OGH 9Os110/86

OGH9Os110/8631.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Marianne S*** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 2. Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Juni 1986, GZ 7 a Vr 12310/85-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 20jährige Marianne S*** des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Darnach hat sie am 8. und am 10.Juli 1985 in Mödling den Eduard W*** durch die vor Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Mödling erstattete Anzeige und die aufgestellte Behauptung, er habe am 26. April 1985 sich im Bett auf sie gekniet, ihr mit Gewalt die Beine auseinandergedrückt, sei mit seinem Glied in ihre Scheide eingedrungen und habe einen Geschlechtsverkehr durchgeführt, einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigt, wobei sie wußte, daß diese Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Angeklagten dagegen aus den Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Ergebnis begründet.

Zutreffend wird nämlich im Rahmen der Rechtsrüge darauf hingewiesen, daß zur Erfüllung der inneren Tatseite des in Frage stehenden Verbrechens nicht nur Wissentlichkeit in Ansehung dessen, daß die Verdächtigung falsch ist sondern darüber hinaus erfordert wird, daß der Verleumder zumindest bedingt vorsätzlich will, daß auf Grund seiner Falschbezichtigung gegen den Verdächtigten Schritte, die als behördliche Verfolgung anzusehen sind, unternommen werden (vgl. Leukauf-Steininger Komm. 2 § 297 RN 13) und daß das Ersturteil insoweit, also mit Bezug auf die Willenskomponente, keinerlei Konstatierungen enthält; vielmehr begnügt es sich damit, auszusprechen, die Beschwerdeführerin habe gewußt, daß ihre Angaben nicht der Wahrheit entsprechen (S. 233 unten), sie habe durch ihr Verhalten einen anderen der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt (S. 234) bzw. sie habe zugestanden, ihr sei bewußt gewesen, daß die von ihr angezeigten Personen "mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen mußten" (S. 234 oben). Das Bewußtsein der Ernstlichkeit der Gefahr der behördlichen Verfolgung des Bezichtigten kann aber Ausgangspunkt sowohl für bedingt vorsätzliches als auch bewußt fahrlässiges Handeln sein. Der Unterschied liegt erst in der Fortsetzung des Willensbildungsprozesses, durch die klargestellt wird, ob die erforderliche Willensrelation zwischen dem Verhalten des Täters und der Verwirklichung des Tatbildes gegeben ist (zu allem Leukauf-Steininger 2 RN 16 zu § 5 sowie RN 13 zu § 297). Da der aufgezeigte Feststellungsmangel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war der Schuldspruch bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Beseitigung des Schuldspruchs zu verweisen.

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