OGH 3Ob568/86

OGH3Ob568/8618.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Johann G***, Techniker, Wolkersdorf 36, 9431 St.Stefan im Lavanttal, vertreten durch Dr.Siegfried Schüßler, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wider die beklagte Partei A*** Anlagenplanung und Sondermaschinenbau Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 4817 St.Konrad 106, vertreten durch Dr.Georg Pammesberger, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 138.068,80 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 12.Februar 1986, GZ.5 R 24/86-9, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.Jänner 1986, GZ.25 Cg 6/86-6, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger bracht die Klage auf Zahlung des Restbetrages von S 138.068,80 samt Zinsen für auf Bestellung an die Beklagte ausgelieferte Maschinenteile am 11.November 1985 beim Bezirksgericht Wolfsberg ein und berief sich auf eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nach § 104 Abs.1 JN. Er legte der Klagsschrift die Ablichtung seines Lieferscheines vom 18.Juli 1985 Nr.285 mit dem Vordruck "Gerichtsstand A-9400 Wolfsberg" bei.

Die Beklagte erhob zu Beginn der ersten Verhandlungstagsatzung die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit, ohne zur Sache vorzubringen oder mündlich zu verhandeln. Sie bestritt, daß eine Gerichtsstandvereinbarung zustande gekommen sei, und, als sich der Kläger noch auf die allgemeinen Lieferbedingungen des Fachverbandes der Maschinen- und Stahlbauindustrie, wonach Gerichtsstand für alle sich aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten das für den Sitz des Verkäufers örtlich zuständige Gericht sei, und auf den Gerichtsstand nach § 88 Abs.2 JN berief, daß durch Anschluß von Lieferbedingungen eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen und durch Übersendung einer Rechnung der Fakturengerichtsstand begründet wurde. Der Kläger beantragte für den Fall, daß das angerufene Bezirksgericht seine Unzuständigkeit ausspreche, die überweisung der Klage an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Klagenfurt. Das Bezirksgericht Wolfsberg sprach am 5.Dezember 1985 aus, daß es sachlich und örtlich unzuständig sei, und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Klagenfurt, weil der urkundliche Nachweis der Bevollmächtigung zum Abschluß einer Vereinbarung, mit welcher sich die Parteien dem Bezirksgericht Wolfsberg unterwarfen, nicht erbracht sei. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 JN regle nur die örtliche nicht aber die sachliche Zuständigkeit, wenn seine Voraussetzungen erfüllt seien.

Am 3.Jänner 1986 langten die Akten beim Landesgericht Klagenfurt ein. Noch vor jeder weiteren gerichtlichen Verfügung langte dort am 14. Jänner 1986 ein Schriftsatz des Klägers ein, der nun zugestand, daß auch der Fakturengerichtsstand schon deshalb nicht begründet sei, weil sich herausgestellt habe, daß die Rechnung Nr.170 vom 18. Juli 1985 erst nach Auslieferung der bestellten Maschinenteile zugemittelt wurde. Das Landesgericht Klagenfurt sei nicht zuständig. Der Kläger beantrage, die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Kreisgericht Wels zu überweisen.

Das Landesgericht Klagenfurt erklärte sich nun für örtlich unzuständig, weil der Gerichtsstand nach § 88 Abs.2 JN nicht gegeben sei, und überwies die Rechtssache an das Kreisgericht Wels. Gegen diesen Beschluß erhob die Beklagte Rekurs, weil die Beschlußfassung mangels einer amtswegigen Erörterung der Zuständigkeitsfrage und Fehlens einer Unzuständigkeitseinrede der Beklagten gesetzwidrig sei und der Rechtsmittelausschluß des § 261 Abs.6 Satz 5 ZPO daher nicht gelte. Die Beklagte strebte die Beseitigung des Beschlusses und den Auftrag an, daß das Landesgericht Klagenfurt das gesetzliche Verfahren fortsetze. Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück. Es handle sich nicht um einen Fall, in welchem der Rekurs ungeachtet der Vorschrift des § 261 Abs.6 ZPO zulässig sei. Der Erstrichter habe die Unzuständigkeit auf Grund des Vorbringens des Klägers in seinem Schriftsatz aufgreifen und wegen Vorliegens des Überweisungsantrages mit der Überweisung vorgehen dürfen, wenn auch eine Verhandlung unterblieben sei. Diese Unterlassung mache den Beschluß nicht anfechtbar. Es sei auch nur erreicht, daß der Prozeß beim Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes der Beklagten ausgetragen werde und damit im Sinne der Forderung nach Prozeßökonomie und nach Vermeidung aufwendiger Zuständigkeitsstreitigkeiten das Ergebnis erzielt, das mit höherem Kostenaufwand auch dann erreicht würde, wenn die Beklagte wie zu erwarten, die offenkundige Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt eingewendet hätte. Gegen den Überweisungsbeschluß sei nach § 261 Abs.6 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig.

