Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Günter F*** und Erwin S*** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruchsfaktum (Punkt 3 d des Anklagetenors) unberührt bleibt, im übrigen - hinsichtlich des am Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden nicht beteiligten Angeklagten Wolfgang M*** gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO - aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Wolfgang M***, Günter F*** und Erwin S*** auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurden Günter F*** und Erwin S*** zu 1.) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Deliktsfall StGB, 2.) Wolfgang M***, Günter F*** und Erwin S*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Deliktsfall StGB, 3.) Günter F*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 zweiter Strafsatz StGB, sowie 4.) Wolfgang M***, Günter F*** und Erwin S*** des Vergehens nach § 36 Abs. 1
lit a WaffenG schuldig erkannt.
Darnach haben
1.) Günter F*** und Erwin S*** am 18.Februar 1985 in Kemeten in Gesellschaft als Beteiligte dadurch, daß Günter F*** mit einer Faustfeuerwaffe Kaliber 9 mm und mit einer schwarzen Mütze mit Sehschlitzen vermummt, den Kassenraum der R*** K*** betrat, die Pistole auf die Angestellten Anneliese G***, Hildegard R*** und Josef H*** richtete, erklärte, daß es sich um einen Überfall handelt und alles Geld herauszugeben sei, wobei er im Verlaufe des Raubes drei Warnschüsse mit der Pistole abgab und Erwin S*** dadurch, daß er Günter F*** die beim Raub verwendete Waffe zu diesem Zweck zur Verfügung stellte, ihn mit seinem PKW an den Tatort brachte und sich mit einem Anteil an er zu erwartenden Beute vor dem Raubüberfall einverstanden erklärt hat, den Angestellten der R*** K*** unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 153.529,89 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
2.) Wolfgang M***, Günter F*** und Erwin S*** am 7. Mai 1985 in St.Magdalena in Gesellschaft als Beteiligte dadurch, daß Günter F*** Wolfgang M*** zur Begehung eines Raubes überredete, ihm zu diesem Zwecke eine Faustfeuerwaffe ausfolgte, ihm erklärte, wo und wie er den Raub zu begehen habe und sich mit einem Anteil an der zu erwartenden Beute einverstanden erklärte, Erwin S*** dadurch, daß er Wolfgang M*** und Günter F*** mit seinem PKW in die Nähe des Tatortes brachte und Wolfgang M*** durch die Äußerung, der Bankangestellte in der R*** St.M*** sei sehr ängstlich, sodaß ihm ein Banküberfall leicht gelingen werde, wobei er sich mit einem Anteil an der zu erwartenden Beute einverstanden erklärte, ferner Wolfgang M*** dadurch, daß er mit einer Pistole
P 38, Kaliber 9 mm die R*** St.M*** betrat, nachdem er sich maskiert hatte, die Waffe auf den dort anwesenden Bankbeamten Gerhard G*** richtete und diesen unter Vorlage einer Plastiktasche aufforderte: "Voll füllen und nur die Scheine und schnell" dem Angestellten der R*** St.M*** unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 97.010 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
3.) Günter F*** in der Zeit vom 14.Dezember 1984 bis 17. Juni 1985 in Graz und Hartberg in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrenden Begehungen von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Personen durch die Vorgabe eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Ratenkäufers, bzw zahlungsfähigen und zahlungswilligen Gastes, somit durch Täuschung über Tatsachen zur Ausfolgung nachgenannter Geräte gegen Ratenzahlung bzw Gewährung von Quartier, Speisen und Getränken gegen nachträgliche Bezahlung, mithin zu Handlungen verleitet, die die Genannten an ihrem Vermögen schädigten, wobei der Gesamtschade 100.000 S übersteigt, und zwar
a) am 17.Dezember 1984 und 12.Jänner 1985 Angestellte der Fa. G***, Graz, zur Ausfolgung eines Videosets im Wert von 19.900 S und einer Moviekamera im Wert von 30.480 S gegen spätere Bezahlung,
b) am 14.Dezember 1984 Angestellte der Fa. K*** in Hartberg zur Ausfolgung eines Videorecorders im Werte von 15.500 S gegen spätere Bezahlung,
c) am 3.Jänner 1985 Angestellte der Fa. B*** in Hartberg zur Ausfolgung eines Fernsehgerätes im Wert von 16.900 S gegen spätere Bezahlung,
d) in der Zeit vom 17.Juni bis 24.Juni 1985 in Hartberg Irene G*** zur Vermietung eines Zimmers gegen Bezahlung zu Ende des Aufenthaltes, wobei er jedoch ohne zu bezahlen das Lokal verließ, im Werte von 1.510 S,
4.) Wolfgang M***, Günter F*** und Erwin S*** im Jahre 1985 unbefugt mehrere Faustfeuerwaffen besessen und geführt. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Günter F*** und Erwin S*** mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, alle Angeklagten fechten die sie betreffenden Strafaussprüche mit Berufung an.
Der Angeklagte F*** stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO, der Angeklagte S*** macht die Gründe der Z 5, 6, 8 und 12 der genannten Gesetzesstelle geltend. Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu, da das angefochtene Urteil mit dem Nichtigkeitsgrund der unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8) behaftet ist.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 321 Abs. 2 StPO muß die den Geschwornen erteilte schriftliche Rechtsbelehrung eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander, sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Gegenstand der Rechtsbelehrung können daher nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände sein, die nur für die Beweiswürdigung in Frage kommen. Keinesfalls darf die Rechtsbelehrung eine Beweisführung oder Feststellung enthalten. Der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO ist daher gegeben, wenn die Rechtsbelehrung durch gegebene Beispiele oder durch ein Vorgreifen auf die Lösung der Tatfrage die Eignung erlangt, die Geschwornen durch eine richtungweisend fixierte Darstellung rechtlich bedeutsamer Tatsachen zu einer bestimmten - dieser Schilderung
entsprechenden - rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes zu beeinflussen (SSt 45/9).
