OGH 14Ob98/86 (14Ob99/86)

OGH14Ob98/86 (14Ob99/86)1.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie durch die Beisitzer Dr. Wolfgang Adametz und Hermann Peter als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Silvia G***, Schülerin, Gmunden, Ohlsdorferstraße 19, 2. Michaela Z***, Schülerin, Gmunden, Lindenstraße 3, beide vertreten durch Dr. Peter Kilga, Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, dieser vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ernst S***, Hotelier in Kirchdorf in Tirol 278, vertreten durch Dr. Ewald Briem, Rechtsanwalt in St. Johann, wegen S 27.023,10 und S 26.809,60 jeweils brutto sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20. Feber 1986, GZ 2 a Cg 32, 33/85, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Kitzbühel vom 13. September 1985, GZ Cr 93/84-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei je zur Hälfte die mit S 3.737,09 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 339,74 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen waren im Jahr 1983 Schülerinnen der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe in Linz. Im Rahmen des vorgeschriebenen Praktikums waren sie in der Zeit vom 1. Juni bis 31. August 1983 im Hotel des Beklagten in Kirchdorf in Tirol tätig. Sie begehren mit den am 2. November 1984 eingebrachten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die Zahlung eines Entgeltbetrages von S 27.023,10 (Erstklägerin) sowie von S 26.809,60 (Zweitklägerin), jeweils brutto sA. Infolge der Art ihrer Beschäftigung - Ersetzung anderer Arbeitnehmer, Eingliederung in den Betrieb, Leistung von Überstunden - sei in Wahrheit kein Ausbildungsverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis vorgelegen. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den Klägerinnen das kollektivvertragliche Entgelt für Küchenhilfskräfte einschließlich Überstundenentgelt, anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsabfindung zu zahlen. Die Klagsbeträge seien die Differenz zwischen den erhaltenen Beträgen und den (höheren) nach dem Kollektivvertrag zustehenden Beträgen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Mit den Klägerinnen sei ein Monatsentgelt von S 5.500 vereinbart worden. Dieser Betrag setze sich vereinbarungsgemäß aus einer eine 40- stündige Wochenarbeitszeit abgeltenden Praxisentschädigung von S

3.500 und einem Überstundenpauschale von S 2.000 zusammen. Die Klägerinnen seien beim Beklagten ausgebildet worden. Die geltend gemachten Forderungen seien nach dem Kollektivvertrag "verjährt". Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es ging davon aus, daß im Hinblick auf die Art der Tätigkeit der Klägerinnen kein Ausbildungsverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis vorgelegen sei, sodaß ihnen das im Kollektivvertrag vorgesehene höhere Entgelt zustehe. Da der Beklagte eine Lohnabrechnung schuldhaft nicht vorgenommen habe, sei ein Verfall der Ansprüche nicht eingetreten. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es beide Klagebegehren abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Auf Grund eines Bewerbungsschreibens des Beklagten vermittelte die Direktion ihrer Schule den beiden Klägerinnen die Absolvierung des Pflichtpraktikums im Hotel des Beklagten. Im Bewerbungsschreiben des Beklagten war eine monatliche Nettoentlohnung von S 5.500 zuzüglich freie Unterkunft und Verpflegung bei einer täglichen Arbeitszeit von ca. 11 1/2 Stunden angeboten worden. Die beiden Klägerinnen und ihre gesetzlichen Vertreter sowie der Beklagte unterfertigten einen Vertrag zu diesen Bedingungen. Bereits vor Beginn des Praktikums beanstandete die Schuldirektion das Ausmaß der täglichen Arbeitszeit. Die Klägerinnen und ihre gesetzlichen Vertreter vereinbarten hierauf mit dem Beklagten in neuen Verträgen eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden und ein monatliches Entgelt von S 3.500. Mündlich vereinbarten sie ferner ein Überstundenpauschale von S 2.000 pro Monat.

Die Erstklägerin verrichtete während der vom 1. Juni bis 31. August 1983 mit Unterbrechungen dauernden Praxis 267, die Zweitklägerin 262 Überstunden. Bei der vom Beklagten vorgenommenen Lohnabrechnung wurden die Anzahl der Überstunden und der jeweilige Zuschlag infolge der vorerwähnten Pauschalvereinbarung nicht detailliert angeführt. Die Klägerinnen erhielten aber jeweils am Monatsende einen Lohnstreifen, aus dem sich die Lohnperiode, der steuerpflichtige und der steuerfreie Betrag, der Lohnsteuerabzug und der ausgezahlte Nettolohn ergaben. Als die Klägerinnen bei Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Lohnstreifen auch die Lohnsteuerkarte ausgefolgt erhielten und das empfangene Entgelt bestätigten, fragten sie den Beklagten "wegen der Entlohnung ihrer Überstunden". Der Beklagte verwies sie auf das vereinbarte Pauschale und erklärte ausdrücklich, daß die Überstundenentlohnung darin enthalten sei. Die Klägerinnen gaben hierauf dem Beklagten nicht zu erkennen, daß sie mit der Lohnabrechnung nicht einverstanden seien. Erst nach Rechtsberatung durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol wurden die Entgeltforderungen erstmals mit den am 2. November 1984 eingebrachten Klagen dem Beklagten gegenüber geltend gemacht.

Die Klägerinnen hatten während ihres Beschäftigungsverhältnisses für die Schule benötigte genaue Aufzeichnungen über die Art der von ihnen verrichteten Arbeiten und über die tägliche Arbeitszeit geführt. Der Beklagte las die ihm von den Klägerinnen vor Beendigung ihrer Tätigkeit vorgelegten Aufzeichnungen durch und unterfertigte sie.

