Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und der im angefochtenen Urteil enthaltene Ausspruch über die Vorhaftanrechnung dahin ergänzt, daß dem Angeklagten gemäß dem § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auch die Zeit der polizeilichen Verwahrungshaft am 31. März 1984 von 19.35 Uhr bis 21.07 Uhr auf die verhängte Strafe angerechnet wird.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.März 1969 geborene Maurerlehrling Joachim Hermann KIS des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs. 1, 86 StGB (A des Urteilsspruches) und des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (B) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 13. September 1985 in Salzburg (A) Alois T*** (jun.) durch Versetzen eines heftigen Faustschlages gegen den Kopf, wodurch T*** sogleich das Bewußtsein verlor und stürzte, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat den Tod des Alois T*** an einer Hirnlähmung zur Folge hatte, und (B) Mag. Franz L***, Helmut S*** und Walter U*** mit Gewalt
und durch gefährliche Drohung zum Verlassen des Tatortes (des unter Punkt A angeführten Verbrechens) genötigt zu haben, indem er sich zu ihnen äußerte, sie sollten verschwinden, sonst würde es ihnen genauso ergehen wie dem (schwer verletzt auf dem Boden liegenden) Alois T***, wobei er Mag. Franz L*** einen Fußtritt zu versetzen suchte.
Nur gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung (B) und gegen die Nichtanrechnung einer (weiteren) Vorhaft auf die Strafe richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. b, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Weder der ersterwähnte Nichtigkeitsgrund, den der Angeklagte in zweifacher Hinsicht, nämlich zufolge Rechtfertigung durch Notwehr (§ 3 StGB) und Strafaufhebung wegen Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB), verwirklicht sieht, noch jener nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, der in der vermeintlich rechtsirrigen Beurteilung des zu Punkt B des Urteilsspruches festgestellten Tatverhaltens als vollendete (statt als bloß versuchte) Nötigung erblickt wird, sind zur prozeßordnungsgemäßen - dh von der Sachverhaltsgrundlage des angefochtenen Urteils ausgehenden - Darstellung gebracht:
Der Beschwerdeführer gründet die betreffenden Ausführungen nämlich ausschließlich auf den aus dem Zusammenhang gelösten Wortlaut jenes Teiles der Urteilsbegründung (US 7 oben), demzufolge er durch sein der Begehung der Urteilstat A unmittelbar nachfolgendes Verhalten die "Salzburger" (gemeint die Zeugen L***, S*** und U***) vertreiben und auch
verhindern wollte, daß diese Leute auf ihn losgingen. Nur auf Grund isolierter Bewertung solcher Sachverhaltsfragmente gelangt er zur rechtlichen Folgerung, die Tat habe der nötigen Verteidigung gegen einen unmittelbar bevorstehenden (rechtswidrigen) tätlichen Angriff der "Salzburger" gedient oder sie sei, weil sich die Angreifer nicht vertreiben ließen, nicht über das Stadium des Versuches hinaus gediehen; er wäre zudem durch Flucht vom Tatort vom Versuch freiwillig zurückgetreten.
Die gebotene Berücksichtigung des Urteilsinhaltes in seinem Gesamtzusammenhang ergibt jedoch, daß das Erstgericht von einer wesentlich anders gelagerten Tatsachengrundlage ausging: Der bereits erwähnte Teil der Urteilsbegründung und der Wortlaut des Urteilstenors, der Angeklagte habe die Zeugen Mag. L***, S*** und U*** zum Verlassen des Tatortes genötigt,
finden ihre Ergänzung und Sinnverdeutlichung in jenen Ausführungen des Erstgerichtes, aus denen hervorgeht, daß der Angeklagte den Umständen nach eine Anhaltung durch die Begleiter des von ihm schwer Verletzten (§ 86 Abs. 3 StPO) befürchtete und diese Rechtsausübung (nebst der Hilfeleistung für den Schwerverletzten) zu verhindern suchte (US 7, vorletzter Absatz), welches Vorhaben ihm vorerst auch gelang (vgl US 7 Mitte zur erst etwa 1 1/2 Stunden später verfügten Festnahme des Angeklagten). Der Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit läßt aber weder eine Tatbeurteilung (nur) als Versuch der Nötigung (also auch nicht die eine solche rechtliche Wertung voraussetzende Annahme eines strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch) noch eine Rechtfertigung des Tatverhaltens nach dem § 3 StGB zu.
