OGH 12Os83/86

OGH12Os83/8621.8.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.August 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef B*** und Josef P*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Deliktsfall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Josef B*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St. Pölten vom 11.März 1986, GZ 24 Vr 1084/85-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef B*** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - in Ansehung des Angeklagten Josef P*** gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO - aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Josef B*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Josef B*** (ebenso wie der Mitangeklagte Josef P***) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 31.August 1985 in St. Pölten in Gesellschaft des Josef P*** als Beteiligter (§ 12 StGB) dem Thomas B*** mit Gewalt gegen dessen Person, indem er ihn mit der Aufforderung zur Herausgabe von Bargeld erfaßte, gegen eine Mauer drückte, ihm einen Fußtritt versetzte und der von ihm mitgeführten Brieftasche gemeinsam mit Josef P*** ingesamt 173,50 S Bargeld entnahm, eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschwornen hatten in Ansehung des Angeklagten B*** jeweils stimmeneinhellig die auf schweren Raub lautende Hauptfrage (Nr. I des Fragenschemas) bejaht, die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (Frage Nr. III) hingegen einstimmig verneint und die Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (nämlich des erwähnten Raubes) im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB (Frage Nr. IV) dementsprechend unbeantwortet gelassen. Die den Angeklagten P*** betreffende Hauptfrage nach schwerem Raub (Frage Nr. II) hatten die Geschwornen mehrheitlich bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Nur der Angeklagte B*** bekämpft den ihn betreffenden Schuldspruch mit einer auf Z 5 und 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der aus dem letztgenannten Grunde Berechtigung zukommt.

Zur Verfahrensrüge (Z 5):

In der Hauptverhandlung beantragte der Beschwerdeführer "die gerichtsärztliche Untersuchung des Angeklagten B*** unter Durchführung einer Leberprobe bzw. Lebertestes zur Feststellung der tatsächlichen Alkoholverträglichkeit des Angeklagten, da der Sachverständige ausgeführt hat, daß er tatsächlich keine Untersuchung vorgenommen hat, wie der Zustand der Leber des Angeklagten ist, der einerseits sich in einem Stadium größerer Alkoholtoleranz bzw. in einem Stadium von Alkoholintoleranz sich befunden haben kann und nachzuprüfen wäre, wie diese Tabletten im Zusammenhang mit dem Zustand der Leber des Angeklagten sich auswirken, auch zur genaueren Überprüfung der Alkoholverträglichkeit des Angeklagten, weil hier die Aussagen des Sachverständigen offenbar zu einer erschöpfenden und gründlichen Abklärung nicht ausreichen" (S 168). Dieser Beweisantrag, der ersichtlich darauf abzielt, daß der Angeklagte die von ihm vor der Tat genossene Alkoholmenge "nicht vertragen" habe und er im Verein mit den eingenommenen Medikamenten entweder zurechnungsunfähig oder zumindest voll berauscht gewesen sei, wurde vom Schwurgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, daß die aufgeworfenen Fragen vom Sachverständigen Prim. Dr. H*** - nach eingehender Untersuchung des Angeklagten - ausreichend erklärt und begutachtet worden sind; die Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht allein auf seine Alkoholverträglichkeit, sondern auf sein allgemeines Verhalten bei und nach der Tat gestützt worden. Durch die Abweisung dieses Beweisantrages sind Verteidigungsrechte nicht verkürzt worden, denn der Angeklagte, der seit seinem 15.Lebensjahr Alkoholmißbrauch betreibt (S 150), verübte die gegenständliche Straftat im Alter von 21 Jahren. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H*** (S 154) tritt die Abnahme von Alkoholverträglichkeit erst nach "meistens Jahrzehnten", sohin keinesfalls schon nach sechs Jahren des Alkoholabusus ein. Somit war schon deshalb die Durchführung von Leberuntersuchungen beim Angeklagten entbehrlich.

