OGH 13Os82/86

OGH13Os82/8631.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Alexander K*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2 StGB. u. a. strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 31.Jänner 1986, GZ. 10 Vr 1449/85-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Müller-Strobl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 16.März 1962 geborene Angeklagte Alexander K*** wurde zu Punkt I des Urteilssatzes des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB., zu Punkt II des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. und zu Punkt III des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Klagenfurt (I) am 5.Juni 1985 Maria S*** durch mehrere wuchtige Faust- und Karateschläge gegen den Kopf und gegen die Brust absichtlich am Körper schwer verletzt, wobei die Tat den am 9.Juni 1985 eingetretenen Tod der Genannten zur Folge hatte; (II) die Polizeibeamten Hans B*** und Adolf M*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er sie des von Amts wegen zu verfolgenden Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigungen falsch waren, indem er erstens am 22. Juli 1985 vor dem Untersuchungsrichter behauptete, seine ein Geständnis enthaltenden Angaben im Polizeiprotokoll vom 6.Juni 1985 seien von den Beamten nach eigenem Gutdünken arglistig verfaßt und er sei zur Unterfertigung des Protokolls durch körperliche Mißhandlungen und Ohrfeigen genötigt worden, zweitens am 30.Oktober 1985 vor dem Landesgericht Klagenfurt die unter III angeführte falsche Zeugenaussage ablegte; drittens (im Urteil irrtümlich III) am 6.Dezember 1985 vor dem Landesgericht Klagenfurt behauptete, von dem Polizeibeamten Hans B*** beschimpft, gefährlich bedroht, geschlagen und mit dem Kopf unter Wasser getaucht sowie von dessen Kollegen Adolf M*** mit einer an den Kopf gehaltenen Pistole bedroht worden zu sein, um ihn zu einem unwahren Geständnis zu nötigen; (III) am 30.Oktober 1985 im Verfahren 15 Vr 3358/85 des Landesgerichts Klagenfurt vor dem Untersuchungsrichter als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache dadurch, daß er behauptete, bei seiner Einvernahme am 6.Juni 1985 von den Polizeibeamten Hans B*** und Adolf M*** Schläge gegen den Hinterkopf und Tritte im Genitalbereich erhalten zu haben, an den Haaren gerissen und mit dem Kopf unter Wasser getaucht worden zu sein, falsch ausgesagt. Der Sache nach nur die Schuldsprüche I und "III" (nach richtiger Numerierung II 3) des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Einen seine Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer hinsichtlich des Schuldspruchs I in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 31.Jänner 1986 gestellten Antrags auf Einholung eines serologischen Gutachtens über die Blutgruppe des Angeklagten zum Beweis dafür, daß jene Blutspritzer, die an seiner Hose gefunden wurden, von ihm stammen (S. 320).

Diesen Antrag wies das Erstgericht mittels mündlich verkündeten Zwischenerkenntnisses (§ 238 StPO.) mit der Begründung ab, daß "die vorgenommene Untersuchung der festgestellten Blutspuren eindeutig deren Zuordnung zur Verstorbenen Maria S*** ergeben hat und der Angeklagte in der letzten Hauptverhandlung selbst behauptete, daß diese Blutspuren nicht von ihm, sondern im Zug des Hinausschleifens allenfalls von Maria S*** stammen könnten" (S. 320, 321).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rüge kommt im Ergebnis Berechtigung nicht zu. Zwar ist es richtig, daß das Landesgericht in seinem Zwischenerkenntnis die Verantwortung des Angeklagten und das Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. M*** (ON. 18) zu den an der Hose des Beschwerdeführers festgestellten Blutspuren nicht richtig verwertete. Denn der Angeklagte brachte auch vor, er halte es für möglich, daß das Blut auf seine Hose kam, als er von dem Polizeibeamten geschlagen und verletzt worden sei, im übrigen habe auch er die Blutgruppe 0 (S. 295; vgl. den vorgelegten Blutspenderausweis S. 213). Nach dem Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. M*** (s. insbesondere S. 143) kann nur dann mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß die Blutspuren an der Hose des Angeklagten vom Tatopfer stammen, wenn nicht auch der Angeklagte die Blutgruppe 0 besitzt. Für diesen Fall regte er die Einholung eines serologischen Gutachtens an. Allein diese Umstände vermögen der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es sich bei dem vom Verteidiger erfolglos beantragten serologischen Gutachten nach Lage des Falls um ein unerhebliches Beweismittel handelt. Das Erstgericht stellte nämlich in Ausübung freier Beweiswürdigung die Täterschaft des Angeklagten auf Grund seiner (zunächst) bei der Polizei (S. 67 ff.) und beim Untersuchungsrichter (S. 15 bis 15 a) abgelegten, durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens (Zeugen Maria M***, Sebastian P***, Johann D***, Werner M***, Georg R*** in Verbindung mit den - auch eine Vernehmung der Maria S*** in S. 59 f. enthaltenden - polizeilichen Erhebungsergebnissen und dem Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. M***: s.S. 327/328) überprüften und als richtig erkannten Geständnisse mängelfrei fest, wobei ein Zustandekommen dieser Geständnisse unter Zwang oder sonstiger Beeinflussung ausdrücklich verneint wurde (S. 327 ff.). Wie sich aus dem Inhalt und dem Aufbau der Urteilsgründe ergibt, waren die dem Tatopfer zugeschriebenen Blutspuren an der Hose des Angeklagten kein tragendes Begründungselement. Die damit zusammenhängenden Umstände führte das Erstgericht vielmehr erst, nachdem es seine (abgeschlossene) Überzeugung von der Richtigkeit der Geständnisse unter Anführung der dafür maßgebenden Beweise (zu denen die Blutspur an der Hose des Angeklagten nicht zählt) zum Ausdruck gebracht hatte (S. 331, vorl. Abs.), bloß illustrativ in einem gewissen verbalen Überschwang an (S. 331, letzter Abs., und S. 332 oben).

