OGH 11Os107/86

OGH11Os107/862.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Riedel als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert W*** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 22. Oktober 1984, GZ 16 Vr 1103/81-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, und des Angeklagten Herbert W*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 22.Oktober 1984, GZ 16 Vr 1103/81-46, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 223 Abs. 1 und 108 Abs. 1 StGB.

Dieses Urteil wird zur Gänze aufgehoben und gemäß den §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Herbert W*** ist schuldig, er hat in der Zeit von

August 1977 bis 6.Mai 1981 in Thalheim und anderen Orten wiederholt echte Beweismittel, nämlich die in den von ihm gelenkten Lastkraftwagen eingelegten Tachografenscheiben dadurch verfälscht, daß er die im Fahrtschreiber eingebaute Uhr vor- und rückstellte und die aufgezeichneten Diagramme händisch so ergänzte, daß tatsächlich nicht eingelegte Ruhepausen aufschienen; dies mit dem Vorsatz, die so verfälschten Fahrtschreiberdiagramme in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren zu gebrauchen.

Er hat hiedurch das Vergehen der Verfälschung eines Beweismittels nach dem § 293 Abs. 1 StGB begangen und wird nach dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.Oktober 1984, AZ 29 E Vr 543/84, zu einer Zusatzstrafe von 2 (zwei) Monaten und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wird der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg wird aus dem Ersturteil übernommen.

Text

Gründe:

Mit dem rechtskräftigen Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 22.Oktober 1984, GZ 16 Vr 1103/81-46, wurde der am 1.Jänner 1937 geborene Kraftfahrer Herbert W*** des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB (1) und des (versuchten) Vergehens der Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (2) schuldig erkannt und zu einer - gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Ihm wurde angelastet, in der Zeit von August 1977 bis zum 6.Mai 1981 Tachografenscheiben von ihm gelenkter Lastkraftwagen (mit einem Eigengewicht von offenbar mehr als 3500 kg), in welchen er durch falsche händische Eintragungen (längere) Ruhezeiten vortäuschte, mit dem Vorsatz verfälscht zu haben, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes, "nämlich der Teilnahme am Straßenverkehr", gebraucht werden (1) und hiedurch dem österreichischen Staat in seinem Recht auf "Überwachung des Straßenverkehrs" (gemeint: auf Ausschluß der Lenker von Lastkraftwagen vom Straßenverkehr bei Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit) absichtlich Schaden zugefügt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil steht in zweifacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1. Bei Fahrtenschreiberdiagrammen handelt es sich nicht um Urkunden im Sinn des Strafrechtes (§ 74 Z 7 StGB), sondern um technische Aufzeichnungen, die zwar durch menschliche Gedankentätigkeit gewissermaßen "vorprogrammiert" sind, aber keine menschliche Erklärung enthalten. Eine solche selbsttätige Darstellung von Mess-(allenfalls auch Rechen-)vorgängen hat zwar Gewährschaftsträgerfunktion, ihre Aufgabe erschöpft sich jedoch darin, diese Vorgänge sichtbar (lesbar) zu machen. Derartige technische Aufzeichnungen stellen daher keine Urkunden, sondern qualifizierte Augenscheinsobjekte mit spezifischer gewährschaftlicher Funktion dar, die unter den Beweismittelbegriff des § 293 StGB fallen (Kienapfel im WK RZ 117, 122 Leukauf-Steininger2, RN 3, jeweils zu § 223 StGB).

Den Urteilfeststellungen zufolge verfälschte Herbert W*** die Aufzeichnungen der Tachografenscheiben der von ihm gelenkten Lastkraftwagen, um dadurch kürzere Fahr-(Lenk-)zeiten als die wirklichen vorzutäuschen und solcherart von der Behörde zu überwachende und erforderlichenfalls auch erzwingbare Ruhepausen hintanzuhalten (vgl hiezu §§ 24 Abs. 2, 102, Abs. 1, 103 Abs. 3, Abs. 4 KFG und §§ 13-17, 28 ArbeitszeitG, jeweils in der im Deliktszeitraum geltenden Fassung). Er handelte dabei mit dem Vorsatz, daß das verfälschte Beweismittel (bei Kontrollen) in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werden sollte, weshalb dieses Verhalten rechtsrichtig dem Tatbestand der Fälschung eines Beweismittels nach dem § 293 Abs. 1 StGB zu unterstellen ist (siehe auch Anklageausdehnung, S 139).

