OGH 14Ob17/86

OGH14Ob17/8617.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Riedler sowie die Beisitzer Dr. Walter Haindl und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine G***, Arbeiterin, Hall i.T., Trientlgasse 6, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier und Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei V*** (A***) Gesellschaft mbH in Bregenz-Hard,

Schäfferhofstraße 15, vertreten durch Dr. Josef Riedmann, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen restl. S 150.034,77 brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 41.750,51), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23.Oktober 1985, GZ 2 a Cg 23/85-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 20.Juni 1985, GZ 2 Cr 303/84-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

2) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen klagsabweisenden Teiles des Ersturteiles zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 147.401,77 brutto samt 4 % Zinsen aus S 145.461,77 seit 1.6.1984 und aus weiteren S 1.940 seit 20.6.1985 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 59.821,73 brutto samt 4 % Zinsen ab 1.6.1984 und das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 2/5 der mit S 38.238,92 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, das sind S 15.295,57 (darin enthalten S 1.290,87 Umsatzsteuer und S 1.096 Barauslagen) sowie die mit S 11.175,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 943,20 Umsatzsteuer und S 800 Barauslagen) und die mit S 3.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 240 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei zuletzt die Bezahlung von S 207.223,50 sA. Sie sei vom 13.7.1981 bis 31.3.1984 bei der beklagten Partei angestellt gewesen. Unter Anrechnung von fünf Vordienstjahren betrage der kollektivvertragliche Mindestlohn im Beschäftigungszeitraum brutto S 332.638,50. Weil ihr lediglich S 127.638,06 ausbezahlt worden seien, ergebe sich eine Restforderung von S 205.000. Für Reinigungsarbeiten stünden ihr weitere S 2.223,50 zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein: Die Klägerin sei als Platzvertreterin beschäftigt gewesen und habe ihre Tätigkeit nur fallweise und nicht einmal halbtags ausgeübt. Sie sei in der Erwartung, daß sie eine ungefähr dem Betrag von brutto S 4.000 entsprechende Arbeitsleistung erbringen werde, mit diesem Betrag angemeldet worden. Die Abrechnung sei jedoch nach tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen erfolgt. Die Klägerin habe nur geringe Umsätze getätigt. Nach dem Kollekti vertrag würde die Entlohnung der Klägerin als Ortsvertreterin in Beschäftigungsgruppe 3 ohne anrechenbare Vordienstzeiten im Beschäftigungszeitraum lediglich S 118.401,25 betragen. Selbst wenn man aber von einer Ganztagsbeschäftigung ausginge, stünde der Klägerin lediglich ein Betrag von S 236.802,50 zu, wovon die Zahlungen der beklagten Partei in Abzug zu bringen seien. Die Klägerin habe weder beim Eintritt noch während des Dienstes Vordienstzeiten geltend gemacht. Es werde auch bestritten, daß Reinigungsarbeiten der Klägerin nicht entlohnt worden seien. Im übrigen wendete die beklagte Partei Verfall und Verjährung im Sinne der kollektivvertraglichen Bestimmungen ein. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Bezahlung einer Entgeltsdifferenz von S 148.094,77 für die Zeit vom Mai 1982 bis März 1984 und eines Reinigungsentgelts von S 1.940, zusammen also S 150.034,77 brutto samt Nebengebühren und wies (in diesem Umfang unangefochten) das Mehrbegehren von S 57.188,73 sA an Entgeltsdifferenz für die Zeit bis April 1982 und ein Zinsenmehrbegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Klägerin war vom 26.8.1963 bis 21.11.1970 bei der I*** Gesellschaft mbH als kaufmännische Angestellte im Büro tätig. Vorher stand sie als Strickerin in einem Arbeiterverhältnis. In der Folge war sie bis zur Anstellung bei der beklagten Partei im Haushalt tätig. Sie brachte diese Vordienstzeiten der beklagten Partei während des Dienstverhältnisses nie zur Kenntnis und reklamierte bis zu seiner Beendigung auch nie eine nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Handelsangestellte unrichtige Einstufung. Mit der Klägerin wurde bei der Aufnahme eine ganztägige und hauptberufliche Tätigkeit im Verkaufsgebiet Rum und Thaur vereinbart. Zeitmäßig war die Klägerin in ihrer Tätigkeit nicht festgelegt. Sie wurde bei der Tiroler Gebietskrankenkasse als Angestellte mit einem Bruttomonatslohn von S 4.000 und einer Durchschnittsbeschäftigung von 40 Stunden bei einer Fünftagewoche angemeldet. Im übrigen wurden keine besonderen Vereinbarungen mit der Klägerin getroffen. Eine Änderung der hauptberuflichen Tätigkeit in eine nebenberufliche oder Teilzeitbeschäftigung wurde nie vereinbart.

Der auf das Dienstverhältnis anzuwendende Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs enthält folgende für diesen Rechtsstreit wesentliche Bestimmungen:

I. Geltungsbereich

....

3. Persönlich:

Für alle Angestellten und Lehrlinge. Angestellte im Sinne dieses Kollektivvertrages sind alle Arbeitnehmer (auch Aushilfskräfte), auf welche das Angestelltengesetz Anwendung findet.

....

III. Anstellung

....

3.) Bei Beginn des Dienstverhältnisses ist dem Arbeitnehmer nach anhörung des Betriebsrates seine Einstufung mittels Dienstzettels gemäß § 6 AngG mitzuteilen. Diese Einstufung hat die Einreihung in die zutreffende Gehaltstafel und Beschäftigungsgruppe, sowie das Berufsjahr und Gehaltsgebiet der Gehaltsordnung zu enthalten.

....

Anhang

Gehaltsordnung

A) Allgemeiner Teil

1. a) Angestellten und Lehrlingen ist ein monatliches Mindestentgelt nach den in den Gehaltstafeln nach Beschäftigungsgruppen, Berufsjahren und Gehaltsgebieten gestaffelten Sätzen zu bezahlen. Die in den Gehaltstafeln angeführten Bruttomonatsgehälter sind Mindestsätze.

....

d) Bei Platzvertretern mit Provision gelten die in den Gehaltstafeln angeführten Mindestgehälter der Beschäftigungsgruppe 3 und bei Reisenden mit Provision die Mindestgehälter der Beschäftigungsgruppe 4 als Durchschnittseinkommen der letzten 12 Monate.

2. a) Für die Einreihung eines Angestellten in eine Beschäftigungsgruppe laut dem unter F. festgelegten Beschäftigungsgruppenschema ist lediglich die Art seiner Tätigkeit maßgebend.

....

4. Gehaltsansprüche auf Grund von Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung verjähren mangels Geltendmachung mit Ablauf von zwei Jahren. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB aufrecht.

....

6.) Als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafeln gelten nur die Jahre der praktischen Angestelltentätigkeit sowie die Jahre der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann. Lehrzeit oder die die Lehrzeit gemäß F.II,j, ersetzenden drei Angestelltendienstjahre fallen nicht darunter.

D. Sonderzahlungen für Platzvertreter mit Provision und Reisende mit Provision

a) Platzvertreter mit Provision und Reisende mit Provision, die neben der Provision ein Fixum beziehen, erhalten als Sonderzahlungen eine Weihnachtsremuneration in Höhe des Novemberfixums und eine Urlaubsbeihilfe in Höhe des zum Zeitpunkt des Urlaubsantrittes bzw. am 30.September zustehenden Fixums....

b) Platzvertreter und Reisende, mit denen nur Provisionen vereinbart sind, erhalten spätestens am 31.Dezember Sonderzahlungen in dem Ausmaß, als sie mit ihrem im abgelaufenen Kalenderjahr ins Verdienen gebrachten Provisionseinkommen einschließlich Urlaubsentgelt und anfälligem Krankenentgelt aber ausschließlich Überstundenentgelt das 14-fache des Durchschnittssatzes nach Beschäftigungsgruppe 3 bzw. 4 nicht erreicht haben.

c) Für die während des Kalenderjahres eintretenden und austretenden Platzvertreter und Reisenden sind die Aliquotierungsbestimmungen unter B. und C. sinngemäß heranzuziehen...."

Im Beschäftigungsgruppenschema lautet die Umschreibung der Beschäftigungsgruppe 3: "Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen". In der Beschäftigungsgruppe 4 sind Angestellte mit selbständiger Tätigkeit geführt. Als Beispiele sind hier Reisende ohne und mit Provison genannt. Bei Einstufung der Klägerin in die Beschäftigungsgruppe 4, sechstes und siebentes Berufsjahr, ergibt sich für die noch strittige Zeit vom Mai 1982 bis März 1984 ein Kollektivlohn von S 249.820,50 brutto. Tatsächlich bezahlt wurde für diesen Zeitraum ein Betrag von S 101.725,73, sodaß sich eine Differenz von S 148.094,77 brutto ergibt. Die Zahlung der Gehaltsdifferenz wurde mit Schreiben vom 21.5.1984 begehrt. Aus Reinigungstätigkeit steht der Klägerin ein Betrag von S 1.940 zu. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß auf Grund der vereinbarten Vollbeschäftigung die Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages für Handelsangestellte anzuwenden seien. Nach § 6 AngG in Verbindung mit den Normen des Kollektivvertrages habe die Klägerin Anspruch auf den kollektivvertraglichen Lohn samt anteiligen Sonderzahlungen. Dabei seien die Vordienstzeiten der Klägerin zu berücksichtigen. Da im Kollektivvertrag der Verfall bei Unstimmigkeiten in der Einstufung normiert sei, sei es letztlich gleichgültig, wann der Angestellte die zu niedrige Einstufung geltend mache. Er sei nicht verpflichtet, seine Vordienstzeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt nachzuweisen; vielmehr sei der Dienstgeber verpflichtet, schon bei der Anstellung eine Einstufung des Angestellten vorzunehmen. Tue er dies nicht, setze er sich bei einer falschen Einstufung der Gefahr von Nachforderungen des Angestellten aus. Da die Klägerin ihre Ansprüche erstmals mit Schreiben des Klagevertreters vom 21.5.1984 geltend gemacht habe, seien ihre jeweils mit Monatsende fälligen Gehaltsansprüche für die Jahre 1981 und 1982 bis einschließlich April 1982 verfallen. In die Abrechnung seien daher die Ansprüche der Klägerin ab Mai 1982 einzubeziehen. Bei der Ermittlung der Nachforderung der Klägerin seien die als Gehalt an die Klägerin ausbezahlten Summen und die sich aus dem Kollektivvertrag als Gehalt ergebenden Summen zu vergleichen; die als Spesen ausbezahlten Beträge seien nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin nicht in der Niederlassung, sondern auf Reisen ihre Tätigkeit entfaltet habe, sei sie im Sinne des Kollektivvertrages als Reisende mit Provision in die Beschäftigungsgruppe 4 unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten im 6. und 7.Berufsjahr einzustufen. Aus der Differenz des kollektivvertraglichen Gehalts und des tatsächlich ausbezahlten Gehalts einschließlich der Sonderzahlungen ergebe sich eine Nachforderung der Klägerin in der Höhe von S 148.094,77 brutto, wozu noch das Entgelt für die Reinigungsarbeiten komme.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es verpflichtete die beklagte Partei in Teilabänderung des angefochtenen Urteiles nur zur Zahlung von S 108.284,26 sA und wies - offenbar unter Einbeziehung der unbekämpft gebliebenen Abweisung in erster Instanz - das Mehrbegehren von S 98.939,24 sA ab. Die zweite Instanz verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu, traf mit Ausnahme der Feststellungen über den der Klägerin auf Grund der Einstufung in Beschäftigungsgruppe 4, sechstes und siebentes Berufsjahr zustehenden kollektivvertraglichen Lohn dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese auf Grund des Kollektivvertrages und der "Erläuterungen" hiezu wie folgt:

Als Berufsjahre sind sämtliche Dienstzeiten anzurechnen, die vom Angestellten in einem dem Angestelltengesetz unterliegenden Dienstverhältnis zurückgelegt wurden, und die Zeiten der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann. Die Anrechnung der Berufsjahre erfolgt nach den Angaben des Angestellten. Der Angestellte soll verhalten werden, die Richtigkeit seiner Angaben nachzuweisen. Anrechenbare Zeiten (Berufsjahre), die vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber verschwiegen wurden, berechtigen den Arbeitnehmer nicht zu nachträglichen Gehaltsforderungen.

Das kollektivvertragliche Gehalt im Allgemeinen Groß- und Kleinhandel, Beschäftigungsgruppe 4, Gehaltsgebiet A betrug im Jahr 1981 im ersten Berufsjahr monatlich S 6.825 brutto; im Jahr 1982, zweites Berufsjahr monatlich S 2.790 brutto. Im Jahr 1983, drittes Berufsjahr monatlich S 7.670 brutto und im Jahr 1984, viertes Berufsjahr, monatlich S 7.940.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes, daß eine Vollbeschäftigung der Klägerin vorgelegen und die Klägerin in die Beschäftigungsgruppe 4 einzureihen sei. Die Anrechnung der Berufsjahre habe aber nach den Angaben des Angestellten zu erfolgen. Anrechenbare Zeiten (Berufsjahre), die vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber verschwiegen worden seien, berechtigten den Arbeitnehmer nicht zu nachträglichen Gehaltsforderungen. Die Klägerin habe somit für ihre Beschäftigungszeit bei der beklagten Partei Anspruch auf das kollektivvertragliche Gehalt der Beschäftigungsgruppe 4, Gehaltsgruppe A, erstes bis viertes Berufsjahr. Die Abweisung der Gehaltsansprüche bis einschließlich April 1982 im Ersturteil sei unbekämpft geblieben, weshalb zufolge eingetretener Teilrechtskraft lediglich über die Gehaltsansprüche ab Mai 1982 zu entscheiden sei. Danach ergebe sich für den Zeitraum Mai 1982 bis März 1984 ein Gehaltsanspruch der Klägerin in Höhe von S 208.069,99, wovon die tatsächlichen Gehaltszahlungen in Höhe von S 101.725,73, nicht aber die als Spesenersatz geleisteten Zahlungen in Abzug zu bringen seien, sodaß sich ein Differenzbetrag von S 106.344,26 brutto errechne. Unter Berücksichtigung der der Klägerin gebührenden Entlohnung für Reinigungsarbeiten von S 1.940 errechne sich somit ein Gesamtanspruch der Klägerin in Höhe von S 108.284,26. Die Klägerin erhebt gegen den abändernden Teil dieses Urteils Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei ist verspätet, weil gemäß § 223 Abs2 ZPO die Gerichtsferien auf das Verfahren vor den Arbeitsgerichten keinen Einfluß haben (Zustellung der Revision 23.12.1985, Postaufgabe der Revisionsbeantwortung 31.1.1986). Die Revision ist zum überwiegenden Teil berechtigt. Strittig ist nur mehr die Frage, ob die Vordienstzeiten der Klägerin bei der Bemessung des Entgeltes nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten Österreichs für den Zeitraum Mai 1982 bis März 1984 zu berücksichtigen sind, obwohl sie der beklagten Partei erst nach diesem Zeitraum von der Klägerin bekanntgegeben wurden. Das Berufungsgericht legte der Lösung dieser Frage die Erläuterungen von Meches-Schön zum Kollektivvertrag der Handelsangestellten Österreichs, S.62, zugrunde, wonach die Anrechnung der Berufsjahre nach den Angaben des Angestellten erfolgt, der verhalten werden soll, die Richtigkeit seiner Angaben nachzuweisen, und anrechenbare Zeiten (Berufsjahre), die vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber verschwiegen wurden, den Arbeitnehmer nicht zu nachträglichen Gehaltsforderungen berechtigen. Die zweite Instanz hat dies zu Unrecht als Tatsache festgestellt, weil es sich bei den genannten "Erläuterungen" nach deren klarer Bezeichnung weder um eine Kollektivvertragsbestimmung noch auch um eine authentische Auslegung derselben durch die Kollektivvertragsparteien handelt, sondern - wie die Klägerin in ihrer Revision richtig anführt - um die Auffassung der Kommentatoren. Die Frage bleibt daher der rechtlichen Beurteilung unterworfen. Es bedarf dabei keiner Prüfung, ob in diesen Erläuterungen unter einem "Verschweigen" bloß der Umstand verstanden wird, daß der Angestellte trotz Befragung durch den Dienstgeber und keine oder zu geringe Vordienstzeiten angibt. Dieser Fall lag nach den Feststellungen hier nicht vor.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vordienstzeiten bei der Ermittlung des Entgeltes zu berücksichtigen sind, kann nicht allgemein beantwortet werden. Es kommt auf die im Einzelfall anzuwendenden Kollektivvertragsregelungen oder eine allenfalls günstigere Individualvereinbarung an. Es kann daher auch der von Tutschka-Dungl, Handbuch des Österreichischen Arbeitsrechts 4 117, und Mayrhofer, Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, 25, vertretenen Auffassung, daß Ansprüche auf Grund objektiv vorliegender Voraussetzungen für eine höhere Einstufung, die zu Beginn des Dienstverhältnisses nicht nachgewiesen wurden, erst zum Zeitpunkt des späteren Nachweises entstehen, in dieser allgemeinen Form nicht zugestimmt werden. Wegen der Maßgeblichkeit des jeweiligen Kollektivvertrages kann auch aus der Entscheidung Arb.6472, auf welche sich die genannten Autoren berufen, für den vorliegenden Fall nichts gewonnen werden, weil es nach dem dort anzuwendenden Kollektivvertrag auf den Nachweis der (Art der) Vordienstzeiten ankam.

Der hier anzuwendende Kollektivvertrag der Handelsangestellten Österreichs enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, daß ein Entgeltanspruch, der unter Berücksichtigung von Vordienstzeiten zu errechnen ist, erst ab dem Zeitpunkt zusteht, in welchem der Angestellte seine Vordienstzeiten bekanntgibt und allenfalls nachweist. Er enthält auch keine ausdrückliche Vorschrift darüber, daß der Angestellte seine Vordienstzeiten aus eigenem bekanntzugeben habe, geschweige denn, daß ohne eine solche Bekanntgabe die Einstufung ohne Berücksichtigung der Vordienstzeiten zu erfolgen habe und/oder nur das Entgelt zustehe, das sich ohne Berücksichtigung der Vordienstzeiten ergäbe. Die kollektivvertragliche Bestimmung, wonach den Angestellten ein monatliches Mindestentgelt nach den in den Gehaltstafeln nach Beschäftigungsgruppen, Berufsjahren und Gehaltsgebieten gestaffelten Sätzen zu bezahlen ist, stellt die Entgeltshöhe nur auf objektive Umstände (Beschäftigungsgruppen, Berufsjahre und Gehaltsgebiete) ab; auch die Bestimmung, wonach als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel nur die Jahre der praktischen Angestelltentätigkeit sowie die Jahre der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann gelten, nennt nur das objektive Vorliegen bestimmter Tätigkeiten als Voraussetzung für die Einstufung. Im Zusammenhalt müssen diese beiden Bestimmungen des Kollektivvertrages dahin verstanden werden, daß dem Angestellten jene entgeltrechtliche Stellung zukommt, die sich aus der Beschäftigungsgruppe, dem Gehaltsgebiet und den Berufsjahren unter Berücksichtigung der Jahre der früheren praktischen Angestelltentätigkeit und/oder der Jahre der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann ergibt. Diese Stellung wird nicht erst durch ein bestimmtes Verhalten des Angestellten oder des Dienstgebers geschaffen. Überdies ist dem Dienstgeber die Pflicht auferlegt, bei Beginn des Dienstverhältnisses dem Dienstnehmer nach Anhörung des Betriebsrates eine Einstufung, die die Einreihung in die zutreffende Gehaltstafel und Beschäftigungsgruppe, sowie das Berufsjahr und das Gehhaltsgebiet der Gehaltsordnung enthält, mittels Dienstzettels mitzuteilen. Um dieser Pflicht zur richtigen Einstufung nachzukommen, muß der Dienstgeber den Angestellten, der nicht selbst Vordienstzeiten bekanntgibt, nach solchen fragen; er hat andererseits dadurch die Möglichkeit, das Ausmaß des zu bezahlenden Entgeltes abzuschätzen. Kommt er dieser kollektivvertraglich auferlegten Pflicht, durch die Unklarheiten über die Rechte und Pflichten während des Dienstverhältnisses nach Möglichkeit vermieden werden sollen (vgl. Arb.9256), nicht nach, so kann dadurch der Gehaltsanspruch des Dienstnehmers nicht gemindert werden.

Es steht daher der Klägerin das kollektivvertragliche Entgelt zu, das sich unter Berücksichtigung ihrer Vordienstzeiten ergibt. Dabei sind nur mehr die Berufsjahre strittig. Die Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 4 bezeichnet die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung selbst als richtig. Bei der Berufsjahre-Einstufung sind außer der oben wiedergegebenen Bestimmung der Gehaltsordnung A Z 6 folgende Bestimmungen der Gehaltsordnung zu beachten:

"A.10: Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere Berufsaltersstufe tritt mit dem ersten Tag desjenigen Monates in Kraft, in den der Beginn des neuen Berufsjahres fällt.

F. Beschäftigungsgruppenschema

I. Angestellte ohne abgeschlossene Lehrzeit in einem kaufmännischen Lehrberuf sind einzustufen in Beschäftigungsgruppe 1. Nach Ablauf von drei Angestelltendienstjahren in der Beschäftigungsgruppe 1 erfolgt die Einstufung in das 1.Berufsjahr der ihrer Tätigkeit entsprechenden Beschäftigungsgruppe (2 - 6).

II. Angestellte mit abgeschlossener Lehrzeit in einem kaufmännischen Lehrberuf sind in die ihrer Tätigkeit entsprechende Beschäftigungsgruppe (2 - 6) einzustufen....

Die abgeschlossene Lehrzeit in einem der genannten kaufmännischen Lehrberufe wird ersetzt:

...j) durch eine dreijährige praktische Angestelltentätigkeit."

Da eine Lehrzeit in einem kaufmännischen Lehrberuf hier nicht behauptet wurde, sind drei Angestelltenjahre der Klägerin nicht in der Beschäftigungsgruppe 4 anzurechnen, weil sie als die Lehrzeit ersetzende Zeiten anzusehen sind (Gehaltsordnung A 6 und F I, II j), sondern nur die Zeit vom 26.8.1966 bis 21.11.1970. Das ergibt, daß die Klägerin einerseits im Mai 1982 im 6.Berufsjahr dieser Beschäftigungsgruppe einzustufen war, andererseits aber mit Rücksicht auf die Bestimmung des Kollektivvertrages A.10 erst ab April 1983 im 7.Berufsjahr. Der Klägerin standen daher gemäß den Gehaltstafeln des vorliegenden Kollektivvertrages ab Mai 1982 für 1982:

10 x S 8.145 = S 81.450,--

für Jänner bis März 1983:

3 x S 8.570 = S 25.710,--

für April bis Dezember 1983

einschließlich Sonderzahlungen

11 x S 9.575 = S 105.325,--

für Jänner bis März 1984 ein-

schließlich der anteiligen Sonder-

zahlungen (je 1/4) 3,5 x S 9.915 = S 34.702,50

insgesamt S 247.187,50

zu. Unter Berücksichtigung der auf diesen Zeitraum entfallenden Gehaltszahlungen von S 101.725,73 ergibt sich eine Forderung der Klägerin von S 145.461,77. Unter Einbeziehung des bereits rechtskräftig zugesprochenen Reinigungsentgeltes von S 1.940 ergibt sich daher insgesamt eine Forderung der Klägerin von S 147.401,77. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist mit ca. 70 % ihres Begehrens durchgedrungen, weshalb ihr 40 % ihrer Verfahrenskosten zuzusprechen waren. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs2 und 50 ZPO.

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