Unter den aufgezeigten Umständen hätte ein serologisches Gutachten, gleichgültig, ob damit eine sichere Zuordnung der Blutspuren auf der Hose des Beschwerdeführers in Frage gestellt worden wäre, keinesfalls zu anderen als zu den vom Schöffengericht schon auf Grund anderer Beweismittel getroffenen Feststellungen über die Täterschaft des Angeklagten führen können. Damit erweist sich, daß das den Beweisantrag ablehnende Zwischenerkenntnis auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO.), zumal ja durch das Gutachten ein Nachweis, daß die Blutspuren nicht vom Opfer stammen können, nach den Ausführungen des Gerichtsarztes auf Seite 143 (erster, zweiter und vierter Absatz) nicht mehr möglich wäre. Die Bedeutung der beim Untersuchungsrichter erklärten Rückziehung der (zunächst gegebenen) Zustimmung des Angeklagten zur Blutentnahme (s.S. 15 b) kann folgerichtig auf sich beruhen.

In der Mängelrüge (Z. 5) bekämpft der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, er sei ein geübter Karatekämpfer, also ein Mann, der seine Schläge so gezielt und dosiert zu führen vermag, daß der beabsichtigte Erfolg wirklich herbeigeführt wird, woran Erwägungen zur Absicht des Angeklagten, S*** schwer zu verletzen, geknüpft werden (S. 332, erster Abs.).

Dem ist zu erwidern, daß es sich beim Beschwerdeführer (unbestritten) um einen Menschen handelt, der sich intensiv u.a. mit fernöstlichen Kraftsportarten befaßt; das damit verbundene Training betreibt er in einem eigens dazu adaptierten Keller des Wohnhauses seiner Eltern (S. 326 oben), und zwar in einem sogenannten Fitnessraum, auch Kraftkammer genannt (S. 15 a; vgl. die Abbildungen S. 107 ff.). Nichts anderes wollte das Erstgericht mit dem der Rüge unterzogenen Passus (wiederholend) ausdrücken. Es ist auch für die Beurteilung der subjektiven Tatseite bedeutungslos, ob der Angeklagte (Geburtsjahrgang 1962) ein "geübter" Karatekämpfer mit den beschriebenen Fähigkeiten war oder nicht. Tatsache ist, daß er auf Grund seiner eklatanten körperlichen Überlegenheit über das 79-jährige Tatopfer in der Lage war, seiner Absicht gemäß die Greisin schwer zu verletzen. Diese Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB.) leitete das Schöffengericht aus dem Vorgehen des aggresssionsgeladenen und von Feindseligkeit erfüllten Angeklagten in freier Tatsachenwürdigung mängelfrei ab (siehe die Angabe vor dem Untersuchungsrichter S. 15 verso oben: "schlug mehrmals auf einen Sandsack ein, um meinen Aggressionsstau loszuwerden"). Dem Beschwerdeführer, der die spezielle Vorsatzform (Absicht) unter § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. bestreitet, ist zu erwidern, daß nicht nur die (aus Rechtsprechungszitaten hervorgehende) Verwendung von Werkzeugen (Stichverletzungen, Angriffe mit Holzprügel, Zange und Hammer) die auf eine schwere Verletzung gerichtete Absicht indizieren können, sondern auch die hier vom Schöffengericht festgestellten wuchtigen Faust- und Karateschläge gegen Kopf und Brust der körperlich zarten 79-jährigen Maria S***. Auch die - letztlich tödlichen - Verletzungsfolgen sprechen (der Meinung des Beschwerdeführers zuwider) nicht gegen den in Rede stehenden Vorsatz (§ 5 Abs. 2 StGB.), wobei der Zusammenhang mit dem übrigen Tatgeschehen (wuchtige Schläge im erzürnten und alkoholisierten Zustand gegen Kopf und Brust der Greisin) nicht außer acht gelassen werden darf.