Das Berufungsgericht vertrat gleich dem Erstgericht die Auffassung, nach der Art der Verwendung der Klägerinnen, der Eingliederung in den Betrieb sowie dem Ausmaß ihrer täglichen Beschäftigung könne nicht mehr bloß von einer Einschulung im Sinne einer Ferialpraxis gesprochen werden. Die Klägerinnen seien vielmehr in einem Arbeitsverhältnis gestanden, sodaß der Kollektivvertrag für das Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe anzuwenden sei. Die darauf gestützten Entgeltansprüche seien jedoch gemäß dem Punkt 6 lit e bzw. nach dem Punkt 4 lit b KV verfallen, weil sie nicht innerhalb von 4 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Beklagten gegenüber schriftlich geltend gemacht worden seien. Die Lohnabrechnung sei vom Beklagten ordnungsgemäß vorgenommen worden, sodaß sich der Lauf der Fallfrist nicht verlängert habe, wie dies im Punkt 6 lit e KV im Falle der Unterlassung einer Lohnabrechnung aus dem Verschulden des Arbeitgebers vorgesehen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die Klägerinnen ihre Begehren ausschließlich auf den Kollektivvertrag stützen, die Klagsansprüche aber, wie noch anzuführen sein wird, nach dessen Bestimmungen verfallen sind, kann die Frage auf sich beruhen, ob auf Grund der tatsächlichen Gestaltung der beiden Beschäftigungsverhältnisse Ausbildungsverhältnisse oder dem Kollektivvertrag unterworfene Arbeitsverhältnisse vorlagen.

Die Frage des eingewendeten Verfalls wurde vom Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen richtig gelöst. Ob die Klägerinnen mit ihrer anläßlich der Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse an den Beklagten gerichteten Frage nach der Bezahlung von Überstunden Entgeltforderungen geltend gemacht haben oder nur Erkundigungen eingeholt haben, kann dahingestellt bleiben. Der Verfall tritt nämlich nur dann nicht ein, wenn die Entgeltforderungen schriftlich geltend gemacht wurden. Dies war nach den Feststellungen nicht der Fall und wurde von den Klägerinnen nicht einmal behauptet. Die Vorlage ihrer für die Schule bestimmten Aufzeichnungen über die Art und das Ausmaß ihrer Arbeit kann einer schriftlichen Geltendmachung von Lohnansprüchen schon nach dem Inhalt der Aufzeichnungen und dem damit verbundenen Zweck nicht gleichgehalten werden.

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin beizustimmen, daß die den Klägerinnen vom Beklagten monatlich übergebenen Lohnabrechnungen die Voraussetzungen des Punktes 6 lit b (in Verbindung mit lit e) KV erfüllen. Fraglich könnte allenfalls nur sein, ob die Unterlassung der Aufgliederung des dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Betrages in einem Grundbezug und in das Überstundenpauschale der Annahme einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung entgegensteht. Da jedoch den Parteien die Vereinbarung des Überstundenpauschales bekannt war und der Beklagte anläßlich der Beendigung der Tätigkeit der Klägerinnen auf deren Frage nach der Bezahlung eines Überstundenentgelts ausdrücklich auf das Überstundenpauschale und die damit erfolgte Abgeltung der Überstunden hingewiesen hat, ist die Lohnabrechnung im ganzen nicht ordnungswidrig erfolgt.

Daran vermag entgegen der Meinung der Revisionswerberinnen auch der Umstand nichts zu ändern, daß in den Lohnstreifen die Anzahl der Überstunden nicht angeführt war. Da die Parteien ein Überstundenpauschale vereinbart hatten, war die monatliche Anführung der Überstunden zum Zwecke der Lohnabrechnung nicht erforderlich. Der Hinweis der Revisionswerberinnen auf den § 26 AZG geht auch deshalb fehl, weil der nach dieser Bestimmung den Arbeitgeber treffenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden nach dem AB (1463 BlgNR 11. GP) auch dann entsprochen ist, wenn die notwendigen Angaben aus anderen Unterlagen ersichtlich sind (Dittrich-Veit-Tades, Arbeitsrecht, FN 2 zu § 26 AZG). Soweit diese Bestimmung im Hinblick auf ihre Übernahme in Punkt 4 lit d KV für eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung und damit auch für den Eintritt des Verfalls von Bedeutung ist, hat der Beklagte die ihm von den Klägerinnen vorgelegten Aufzeichnungen über ihre Arbeitsstunden durch seine Unterschrift bestätigt, sodaß auch in diesem Zusammenhang eine Gesetzwidrigkeit nicht vorliegt. Ob der Inhalt der Lohnabrechnung richtig ist, ist aber für die Frage des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung ohne Bedeutung. Die behaupteten Entgeltdifferenzansprüche sind spätestens mit der Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse der Klägerinnen, nämlich am 31. August 1983, fällig geworden. Da ihre erstmalige Geltendmachung erst am 2. November 1984 durch die Einbringung der Klagen erfolgte, waren die Ansprüche in diesem letztgenannten Zeitpunkt bereits verfallen, sodaß den Klagebegehren die Berechtigung fehlt. Die Unterlassung der rechtzeitigen Geltendmachung einer Forderung und der daran geknüpfte Eintritt des Verfalls sind kein Verzicht im Sinne des § 1444 ABGB; die dazu und zu der fehlenden Zustimmung der gesetzlichen Vertreter zur Unterlassung der rechtzeitigen Geltendmachung der Entgeltforderungen erstatteten Revisionsausführungen sind daher verfehlt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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