OGH 3Ob526/86

OGH3Ob526/862.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leonhard K***, Angestellter, derzeit ohne Beschäftigung, 2351 Wiener Neudorf, Reisenbauerring 5/4/3, vertreten durch Dr. Hans Schönherr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Marlene H***, Hausfrau, 8761 Pöls, Thaling Nr. 6, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen 21.100,-- S s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1985, GZ R 930/85-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 13. September 1985, GZ 2 C 33/85-11, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit S 2.263,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 205,76 Ust.) und die mit S 3.763,36 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 205,76 Ust. und S 1.500,-- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der uneheliche Vater des mj. Roland H***, geb.: 25.8.1970, die Beklagte die uneheliche Mutter dieses Kindes. Diese wurde mit Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 10.4.1974 zum Vormund des Kindes bestellt.

Am 2.4.1975 verzichtete die Beklagte gemäß einer nur von ihr gefertigten notariellen Niederschrift vorbehaltlich "pflegschaftsbehördlicher" Genehmigung gegenüber dem Kläger auf die Geltendmachung von Alimentationsansprüchen für dieses Kind. Bis zur Erteilung oder im Falle einer Verweigerung einer solchen Genehmigung erkläre sie sich bereit, anstelle des Klägers für den Unterhalt des Kindes persönlich aufzukommen und allenfalls dem Kläger abverlangte Unterhaltsbeträge zu ersetzen. - Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Niederschrift erfolgte nicht.

Mit Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 18.8.1984 wurde der Kläger zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.550,-- seit 1.4.1984 verpflichtet. Zur Hereinbringung eines Rückstandes von S 12.400,-- für die Zeit vom 1.4.-30.11.1984 wurde wider dem Kläger die Fahrnisexekution bewilligt, die er durch Zahlung der betriebenen Forderung samt angefallener Exekutionskosten zusammen mit dem Betrag von S 13.350,-- (nicht S 13.260,48, wie das Erstgericht, S. 45 des Aktes, unter Vernachlässigung der bezahlten Vollzugskosten offenbar irrtümlich feststellte) bezahlte, weiters bezahlte er freiwillig die Unterhaltsraten für Dezember 1984 bis April 1985 im Ausmaß von zusammen S 7.750,--, somit insgesamt S 21.100,--.

Mit der vorliegenden Klage begehrte er, gestützt auf die erwähnte notarielle Niederschrift, diesen Betrag samt Anhang mit der Begründung, er habe für diesen Unterhaltsverzicht eine Abschlagszahlung von S 14.000,-- geleistet und sei auch dem Verlangen der Beklagten, die damals die Absicht gehabt habe, mit dem Kind nach Südafrika auszuwandern, nachgekommen, das Kind zur Adoption freizugeben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, der Kläger habe damals ihre Notlage ausgenützt. Sie habe sich knapp vor ihrer Abreise und Auswanderung nach Südafrika befunden. Da der Kläger seine Zustimmung zur Mitnahme des Kindes verweigert habe, habe sie sich gezwungen gesehen, in das vom Kläger vorgeschlagene Rechtsgeschäft laut der notariellen Niederschrift zu willigen. Nunmehr sei die Abreise nach Südafrika nicht erfolgt, sondern die Beklagte sei in Österreich geblieben, so daß der Rechtsgrund für das gegenständliche Geschäft weggefallen sei. Darüber hinaus sei die Beklagte ohne Einkommen, weshalb sich auch die finanziellen Voraussetzungen auf ihrer Seite erheblich geändert hätten. Die vom Kläger bezahlten S 14.000,-- seien nicht als Abschlagszahlung zu werten, wofür der Betrag viel zu gering sei, sondern als Unterhalt für die Zeit vor dem 2. April 1975, in der der Kläger keinen Unterhalt geleistet habe. Falls man aber eine Abschlagszahlung annehme und von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 2.4.1975 ausgehen würde, wende sie Compensandoverrechnung mit vorangegangenen nicht geleisteten Unterhaltsansprüchen ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es traf über den eingangs wiedergegebenen nicht strittigen Sachverhalt hinaus noch folgende Tatsachenfeststellungen:

Ursprünglich hatten die Streitteile für ihren unehelichen Sohn außergerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000,-- vereinbart, doch hatte der Kläger bis April 1975 nur höchstens fünf Mal diesen Betrag geleistet. Anfangs 1975 beabsichtigte die Beklagte nach Südafrika auszuwandern, wobei sie das Kind etwa nach einem halben Jahr nachkommen lassen wollte. Dazu benötigte sie die Zustimmung des Klägers, welche dieser verweigerte. In der Folge einigten sich die Streitteile, daß der Kläger der Beklagten einen Betrag von S 14.000,-- bezahlen sollte und die Beklagte in Zukunft auf Unterhaltsforderungen gegenüber dem Kläger verzichten werde. Zur Manifestation dieser Vereinbarung wurde von der Beklagten am 2.4.1975 die eingangs erwähnte Niederschrift unterfertigt. Der "Rechtsgrund" für diese Vereinbarung war, daß die Beklagte die beabsichtigte Auswanderung, für die sie die Zustimmung des Klägers benötigte, die dieser nur nach Unterfertigung der erwähnten Niederschrift erteilte. Als die Beklagte kurz vor der Abreise stand, lernte sie ihren jetzigen Ehemann kennen und schloß mit ihm die Ehe, blieb in Österreich und gab ihre Auswanderungspläne auf. Sie ist jetzt Hausfrau und hat kein eigenes Einkommen. Ihr Ehemann verlangte von ihr, daß sie die Unterhaltsansprüche gegenüber dem Kläger geltend mache, was sie in der Folge durch entsprechende Antragstellung beim Vormundschaftsgericht tat.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von der Ausnützung einer Zwangslage der Beklagten durch den Kläger und einem auffallenden Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus, weshalb die Verpflichtungserklärung laut notarieller Niederschrift vom 2.4.1975 nichtig sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf, wobei es mehrere Feststellungsmängel annahm. Daß der Kläger auf die Beklagte einen Druck überhaupt ausüben habe können, sei nicht erkennbar, weil weder nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts noch nach den Bestimmungen des öffentlichen Rechts (Paßgesetz) eine Zustimmung des Klägers zur Auswanderung der Beklagten und des unehelichen Kindes der Streitteile erforderlich sei. Es müsse daher erörtert werden, in welchem allenfalls anderen Zusammenhang eine Zwangslage der Beklagten gegeben gewesen sein könnte. Untersucht werden müsse auch welches wirtschaftliches Gewicht der Gegenleistung des Klägers (Zahlung von S 14.000,--) zukomme, weil nur dann beurteilt werden könne, ob es sich allenfalls vielleicht sogar überhaupt um einen weitgehend unentgeltlichen Vertrag gehandelt habe. Falls wegen dazukommender Schenkungsabsicht, die auch nicht festgestellt sei, von einer Schenkung auszugehen sei, mangle es an einem Notariatsakt. Unklar sei schließlich, was das Erstgericht mit dem Ausdruck des "Rechtsgrundes" im Zusammenhang mit der seinerzeit bestehenden Auswanderungsabsicht der Beklagten meine.

Die Zulässigkeit des Rechtskraftvorbehaltes begründete das Berufungsgericht damit, daß zu den angeschnittenen Rechtsfragen nicht immer eine einheitliche Rechtsprechung vorliege. Gegen den Aufhebungsbeschluß wendet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, zumal die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Ergebnis von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur konkludenten Vereinbarung einer Bedingung im Sinne des § 901 ABGB abweicht.

Dem Rekurs kommt auch Berechtigung zu.