2. Eintätiges Zusammentreffen dieses Deliktes - wie auch des Vergehens nach dem § 223 StGB - mit jenem der (im vorliegenden Fall ersichtlich bloß versuchten) Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB scheidet aus. Impliziert doch - von seltenen, hier nicht zu erörternden Ausnahmefällen abgesehen - der Mißbrauch eines Falsifikates regelmäßig die Täuschung über Tatsachen mit einem daraus resultierenden Schaden an irgendwelchen Rechten. So gesehen ist das Vergehen der Täuschung nach dem § 108 StGB lediglich ein subsidiärer Auffangtatbestand und - nach der gefestigten Rechtsprechung - als solcher gegenüber der Beweismittelfälschung ebenso wie gegenüber den Urkundendelikten materiell subsidiär (SSt 51/33; ZVR 1982/124; SSt 53/36; ZVR 1985/37; sowie die nvE 9 Os 53/84, 13 Os 93/84, 11 Os 184/85 ua; ebenso Pallin im WK RZ 16 zu § 293 StGB).

Es war daher der von der Generalprokuratur nach dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stattzugeben, das den Angeklagten im Ergebnis benachteiligende - er wurde wegen zweier, wenn auch nur idealkonkurrierender Vergehen verurteilt - Urteil aufzuheben und Herbert W*** (nur) wegen des Vergehens nach dem § 293 Abs. 1 StGB schuldig zu erkennen. Bei der nunmehr nach dieser Gesetzesstelle vorzunehmenden Strafneubemessung waren der sich über fast vier Jahre erstreckende Deliktszeitraum und das Zusammentreffen mit dem Vergehen nach dem § 80 StGB (§ 40 StGB) als erschwerend zu werten, wogegen als Milderungsumstände das Geständnis im Zuge der Hauptverhandlung und die Unbescholtenheit zu berücksichtigen waren.

Ebenso wie das Kreisgericht Wels (ohne ausdrückliche Begründung) sieht sich der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Spezial- und Generalprävention bei diesen jahrelang geradezu professionell durchgeführten Manipulationen nicht in der Lage, die Bestimmung des § 37 Abs. 1 StGB anzuwenden. Allerdings reicht im Hinblick auf das bis zum Zeitpunkt des Urteiles erster Instanz noch ungetrübte Vorleben des Angeklagten die Androhung einer (in das persönliche Leben schwerer als eine Geldstrafe eingreifenden) Freiheitsstrafe zur Erreichung des Strafzweckes aus, sodaß die aus dem Spruch ersichtliche, unter Bedachtnahme auf das ebenfalls zitierte zwischenzeitig erflossene Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt gemäß den §§ 31, 40 StGB (LSK 1978/198) tat- und tätergerecht ausgemessene Freiheitsstrafe - auch dem Verschlimmerungsverbot Rechnung tragend - unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen war. Diesem Grundsatz entsprechend wird bei Berechnung der Probezeit der Fristbeginn mit der Rechtskraft des nunmehr aufgehobenen Urteiles (25.Oktober 1984) anzusetzen sein (Mayerhofer-Rieder 2 , E 70 zu § 292 StPO, E 50, 51 zu § 293 StPO). Die Verweisung des Privatbeteiligten, nämlich der ehemaligen Dienstgeberfirma Günter R***, Nutzfahrzeug-Vertriebs-Ges.m.b.H., auf den Zivilrechtsweg war aus dem Ersturteil zu übernehmen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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