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. rügt der Beschwerdeführer den Schuldspruch wegen Verleumdung (auch) zu "Punkt III des Schuldspruches" (nach richtiger Numerierung: II 3). Es ist zwar an sich richtig, daß "das, was der wegen Verleumdung Verfolgte im Laufe des Strafverfahrens wegen § 297 StGB. zu seiner Verantwortung vorbringt" (S. 353), nicht die Annahme der Wiederholung einer Verleumdung begründen kann. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß die Anklage gegen ihn auf das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. erst in der Hauptverhandlung vom 31. Jänner 1986 (S. 308) ausgedehnt wurde. Mit seiner in der Hauptverhandlung vom 6.Dezember 1985 zum Anklagevorwurf der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 StGB. wiederholten Verantwortung, er sei am 6.Juni 1985 durch die vernehmenden Polizeibeamten B*** und M*** mit Schlägen gegen den Hinterkopf und Tritten in den Genitalbereich sowie durch Reißen an den Haaren und Untertauchen seines Kopfes in ein mit Wasser gefülltes Waschbecken zur Ablegung eines unrichtigen Geständnisses gezwungen worden, die er noch durch die neue Behauptung ergänzte, M*** habe ihn mit angesetzter Pistole bedroht, hat der (noch nicht wegen Verleumdung verfolgte) Angeklagte das Maß zulässiger Verteidigung überschritten. Über die Abwehr gegen ihn vorgebrachter Tatsachen hinaus ist der Angeklagte nicht berechtigt, seine Stellung im Prozeß für falsche Verdächtigungen gegen andere Personen zu benützen, auch wenn dies in seinem prozessualen Interesse läge (Leukauf-Steininger 2 , RN. 20 ff., Foregger-Serini 3 , Erläuterungen V; Pallin im WK. Rz. 17, je zu § 297 StGB. mit Judikaturnachweisen).

Zum weiteren Vorbringen im Zusammenhang mit "Punkt III des Urteilsspruches" sei der Vollständigkeit halber erwähnt, daß der offensichtliche Schreibfehler in der Numerierung der Schuldsprüche (auf S. 324; "III" statt richtig "3") keinen rechtlichen Mangel des Urteils bewirken kann und auch keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Zwar enthält die wiederholte Behauptung des Angeklagten, von den Polizeibeamten zur Ablegung eines (sei es wahren, sei es unwahren) Geständnisses durch körperliche Mißhandlungen, Schläge und Tritte sowie durch Ansetzen einer Pistole gezwungen worden zu sein, bei richtiger rechtlicher Beurteilung (LSK. 1982/127 = EvBl. 1982/198 = JBl. 1982 S. 548 und die dort zitierte Vorjudikatur) nicht den Vorwurf des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB., sondern - angesichts der Todesdrohungen - den des Verbrechens der Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. Da aber beide, hier als angedichtet in Frage stehenden Verbrechen mit derselben Strafe (sechs Monate bis zu fünf Jahren) bedroht sind, schlägt der - ungerügt gebliebene - Rechtsirrtum nicht zum Nachteil des Angeklagten aus und kann demnach unter dem Gesichtspunkt des § 290 Abs. 1 StPO. auf sich beruhen (vgl. grundsätzlich EvBl. 1981 Nr. 108 und Nr. 118).

Das Landesgericht verhängte über den Angeklagten nach § 87 (Abs. 2, höherer Strafsatz) StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Bei der Strafbemessung waren das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die Wiederholung der Verleumdungen und im besonderen die exzessive Brutalität, mit welcher der Angeklagte gegen eine wehrlose, zarte, alte Frau vorging, erschwerend. Ein mildernder Umstand wurde nicht angenommen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Bezugnahme auf seine (ursprünglich) bei der Polizei und beim Untersuchungsrichter abgelegten Geständnisse, die (u.a.) dem Schuldspruch zugrunde gelegt wurden, die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Auch diesem Rechtsmittel bleibt ein Erfolg versagt. Es ist zwar richtig, daß auch ein - wie hier - widerrufenes Geständnis als Milderungsgrund in der Bedeutung des zweiten Falls des § 34 Z. 17 StGB. (als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung) gewertet werden kann. Indes sieht sich der Oberste Gerichtshof angesichts des hohen Unrechtsgehalts des vom Berufungswerber zu verantwortenden Tatenkomplexes zu einer Reduktion der Unrechtsfolge nicht veranlaßt, liegt sie doch noch im unteren Bereich der im vorliegenden Fall vorgesehenen Strafdrohung (fünf bis zehn Jahre Freiheitsstrafe).

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