OGH 1Ob615/86

OGH1Ob615/863.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schubert, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Dkfm. Ernst T***, 2. Peter T***, 3. Paul T***, sämtliche Hauseigentümer, Wien 5., Laurenzergasse 11, vertreten durch Dr. Ekardt Blahut, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Adolf T*** jun., Arbeiter, Wien 9., Dietrichsteingasse 3/18, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5.523,41 samt Anhang und Räumung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 13. Februar 1986, GZ. 41 R 45/86-22, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. April 1985, GZ. 46 C 98/84-11, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte Libussa T*** und den Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern den Betrag von S 5.523,41 samt Anhang zu bezahlen und die Wohnung Nr. 18 im Hause Wien 9., Dietrichsteingasse 3, von nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen geräumt zu übergeben. Das Urteil wurde Libussa T*** und dem Beklagten am 29. April 1985 an der Adresse Wien 9., Dietrichsteingasse 3/18, durch Hinterlegung zugestellt. Am 13. Juni 1985 beantragten die Kläger die Exekution durch zwangsweise Räumung, die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17. Juni 1985 bewilligt wurde. Dieser Beschluß wurde den Verpflichteten am 24. Juli 1985 zugestellt. Mit dem am 5. August 1986 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung "der in diesem Verfahren stattgefundenen Tagsatzungen" sowie gegen die Versäumung der Berufungsfrist; zugleich erhob er Berufung gegen die Entscheidung des Erstgerichtes. Der Beklagte führte aus, die Zustellung des Urteils an ihn sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als er nicht an der Abgabestelle wohnhaft gewesen sei. Libussa T*** haben ihm das Urteil erst am 29. Juli 1985 übergeben, so daß er nicht rechtzeitig habe Berufung erheben können. Das Erstgericht wies die Anträge des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab; diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt. Auf Grund der Aussage des vom Erstgericht vernommenen Beklagten stehe fest, daß er im Zeitpunkt der Hinterlegung des Urteils nicht, wie im Schriftsatz behauptet, ortsabwesend, sondern an der Adresse Wien 9., Dietrichsteingasse 3/18, wohnhaft gewesen sei. Die Zustellung des Urteils durch Hinterlegung sei demgemäß gesetzmäßig erfolgt, so daß die Berufung verspätet sei. Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs des Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber führt aus, seine Aussage sei im Protokoll des Erstgerichtes vom 8. Oktober 1985, gegen das er zugleich Widerspruch erhebe, nicht richtig wiedergegeben worden. Er habe nicht ausgesagt, daß er Ende März, Anfang April 1985 zu seiner Mutter in die Dietrichsteingasse gezogen sei, sondern daß er bei seiner Mutter vorgesprochen habe. Die Unrichtigkeit der Protokollierung ergebe sich aus ihrer Widersprüchlichkeit. Im Protokoll finde sich der Satz "Ende März, Anfang April 85 bin ich wieder zu meiner Mutter in die Dietrichsteingasse gezogen und erst bei dieser Gelegenheit hat mir meine Mutter mitgeteilt, daß das Verfahren nicht zu meinen Gunsten ausgegangen sei". Da das Urteil des Erstgerichtes erst am 29. April 1985 durch Hinterlegung zugestellt wurde, habe ihm seine Mutter nicht schon Ende März, bzw. Anfang April 1985 zur Kenntnis bringen können, daß das Verfahren nicht zu seinen Gunsten ausgegangen sei. Die Protokollierung sei offensichtlich denkgesetzwidrig.

Der im Rekurs erhobene, offenbar an das Erstgericht gerichtete Widerspruch gegen die Protokollierung ist gemäß den §§ 212 Abs. 5 und 212a Abs. 2 ZPO verspätet, da er binnen drei Tagen nach Übertragung des Protokolls zu erheben gewesen wäre. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist wurde vom Beklagten nicht beantragt. Es ist daher von der Richtigkeit des Protokolls auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung schließt zwar auch die Unterlassung des Widerspruchs gegen das Protokoll den Gegenbeweis seiner Unrichtigkeit nicht aus (1 Ob 523,524/86; SZ 53/94; Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 633); dieser kann jedoch nicht über eine unzulässige Neuerung in der Berufung geführt werden (vgl. SZ 51/8). Der Beklagte konnte sich daher in der Berufung zum Nachweis der Unrichtigkeit der Protokollierung nur auf deren Denkgesetzwidrigkeit berufen. Nun kann aber aus der im Protokoll festgehaltenen Aussage des Beklagten nicht zwingend auf die Unrichtigkeit der Protokollierung geschlossen werden, weil es auch zutreffen kann, daß die Protokollierung richtig erfolgte und der Mangel der Aussage selbst anhaftete. Der Beklagte hat aber ohnehin seine Aussage dahin berichtigt, daß er erklärte, er sei Ende März, Anfang April zu seiner Mutter gezogen, die ihm mitgeteilt habe, daß das Verfahren noch anhängig sei. Er habe dann privat mit seinem Rechtsanwalt Dr. Helmut G*** gesprochen, der ihm migeteilt habe, daß er zunächst nichts unternehmen könne, sondern erst einen Beschluß oder ein Urteil abwarten müsse. Da dem Beklagten sohin der Beweis der Unrichtigkeit der Protokollierung nicht gelungen ist, ist davon auszugehen, daß er seit Ende März, Anfang April 1985 an der Abgabestelle wohnhaft war, so daß die Zustellung des Urteils des Erstgerichtes durch Hinterlegung dem Gesetz entsprach. Demzufolge wurde die Berufung vom Berufungsgericht zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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