Darüber hinaus war für ihn aus dem abgewiesenen Beweisantrag aber auch deswegen nichts zu gewinnen, da im vorliegenden Falle die Situationsbezogenheit des Tatverhaltens nach dem gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachten keinen Raum für die Annahme einer rauschbedingten Zurechnungsfähigkeit offen läßt (S 153 f); die vom Beschwerdeführer beantragte gerichtsärztliche Ermittlung seiner Leberfunktionswerte war daher vorweg nicht geeignet, die dem Gericht durch die Gesamtheit der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu seinen Gunsten zu verändern.

Der Beweisantrag wurde daher zu Recht der abgelehnt.

Zur behaupteten Verletzung der Vorschriften über

die Fragestellung (Z 6):

Insofern der Beschwerdeführer, gestützt auf § 345 Abs. 1 Z 6 StPO, die Unterlassung von Eventualfragen in Richtung des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB als Verletzung der Vorschrift des § 314 Abs. 1 StPO geltend macht, erweist sich sein Vorbringen als berechtigt. Der Erstangeklagte hat sich nämlich im Sinne der bezüglichen Beschwerdeargumentation (im Gegensatz zu seinem anläßlich der letzten sicherheitsbehördlichen Vernehmung abgelegten Geständnis - AS 55) in der Hauptverhandlung dahingehend verantwortet, Thomas B*** den tatgegenständlichen Bargeldbetrag, soweit er diesen in der Hand gehalten habe, ohne gegen dessen Person gerichtete Gewaltanwendung entrissen, teils aber (soweit das Geld B*** angeblich entfallen war) vom Boden aufgehoben und an sich genommen zu haben (vgl. AS 138, 139). Zu dem tätlichen Angriff auf den Zeugen B*** und dem damit verbundenen leichten Verletzungserfolg sei es erst nach der Wegnahme des Bargeldes als Reaktion auf Beschimpfungen durch das Tatopfer gekommen (vgl. AS 138, 140). Mit dieser Verantwortung hat der Beschwerdeführer aber in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht, nach denen im Fall ihrer Erwiesenheit die ihm zur Last gelegten Tathandlungen (im Vergleich zum Anklagevorwurf milder) als Diebstahl bzw. Körperverletzung zu beurteilen wären. Die Unterlassung entsprechender Schuldfragen hatte zur Folge, daß den Geschwornen die Einbeziehung der relevierten Beweisergebnisse in die dem Wahrspruch zugrundegelegten Erwägungen verwehrt war. Da das angefochtene Urteil solcherart mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund behaftet ist, erweist sich seine Aufhebung und die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz als unumgänglich, wobei die zugunsten des Beschwerdeführers angeführten Erwägungen auch dem Angeklagten Josef P*** zustatten kommen, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben hat (§ 290 Abs. 1 StPO).

Soweit sich der Angeklagte B*** gegen die Ablehnung seiner die Fragestellung an die Geschwornen betreffenden Anträge durch das Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes bzw. gegen eine (vermeintliche) teilweise Negierung seiner bezüglichen Antragstellung wendet, macht er ausschließlich den Nichtigkeitsgrund der Z 6 (nicht auch den der Z 5) des § 345 Abs. 1 StPO geltend (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , Nr. 5 zu § 345 Z 5), ist damit aber nicht im Recht. Der vom Erstgericht abgelehnten Eventualfrage nach dem Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB ermangelte es an entsprechender Tatsachengrundlage, weil der Angeklagte seinen Bereicherungsvorsatz auch in der Hauptverhandlung einbekannt und darüber hinaus jedwede gemäß § 105 Abs. 1 StGB tatbildmäßige Drohung bzw. Gewaltanwendung in Abrede gestellt hat. Die vom Beschwerdeführer des weiteren vermißte Eventualfrage in Richtung § 287 Abs. 1 StGB aber hat im Frageschema ohnedies die angestrebte Berücksichtigung gefunden (Frage Nr. IV).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte B*** auf diese (kassatorische) Entscheidung zu verweisen.

Auf die ergänzenden Bemerkungen des Angeklagten zur vom Verteidiger ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde war nicht Bedacht zu nehmen, da nur eine einzige Ausführung dieses Rechtsmittels zulässig ist.

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