Als gesetzmäßig ausgeführt erweist sich sohin nur die auf den § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützte Rechtsrüge, in welcher geltend gemacht wird, daß auch eine im Verfahren AZ 18 U 321/84 des Jugendgerichtshofes Wien erlittene Vorhaft auf die Strafe anzurechnen gewesen wäre; insofern ist die Beschwerde auch sachlich begründet:
Das letzterwähnte Verfahren gegen den Beschwerdeführer, das am 22. Juni 1984 mit einem rechtskräftigen Schuldspruch ohne Strafausspruch (§ 13 JGG; Probezeit 3 Jahre) wegen des am 31. März 1984 in Innsbruck begangenen Vergehens nach dem § 83 Abs. 1 StGB beendet worden war (ON 54), wurde zur Straffestsetzung im Sinn des § 46 Abs. 4 JGG in das gegenständliche (neue) Strafverfahren gemäß dem § 56 StPO einbezogen. Die Beschlußfassung über den mit dem Antrag auf Straffestsetzung verbundenen Einbeziehungsantrag des öffentlichen Anklägers (AS 309 unten) ist zwar im Akt nicht förmlich beurkundet, kommt aber im Spruch des Urteils und in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck (US 3 und 14 = S 315 und 326 dA). Der Strafausspruch des Schöffengerichtes bezieht sich demnach auch auf diese frühere Tat. Wie aus AS 17, 21, 25, 27, 31 und 37 des einbezogenen Aktes hervorgeht, wurde der Angeklagte (ua) wegen der vorerwähnten Körperverletzung am 31.März 1984 um
19.35 Uhr von der Polizei in Innsbruck festgenommen, allerdings noch am selben Tage zeitgerecht für den Antritt der Heimfahrt von Innsbruck nach Wien um 21.07 Uhr enthaftet. Eine Anrechnung der polizeilichen Verwahrungshaft auf die über Joachim Hermann KIS im Verwaltungsstrafverfahren wegen Art. IX EGVG aus Anlaß des Vorfalls vom 31.März 1984 mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Döbling) vom 4. Mai 1984 verhängte Geldstrafe von 300 S (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Stunden) fand nicht statt (siehe den beigeschafften Akt Pst 4036-D/84 der genannten Polizeibehörde). Auch diese Haftzeit wäre ungeachtet ihrer Kürze (ÖJZ-LSK 1982/37 uva) gemäß dem § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die vom Erstgericht verhängte Strafe anzurechnen gewesen.
Insoweit war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 86 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter gleichzeitiger Festsetzung der Strafe zum Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 22.Juni 1984, GZ 18 U 321/84-5, sowie unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 1/2 Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend eine einschlägige Vorverurteilung, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die besondere Brutalität der Tathandlung, als mildernd das Teilgeständnis des Angeklagten. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Zwar ist der Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB vom 22.Juni 1984 im Hinblick auf das gleichzeitige Vorgehen nach dem § 46 Abs. 4 JGG nicht als einschlägige Vorverurteilung im Sinn des § 33 Z 2 StGB zu berücksichtigen. Allein, dadurch ist für den Berufungswerber nichts zu gewinnen, weil ihm an Stelle dessen der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens eines Verbrechens mit zwei (statt einem) Vergehen zur Last zu legen ist.
Auch warf das Erstgericht dem Angeklagten zu Recht besondere Brutalität vor: Die völlig unprovozierte Aggressionshandlung wurde gegen einen sich als wehrlos Demonstrierenden und vor dem Angeklagten Zurückweichenden gesetzt, der überdies seinen Angreifer verbal zu beschwichtigen und von Tätlichkeiten abzuhalten versuchte. Damit nicht genug, versetzte der Angeklagte nach dem den tödlichen Sturz auslösenden Faustschlag seinem nunmehr regungslos auf dem Boden liegenden Opfer noch einen (weiteren) Fußtritt. Selbst wenn man diesen erschwerenden Umständen die weitgehend geständige Verantwortung des Angeklagten als mildernd gegenüberstellt, erscheint das verhängte Strafmaß nicht überhöht. Mit Rücksicht auf die auffallende Ähnlichkeit der Umstände, unter denen die dieser Strafbemessung zugrundeliegenden Körperverletzungsdelikte verübt wurden, war es auch gerechtfertigt, dem Straffestsetzungsbegehren des öffentlichen Anklägers stattzugeben. Unabhängig davon, daß eine auch als Sanktion zu einem Schuldspruch nach dem § 13 JGG ausgesprochene Strafe nicht bedingt nachgesehen werden darf (s. die bei Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 unter II Z 15 zu § 13 JGG angeführten Entscheidungen), wäre nach den besonderen Umständen dieses Falles auch ein Vorgehen nach dem § 11 Z 3 JGG (§ 43 StGB) im Hinblick auf die Täterpersönlichkeit schon aus spezialpräventiven Gründen ausgeschlossen.
Demnach konnte der Berufung in keinem Punkt Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
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