In seinem Berichtigungsbeschluß vom 10.April 1985 holte das Rekursgericht den Ausspruch nach, daß der Rekurs gegen den Beschluß zulässig sei, weil der Verfahrensfrage erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.4 Z.1 ZPO zukomme.

Die Beklagte bekämpft den Zurückweisungsbeschluß mit ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nach § 528 Abs.2 und § 502 Abs.4 Z.1 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 261 Abs.6 ZPO idF BGBl.1983/135 kann der Kläger, wenn der Beklagte die Unzuständigkeit einwendet oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen prüft, den Antrag stellen, daß das Gericht für den Fall, daß es seine Unzuständigkeit ausspricht, die Klage an das vom Kläger namhaft gemachte Gericht überweise. Diesem Antrage hat das Gericht stattzugeben, wenn es das andere Gericht nicht für offenbar unzuständig erachtet. Die Überweisung ist mit dem Beschlusse über die Unzuständigkeit zu verbinden. Gegen diesen Beschluß ist mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten des Zuständigkeitsstreites ein Rechtsmittel nicht zulässig. Die Streitanhängigkeit wird durch diese Überweisung nicht aufgehoben. Die neue Verhandlung ist mit Benützung des über die erste Verhandlung aufgenommenen Verhandlungsprotokolles und aller sonstigen Prozeßakten durchzuführen und im Sinne des § 138 ZPO einzuleiten. Die Einrede der Unzuständigkeit kann der Beklagte bei dieser Verhandlung nur erheben, bevor er sich in die Verhandlung über die Hauptsache einläßt, und nicht auf Gründe stützen, die mit seinen früheren Behauptungen in Widerspruch stehen. Schon vor der Neufassung des Einleitungssatzes dieser Bestimmung durch die Einfügung der Worte "oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen prüft" mit Art.IV Z.49 Zivilverfahrens-Novelle 1983 hatte die Rechtsprechung den Antrag auf Überweisung auch dann zugelassen, wenn ohne Erhebung einer Unzuständigkeitseinrede die Frage der Zuständigkeit von Amts wegen aufgeworfen wurde, weil der Zweck der Vorschriften des § 261 Abs.6 ZPO die Vermeidung der Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit und ihr Grundgedanke die Prozeßökonomie ist (Fasching III 212), und auch in diesem Fall den Rechtsmittelausschluß gelten lassen (Arb.7009; Arb.7429; RZ 1983/42 ua.). Durch die Änderung des § 261 Abs.6 Satz 1 ZPO sollte nur im Sinne der herrschenden Ansicht klargestellt werden, daß ein Antrag auf Überweisung auch dann zulässig ist, wenn nicht der Beklagte die Unzuständigkeit einwendet sondern von Amts wegen in die Zuständigkeitsprüfung eingegangen wurde (AB 1337 BlgNR 15.GP zu Art.IV Z.49). Nur wenn die vom Erstgericht ausgesprochene Überweisung den Bestimmungen des § 261 Abs.6 ZPO derart widerspricht, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird, ist der Überweisungsbeschluß anfechtbar (MietSlg.31.696; RZ 1974/89; SZ 43/212; SZ 44/36). Einhellig war auch schon früher die Ansicht vertreten worden, daß der Rekurs gegen den Überweisungsbeschluß auch dann nicht stattfindet, wenn der mit dem Unzuständigkeitsausspruch verbundene Überweisungsbeschluß entgegen der nur den Fall der Erhebung der Unzuständigkeitseinrede erfassenden Anordnung des § 261 Abs.1 Satz 1 ZPO ohne vorgängige mündliche Verhandlung erging (SZ 44/36; EvBl.1968/307; MietSlg.31.696; JBl.1979, 547 ua.). In der Entscheidung vom 7.April 1981, 4 Ob 530/81

(EvBl.1981/220 = Arb.9964), hat der Oberste Gerichtshof vor der unter anderem auch eine Straffung und Vereinfachung des Verfahrens, Verminderung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und weitgehende Beschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Zuständigkeit als eines der Hauptanliegen verfolgenden Zivilverfahrens-Novelle 1983 (vgl. RV 669 BlgNR 15.GP Allgemeiner Teil II Z.1 und Z.2 lit.b) entschieden, daß der Rekurs gegen den Überweisungsbeschluß an das Arbeitsgericht zulässig ist, wenn eine amtswegige Erörterung der Zuständigkeitsfrage nicht stattgefunden hat. Der ergänzte § 182 Abs.2 ZPO idF BGBl.1983/135 verpflichtet jetzt aber das Gericht, den Parteien vor einer Entscheidung über amtswegig aufgekommene Bedenken gegen die Zuständigkeit Gelegenheit zur Heilung der Unzuständigkeit im Sinne des § 104 Abs.3 JN oder zu einem, nur dem Kläger zugänglichen Antrag auf Überweisung der Rechtssache an das zuständige Gericht (§ 261 Abs.6 ZPO) zu geben, § 230 a ZPO idF BGBl.1983/135 erlaubt dem Kläger die Stellung des Überweisungsantrages auch nach dem Ausspruch der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, wenn er keine Gelegenheit hatte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs.6 ZPO zu stellen. Dies führt zur Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und zur Überweisung mit Bindung des Gerichtes, an das überwiesen wurde, und einem Rechtsmittelausschluß, der dem des § 261 Abs.6 ZPO nachgeformt ist (AB 1337 BlgNR 15.GP zu Art.IV Z.38). Betrachtet man diese umfassende Regelung zur Vermeidung der Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit und zu einer mit wenig Kostenaufwand belasteten Zuführung von Rechtssachen an ein zuständiges Gericht, dann kann nicht zweifelhaft sein, daß der Rechtsmittelausschluß nach § 261 Abs.6 ZPO auch den Fall erfaßt, daß das Gericht von Amts wegen seine Unzuständigkeit wahrnimmt und, weil der Kläger wie hier rechtzeitig einen Antrag auf Überweisung gestellt hat, an das Gericht überweist, das nicht nur nicht offenbar unzuständig ist sondern dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten entspricht, auch wenn eine mündliche Verhandlung zur Erörterung der Zuständigkeitsfrage unterblieben ist. Ob die Entscheidung des Erstgerichtes rechtlich unrichtig ist, weil die gesamte Verhandlung vor und nach der Überweisung als Einheit aufzufassen ist und die heilbare örtliche Unzuständigkeit nach Bestimmung der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung durch das zunächst angerufene Bezirksgericht nur mehr über rechtzeitige Unzuständigkeitseinrede der Beklagten wahrgenommen werden hätte können (§ 43 Abs.1 ZPO), bleibt, wenn die Entscheidung nicht anfechtbar ist, ohne Bedeutung. Denn es kann nicht darauf ankommen, ob der Überweisungsbeschluß rechtlich zutreffend oder unrichtig ist. Wäre nur gegen den rechtsrichtigen Beschluß ein Rechtsmittel ausgeschlossen, würde der Vereinfachungseffekt vereitelt. Ob das Erstgericht die von der Beklagten gegen die Annahme des Gerichtsstandes nach § 88 Abs.2 JN, der allein eine Überweisung an das Landesgericht Klagenfurt rechtfertigen konnte, weil doch eine Vereinbarung nach § 104 Abs.1 JN rechtskräftig als nicht vorliegend erkannt war, erhobene Unzuständigkeitseinrede im nach der Überweisung fortzusetzenden Verfahren als aufrecht ansah und sich deshalb nach Klarstellung, daß ein Fakturengerichtsstand nie begründet war, zum Ausspruch seiner Unzuständigkeit und zur beantragten Überweisung als berechtigt ansah oder ob es die Vorschrift des § 43 Abs.1 ZPO übersehen hatte, ändert nichts daran, daß sein Überweisungsbeschluß nach § 261 Abs.6 ZPO unanfechtbar ist. Das Rekursgericht hat daher ohne rechtsirrige Lösung dieser Verfahrensfrage, der nach der Novelle 1983 die im § 502 Abs.4 Z.1 ZPO umschriebene Bedeutung zukommt, den unzulässigen Rekurs der Beklagten gegen den Überweisungsbeschluß zurückgewiesen. Darauf, ob die Beklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt erhoben hätte, wenn das Erstgericht eine Verhandlungstagsatzung anberaumt hätte, wozu die Beklagte berechtigt gewesen wäre, worauf dann erst recht die Überweisung an das nach dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zuständige Kreisgericht Wels stattgefunden hätte, und worin die Beschwer der Beklagten liegt, daß sie den Prozeß nicht bei dem nach dem Wohnsitz des Klägers zuständigen Gerichtshof sondern an ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu führen hat, ist deshalb nicht weiter einzugehen, weil insoweit, als das Gesetz nicht ein Rechtsmittel ausschließt, jede Partei auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften über die Gerichtszuständigkeit dringen kann.

Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat die Beklagte nach den §§ 40 und 50 ZPO selbst zu tragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte