OGH 7Ob611/86

OGH7Ob611/8610.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sophie S***, Besitzerin, Liesing 44, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig und Dr. Peter Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Ilse S***, Liesing 27, vertreten durch Dr. Robert Grasser, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterlassung infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 17. April 1986, GZ 1 R 147/86-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hermagor vom 4.Februar 1986, GZ C 254/85 -18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes 689/48 der KG Liesing, die Beklagte ist Eigentümerin des im Süden angrenzenden Grundstückes 689/49. Über den tatsächlichen Grenzverlauf besteht Streit. Die Klägerin behauptet Holzschlägerungen der Beklagten auf dem vorgenannten Grundstück. Sie begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, jeden Eigentumseingriff in das Grundstück der Klägerin, insbesondere Holzschlägerungen und die Abfuhr des bereits geschlägerten Holzes zu unterlassen.

Bei der Tagsatzung am 31.Oktober 1985 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Grenzlinie zwischen den beiden Grundstücken unter Zugrundelegung des Lageplanes des Dilp.Ing. Gerhard W*** in bestimmt bezeichneter Weise festgelegt wurde (Punkt 1.). Jene Bäume, die nördlich dieser neu festgelegten Grenzlinie geschlägert wurden, sind abzüglich 5 Festmeter Rundholz (Bloch) von der Beklagten der Klägerin zu dem Preis zu vergüten, den sie selbst vom Käufer des Holzes erlöst. Das Ausmaß wird vom Sachverständigen auf Grund von Wurzelstockausmaßen berechnet (Punkt 2.). Sollte die Abfuhr des Holzes innerhalb von 14 Tagen auf Grund von Schneefall nicht mehr möglich sein, dann ist dieser Vergleich aufgehoben (Punkt 3.). Bereits am 5.November 1985 erklärte die Beklagte mit einer selbst verfaßten Eingabe, "die Abhandlung vom 31.Oktober 1985 zur Gänze abzulehnen" und an ihrem bisherigen Standpunkt festzuhalten. Am 21.November 1985 beantragte ihr rechtsfreundlicher Vertreter die Fortsetzung des Verfahrens mit der Behauptung, daß die Abfuhr des Holzes innerhalb der Frist von 14 Tagen infolge Schneefalles nicht möglich gewesen sei.

Das Erstgericht wies den Antrag ab und sprach aus, daß der Vergleich rechtswirksam ist. Es stellte fest, daß es im Raum Liesing am 11. November 1985 an der Vorderseite eines Mittelmeertiefs leicht bis mäßig regnete. Am 12.November 1985 ging der noch leichte Niederschlag in Schneefall über. In der Nacht zum 13. setzten heftige Schneefälle ein. Im Verlauf des 13.November sowie in der Nacht zum 14.November fielen weitere 20 cm Neuschnee. Eine Abfuhr des Holzes bis 13.November 1985 wäre leicht möglich gewesen, wenn die Beklagte dies beabsichtigt hätte. Tatsächlich hat die Beklagte aber keinen Auftrag zur Holzabfuhr erteilt, weil sie nicht gewillt war, den Vergleich einzuhalten.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die Beklagte verpflichtet gewesen, für eine rasche Abfuhr des Holzes Sorge zu tragen, zumal nach der Jahreszeit mit dem Einsetzen des Schneefalles zu rechnen gewesen und im Vergleich darauf Bedacht genommen worden sei. Sie könne sich nicht auf den Eintritt der auflösenden Bedingung berufen, wenn sie deren Eintritt durch ihre Untätigkeit selbst herbeigeführt habe.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es vertrat die Auffassung, daß ein gerichtlicher Vergleich hinsichtlich seiner prozessualen Wirkungen nicht unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen werden könne, weshalb das Verfahren in der Hauptsache fortzusetzen sei. Das Rekurgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Reviisonsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Ein gerichtlicher Vergleich weist zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäftes und einer Prozeßhandlung auf. Nach der Lehre vom Doppeltatbestand des gerichtlichen Vergleiches ist streng zwischen seiner materiellrechtlichen und seiner prozessualen Wirksamkeit zu unterscheiden. Ein Prozeßvergleich kann prozessual unwirksam, als materielles Rechtsgeschäft aber wirksam sein und umgekehrt. Die Rechtsprechung hat einhellig mit weitgehender Billigung des Schrifttums hinsichtlich der prozessualen Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches die Beisetzung einer aufschiebenden Bedingung für zulässig erachtet (Hauptfälle: Einlangen einer Zustimmungserklärung, Nichteinlangen eines Vergleichswiderrufs, Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung). Sie lehnt jedoch die Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung ab(SZ 54/14 mwN; vgl. auch Fasching, LB Rdz 1349; aM Dolinar in ÖJZ 1970, 119). Dem Rekursgericht ist daher insoweit beizupflichten, daß dem Vergleich vom 31.10.1985 keine prozeßbeendende Wirkung zukam und das Verfahren antragsgemäß fortzusetzen ist. Die materielle Wirksamkeit des Vergleiches wird dadurch jedoch nicht berührt. Sie ist infolge Einrede des gerichtlichen Vergleiches durch die klagende Partei, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, im fortgesetzten Verfahren zu prüfen. Bejaht das Erstgericht die Wirksamkeit des Vergleiches, hat es jedoch das Klagebegehren mit Urteil abzuweisen. Im anderen Fall ist über den erhobenen Anspruch weiter zu verhandeln und über ihn gleichfalls mit Urteil zu erkennen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten ist zurückzuweisen, weil der Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes ein einseitiges Rechtsmittel ist (3 Ob 173/83).

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