Unter diesen Gesichtspunkten stellt die vorliegend den Geschwornen erstellte schriftliche Rechtsbelehrung einen krassen Verstoß gegen das Gesetz dar, denn die Rechtsbelehrung nimmt unzulässigerweise Tatsachenfeststellungen vor wie folgt:
"Im gegenwärtigen Fall hat bei dem Raub in Kemeten am 18.2.1985 Günter F*** vermummt mit einer schwarzen Mütze mit Sehschlitzen, bewaffnet mit einer Faustfeuerwaffe Kaliber 9 mm den Kassenraum der R*** K*** betreten, die Pistole auf die Angestellten Anneliese G***, Hildegard R*** und Josef H*** gerichtet und erklärt, daß es hier sich um einen Überfall handelt und alles Geld herauszugeben sei, wobei er im Verlaufe des Raubes drei Warnschüsse mit der Pistole abgab. Im zweiten Fall, Raub in St.Magdalena am 7.5.1985 hat Wolfgang M*** mit einer Pistole P 38 Kaliber 9 mm die R*** St.M*** betreten, nachdem er sich zuvor ebenfalls maskiert hatte, die Waffe auf den dort anwesenden Bankbeamten Gerhard G*** gerichtet und diesen unter Vorlage einer Plastiktasche aufgefordert "Vollfüllen und nur die Scheine und schnell" (S 1 verso unten, S 2 oben)."
"Die bei den bewaffneten Raubüberfällen in Kemeten und St.Magdalena verwendeten Waffen sind Waffen im Sinne des Waffengesetzes, nämlich eine Faustfeuerwaffe Kaliber 9 mm und eine Pistole P 38, ebenfalls Kaliber 9 mm" (S 3 verso).
"Beim ersten Raubfaktum hat Günter F*** den Raub tatsächlich ausgeführt, als Mittäter fungierte Erwin S***, der F*** die zum Raub benötigte Faustfeuerwaffe zur Ausführung des Raubes gab und ihn mit seinem PKW zum Tatort brachte, wobei er sich auch noch mit ihm zur Hilfeleistung nach begangenem Raub verabredete und einen Teil der Beute auch tatsächlich erhalten hat. Beim zweiten Raubfaktum haben alle drei Angeklagten als Beteiligte gehandelt. Wolfgang M*** war der tatsächlich Tatausführende, Günter F*** hat Wolfgang M*** zur Ausführung dieser Tat bestimmt und durch Übergabe der Waffen und einer Gesichtsmaske und Gummihandschuhe zur Ausführung beigetragen. Erwin S*** hat dadurch, daß er M*** und F*** zur Besichtigung an den Tatort einen Tag vor dem tatsächlichen Überfall brachte und von Wolfgang M*** geäußerte Bedenken dadurch zu entkräften versucht, daß er angab, den Bankbeamten zu kennen und zu wissen, daß dieser sehr ängstlich sei und deshalb nichts passieren könne. Er hat deshalb zur tatsächlichen Ausführung der Tat Wolfgang M*** bestimmt" (S 4).
"Der Beitragstäter oder Gehilfe ist der, der eine andere für den Tatablauf kausale Handlung setzt, das kann im Erteilen von Ratschlägen bestehen, aber auch in der Hilfeleistung zur Tatausführung, wie im vorliegenden Falle das Hinbringen mit dem PKW, das Ausräumen von Bedenken über das Gelingen des Raubüberfalles, insbesondere beim zweiten Faktum in St.Magdalena" (S 4 verso, S 5). "Rechtsbelehrung zu den Betrugsfakten, die Günter F*** allein begangen hat" (S 5).
"Im vorliegenden Fall, die Behauptungen zahlungsfähig zu sein, die Ratenverpflichtungen einzuhalten, die Bezahlung der Zimmermiete am Ende des Aufenthaltes zu versprechen, im Bewußtsein über keinerlei Vermögen zu verfügen, das heißt der Angeklagte F*** hat durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen die genannten Firmen in Irrtum geführt und zu den genannten Leistungen veranlaßt" (S 5 verso).
Diese sämtliche Angeklagten und Urteilsfakten betreffende unrichtige Rechtsbelehrung macht die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich. Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten F*** und S*** war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben (§§ 285 e, 344 Abs. 1 StPO), ohne daß es eines Eingehens auf die übrigen vom Angeklagten S*** angeführten Nichtigkeitsgründe bedurfte. Da dieselben Gründe, die zur Urteilsaufhebung in Ansehung der Angeklagten F*** und S*** führen, auch dem Mitangeklagten Wolfgang M***, der eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben hat, zustatten kommen, war von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch dieser Angeklagte den in Frage kommenden Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (§§ 290 Abs. 1, 344 Abs. 1 StPO).
Im erneuerten Verfahren wird der Vorsitzende nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Schwurgerichtshofes den Geschwornen eine der Bestimmung des § 321 Abs. 2 StPO entsprechende Rechtsbelehrung zu erteilen haben, die keine Beweisführungen oder Feststellungen zu enthalten hat. Sodann wird das Verfahren gemäß §§ 322 ff StPO fortzusetzen sein.
Mit ihren Berufungen waren sämtliche Angeklagte auf die getroffene kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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