Beide Parteien haben übereinstimmend vorgebracht, daß für die strittige Vereinbarung die Absicht der Beklagten maßgebend war, nach Südafrika auszuwandern und das Kind zur Adoption freizugeben (Klage S. 2 unten unter Pkt.III, Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung vom 9.5.1985 S.17 des Aktes und in der Tagsatzung vom 28.8.1985 S.35 des Aktes). Sowohl der als Zeuge vernommene Urkundenverfasser (ZV Dr. H*** S.23 des Aktes) wie auch die beiden als Partei vernommenen Streitteile (PV Kläger S.24 des Aktes, PV Beklagte S.35 des Aktes) bestätigten dieses übereinstimmende Vorbringen. Die im Zuge der rechtlichen Ausführungen des Ersturteiles vorkommende Formulierung, die Auswanderungsabsicht der Beklagten sei der "Rechtsgrund" für die in der Niederschrift vom 2.4.1975 übernommene Verpflichtung der Beklagten gewesen, kann bei dieser Behauptungs- und Beweislage nur dahin verstanden werden, daß damit nur das beiden Streitteilen bekannte und maßgebende Motiv oder in der Diktion des § 901 ABGB der Bewegungsgrund und der Endzweck (vgl. dazu Rummel in Rummel Rz 1 zu § 901 ABGB) verstanden werden kann.

Es liegt aufgrund der Art der Vereinbarung und aller schon jetzt zweifelsfrei feststehender Umstände auf der Hand, daß dieses Motiv von den Parteien zumindest stillschweigend zur Bedingung ihres Vertrages gemacht wurde, was möglich ist, weil das Wort "ausdrücklich" hier keine Formvorschrift darstellt, sondern nur als "hinreichend deutlich" zu verstehen ist (Gschnitzer in Klang 2 IV/1 328 f, Rummel in Rummel Rz 2 zu § 901 ABGB, vgl. Entscheidungen wie SZ 35/7 oder MietSlg.20.034, 21.119). Nur wenn es wirklich zur Auswanderung der Beklagten und innerhalb eines überschaubaren relativ kurzen Zeitraumes zur Adoption gekommen wäre, wäre die Vereinbarung vom 2.4.1975 verständlich und als mit den guten Sitten durchaus im Einklang stehend akzeptabel. Ob es dann nach einem Monat oder allenfalls auch erst nach einem Jahr zur Adoption gekommen wäre, dieses relativ geringe und überschaubare Risiko hätte die Beklagte tragen müssen. Im einen Fall wäre die Vereinbarung für sie angesichts der einmaligen und letztmaligen Unterhaltsleistung des Klägers von S 14.000,-- günstiger im anderen Fall ungünstiger gewesen. Den Parteien kann aber nun nicht von vorneherein unterstellt werden, daß sie sozusagen für jeden denkbaren Fall und für alle Zukunft, und überdies gleichgültig, welche Änderungen in den Umständen beiderseits eintreten sollten, die Unterhaltspflicht für uneheliches Kind einseitig nur mehr der Beklagten auferlegen wollten. Weder kann von vorneherein angenommen werden, daß die Beklagte dies aus Leichtsinn oder Gedankenlosigkeit, ohne die Tragweite einer solchen Vereinbarung zu erkennen, auf sich nahm, noch kann der Kläger dem Verdacht ausgesetzt werden, er habe in unredlicher Weise eine solche Haltung der Beklagten ausnützen wollen. Naheliegend ist vielmehr nur, daß beide Teile an der jetzt strittigen Vereinbarung nur deshalb nichts ungewöhnliches fanden, weil eben beide Teile das genannte Motiv zur Bedingung gemacht wissen wollten.

Nach Wegfall dieses Motives ist aber dann diese Vereinbarung außer Kraft getreten, so daß der auf diese Vereinbarung allein gestützten Klage kein Erfolg beschieden sein kann. Ob dem Kläger nach Beseitigung des Vertrages eine Rückforderung der geleisteten S 14.000,-- zusteht oder nicht, muß nicht untersucht werden, weil sich der Kläger auf einen solchen Rückabwicklungsanspruch nicht berufen hat.

Ob darüber hinaus auch noch ein Tatbestand nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vorlag oder ob die Vereinbarung vom 2.4.1975 auch mangels Errichtung eines Notariatsaktes und stattgefundener "wirklicher" Übergabe im Sinne des § 943 ABGB ungültig ist, muß daher nicht geprüft werden, so daß die Sache spruchreif im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes ist. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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