einer erhöhten Verletzungsgefahr ausgesetzt, bedarf keiner weiteren Begründung, zumal sich der Angeklagte selbst in diese Richtung verantwortete (S 110).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 202 Abs 2 StGB eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe und wertete die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend und das volle Geständnis, das Alter unter 21 Jahren und den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafmaßes an.

Der Berufungswerber wuchs - wenn auch als außereheliches Kind - im Haushalt seiner Mutter in geordneten Verhältnissen auf, wurde von der Mutter, zu der er eine enge Bindung entwickelte, erzieherisch positiv beeinflußt und glitt erst im Jahre 1984, als er sich hemmungslos dem Alkoholgenuß hinzugeben begann, in die Kriminalität ab (vgl. hiezu ON 10 im Strafakt 11 Vr 1.261/85 des Landesgerichtes Klagenfurt und ON 5 und 10 sowie das Gutachten ON 11 im Akt 29 Vr 2.389/84 desselben Gerichtshofes).

Es kann also den Berufungsausführungen zuwider weder von einer vernachlässigten Erziehung noch davon gesprochen werden, daß dem Angeklagten die Folgen des Alkoholmißbrauchs nicht bekannt waren. Vielmehr muß ihm sein mit unmäßigem Alkoholgenuß am Tattag verbundener Müßiggang vorgeworfen werden (§ 35 StGB), zumal er schon vom 11.September bis 6.November 1984 in der Heilpädagogischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt behandelt wurde und ihn weder diese Behandlung noch der folgende Strafvollzug nachhaltig zu beeinflussen vermochten. Da sich mit der gegenständlichen Tat eine eher aufsteigende Neigung zur Kriminalität ankündigte, bedarf es - wie das Schöffengericht richtig erkannte - einer entsprechend strengen Bestrafung, um den Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

Allerdings vermeinte der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren und die Tatsache, daß das Sittlichkeitsattentat beim Versuch blieb, trotz der eingetretenen schweren Verletzungsfolge beim Opfer auch durch eine Freiheitsstrafe von drei Jahren die aufgezeigten Strafzwecke erreichen zu können, weshalb in diesem eingeschränkten Umfang der Berufung Berechtigung zuerkannt wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte