OGH 9Os61/86

OGH9Os61/8611.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Lachner, Dr.Kuch und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Cahit C*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG (a.F.) und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.Oktober 1985, GZ 6 b Vr 9310/85-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tschulik, und des Verteidigers Dr.Gerö, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Oktober 1955 geborene türkische Staatsangehörige Cahit C*** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG a.F. schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien in der Zeit zwischen Mitte September 1984 und Ende Februar 1985 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider durch Verkauf von Heroin an die nachstehend genannten (abgesondert verfolgten) Personen, und zwar von insgesamt 100 Gramm an Andreas und Andrea S***, von zumindest 15 Gramm an Harald G*** sowie von weiteren 36 Gramm an Markus H***, Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte (Punkt A des Urteilssatzes). Außerdem liegt ihm zur Last, zwischen dem 7.Juli 1982 und Anfang Juli 1985 wiederholt unberechtigt Haschisch und Heroin erworben und besessen zu haben (Punkt B).

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er geltend macht, die von Punkt A des Schuldspruchs erfaßte Tathandlung wäre dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG i.d.F. der Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 184/1985, zu unterstellen gewesen, bei dessen Anwendung über ihn - zufolge der nunmehr zum Tragen kommenden "Härteklausel" - keine (Wertersatz-) Geldstrafe hätte verhängt werden dürfen, weil er - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - dem Mißbrauch von Suchtgift ergeben sei und die über ihn verhängte Geldstrafe seine Wiedereingliederung gefährden würde. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Auszugehen ist davon, daß die Suchtgiftgesetznovelle 1985 hinsichtlich der Anwendbarkeit der neu geschaffenen Bestimmungen auf früher verwirkte Tatbestände keine besonderen Anordnungen enthält. Es kommt daher die allgemeine Regelung des § 61 StGB zum Tragen, wonach Strafgesetze auf die vor ihrem Inkrafttreten begangenen Taten (nur) dann anzuwenden sind, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren.

Rechtliche Beurteilung

Vorliegend sind die von Punkt A des Urteilssatzes erfaßten Tathandlungen des Angeklagten - der nach den Urteilsgründen (vgl. S 186) mit dem für die Tatbestandsverwirklichung nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. erforderlichen Vorsatz gehandelt hat, weshalb die durch die Suchtgiftgesetznovelle geschaffene Verschärfung im Bereich der Tatbestandsmäßigkeit nicht als Abgrenzungskriterium gegenüber § 16 SuchtgiftG a.F. und n.F. in Betracht kommt - nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht; wegen der ihm schuldspruchmäßig angelasteten Suchtgiftmenge (von insgesamt 151 Gramm Heroin), welche - selbst wenn man von dem im Gutachten des Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10.Mai 1985 angeführten, gegenüber der früheren Auffassung beträchtlich höher angesetzten Grenzmengenwert für Heroin ausgeht - die (darnach maßgebende) Grenzmenge von 5 Gramm Heroin um das Fünfundzwanzigfache jedenfalls überschreitet, lautet die nach der seit 1.September 1985 geltenden Rechtslage gemäß § 12 Abs 3 (Z 3) SuchtgiftG n.F. zum Tragen kommende Strafdrohung hingegen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. An der zuletzt genannten Strafdrohung ändert auch eine allfällige Suchtgiftergebenheit des Täters nichts, weil letztere nach dem Gesetz nur in den Fällen des § 12 Abs 2 SuchtgiftG n.F. relevant ist. Allfällige Begründungsmängel in Ansehung der Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe Suchtgift nur gelegentlich konsumiert und sei dessen Mißbrauch nicht ergeben, betreffen demnach keine entscheidungswesentliche Tatsache; das darauf abzielende Beschwerdevorbringen geht sohin zur Gänze ins Leere. Stellt man im vorliegenden Fall alle potentiellen Sanktionen beider Fassungen des § 12 SuchtgiftG in toto einander gegenüber, so zeigt sich, daß die Bestimmungen des § 12 SuchtgiftG a.F. in Anbetracht der verfahrensgegenständlichen Suchtgiftmenge trotz der Härteklausel des § 13 Abs 2 SuchtgiftG n.F. die für den Angeklagten günstigeren sind (vgl. 11 Os 131/85). Im übrigen wäre der Ausspruch des Gerichtes, ob eine Wertersatzgeldstrafe die Wiedereingliederung "eines dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergebenen - und im Zeitpunkt der Verurteilung bereits entwöhnten - Verurteilten gefährden würde" und ob demgemäß die Wertersatzstrafe entsprechend zu reduzieren oder von der Verhängung einer solchen überhaupt Abstand zu nehmen ist (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 2. Ergänzungsheft 1985 SuchtgiftG Anm. C zu § 13 und C/5 zu § 12) als eine dem richterlichen Ermessen Spielraum gewährende Frage der Strafbemessung nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde sondern ausschließlich mittels Berufung bekämpfbar.

Insoweit der Verteidiger im Gerichtstag über das bisherige (schriftliche) Beschwerdevorbringen hinausgehend (erstmals) ins Treffen führt, die für die Annahme der (strafsatzbegründenden) Qualifikation nach § 12 Abs 3 Z 3 SuchtgiftG n.F. erforderliche (Über-) Menge liege nicht vor, weil die verfahrensgegenständliche Suchtgiftmenge (von 151 Gramm) mit Milchzucker (im Verhältnis von ca. 30 %) gestreckt gewesen sei und die reine Heroinmenge demzufolge den im Gesetz vorgesehenen (Mindest-) Wert nicht erreiche, genügt der Hinweis auf die (vom Angeklagten unbekämpft gebliebene) keine wie immer geartete Einschränkung in bezug auf Streckungsmittel enthaltende (ausdrückliche) Konstatierung des Schöffengerichts, wonach dem in Rede stehenden Schuldspruch (Punkt A) insgesamt 151 Gramm Heroin zugrunde liegen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F. unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren sowie gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG a.F. zu einer (Verfallsersatz-) Geldstrafe von 377.500 S, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu dreieinhalb Monaten Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, die große Suchtgiftmenge und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, hingegen das teilweise reumütige Geständnis und dessen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung (in Ansehung der Suchtgiftquellen) als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, deren bedingte Nachsicht gemäß § 43 StGB und die Abstandnahme von der Verhängung der Geldstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Zum letztbezeichneten Begehren kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Auch der Berufungswerber vermag keine neuen Aspekte aufzuzeigen, die bei der Strafbemessung zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen könnten. Im Hinblick auf die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) hat das Erstgericht - angesichts der Suchtgiftmenge und des doch schon einschlägig belasteten Vorlebens des Angeklagten - bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe die Strafdauer mit drei Jahren keineswegs zu hoch ausgemessen. Da sohin eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe außer Betracht bleiben mußte, ist auch dem weiteren - auf Gewährung bedingter Strafnachsicht gerichteten - Begehren der Boden entzogen (§ 43 StGB).

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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