OGH 14Ob76/86

OGH14Ob76/863.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Martin Mayr und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmuth H***, Elektriker, Bad Goisern 122, vertreten durch Dr. Heinrich E***, Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr. Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei E*** S*** Gesellschaft mbH & Co in Steeg, vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.001,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 5. Juli 1985, GZ 21 Cg 21/85-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Ischl vom 27. September 1984, GZ Cr 103/84-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.949,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 120,-- Barauslagen und S 257,25 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Arbeitnehmer der beklagten Partei und gemäß dem § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung freigestellter Obmann des Arbeiterbetriebsrates im Betrieb der beklagten Partei. Er begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Anrechnung des fünfstündigen Freizeitanspruchs für den Allerseelentag auf das durch das Bundesgesetz vom 3. Februar 1983, BGBl. 1983/81, eingeführte höhere Urlaubsausmaß zu unterlassen. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, seit mehr als 20 Jahren hätten die Arbeitnehmer der beklagten Partei am Allerseelentag 5 Arbeitsstunden gegen Fortzahlung des Entgelts frei bekommen. Soweit aber Arbeitnehmer an diesem Tag dennoch hätten voll arbeiten müssen, hätten sie die 5 Stunden an einem anderen Tag frei bekommen. Die beklagte Partei habe nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 1983/81 über die Verlängerung des Urlaubs die nach Meinung des Klägers unrichtige Auffassung vertreten, dieser Freizeitanspruch sei gemäß dem Art. VII des zitierten Gesetzes auf den durch dieses Gesetz eingeführten höheren Urlaubsanspruch anzurechnen. Eine derartige Anrechnung setze aber einen Urlaubsanspruch voraus; der erwähnte Freizeitanspruch sei jedoch kein Urlaubsanspruch.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Freistellung von der Arbeit am Allerseelentag sei ein Urlaub und dürfe daher nach dem Art. VII leg.cit. auf die in diesem Bundesgesetz vorgesehene Erhöhung des Urlaubsanspruchs angerechnet werden. Der Beklagte habe diese Freizeitgewährung mit einer einzigen Ausnahme nur zur Erweiterung seines Jahresurlaubs verwendet. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es legte seiner Entscheidung folgenden teils außer Streit gestellten, teils festgestellten Sachverhalt zugrunde.

Der Kläger ist seit dem 18. März 1963 im Unternehmen der beklagten Partei als Elektriker beschäftigt. Er ist seit 1971 als Obmann des Arbeiterbetriebsrates gemäß dem § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung freigestellt. Die Arbeitnehmer der beklagten Partei haben seit mehr als 20 Jahren für den Karfreitag drei und für den Allerseelentag fünf Arbeitsstunden frei bekommen. Bis 1972 konnten diese Stunden nur am Karfreitag bzw. am Allerseelentag in Anspruch genommen werden. Da aus betrieblichen Gründen einige Arbeitnehmer auch an diesen Tagen voll arbeiten müssen, wurde diese Einschränkung von diesen Arbeitnehmern als ungerecht empfunden. Die beklagte Partei war daraufhin damit einverstanden, daß diese Stunden auch an anderen Tagen freigenommen werden durften. Die beklagte Partei vermerkt daher nach dem Karfreitag bzw. dem Allerseelentag diese Stunden als Urlaubsguthaben, falls der betreffende Arbeitnehmer an diesem Tag tatsächlich gearbeitet hat oder auf Urlaub war. Wenn er aber an diesem Tag krank war oder auf Grund der Schichteinteilung frei hatte, erfolgte keine Gutschrift. Diese Regelung erfolgte in den Jahren 1969 und 1970 im Rahmen eines sogenannten "Sozialpaketes" unter dem Titel "zusätzliche Freizeitgewährung".

Dem Kläger wurde jeweils für den Allerseelentag - er ist evangelischen Glaubens, sodaß der Karfreitag für ihn ohnehin ein gesetzlicher Feiertag ist - eine Freizeit im Ausmaß von fünf Stunden gutgeschrieben. Infolge der Abhängigkeit von der Schichteinteilung sowie allfälliger Krankheiten oder einer sonstigen Freistellung von der Arbeit konnten diese fünf Stunden Freizeit jeweils erst nach dem Allerseelentag verbraucht werden. Im Betrieb der beklagten Partei können Urlaube auch stundenweise in Anspruch genommen werden. Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1981, BGBl. 1983/81, rechnet die beklagte Partei diese fünf Stunden in den genannten Fällen auf den Urlaub an. Der gesetzliche Urlaubsanspruch wird daher in diesen Fällen um diese Stundenanzahl gekürzt. Der Kläger hält sich während der Arbeitszeit trotz seiner Freistellung von der Arbeit im Betrieb auf.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, Freizeitgewährungen, die von irgendwelchen Bedingungen abhängig seien, könnten nicht als Urlaubsansprüche angesehen werden. Ein Urlaubsanspruch entstehe bedingungslos mit dem Beginn des Urlaubsjahres und die Dauer des Urlaubs sei ausschließlich von der Beschäftigungsdauer im Betrieb abhängig. Diese Voraussetzungen träfen auf den gegenständlichen Freizeitanspruch nicht zu. Da die Anrechnung im Sinne des Artikels VII leg.cit. einen - hier nicht gegebenen - Urlaubsanspruch voraussetze, habe die beklagte Partei die Anrechnung zu Unrecht vorgenommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteige. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Auffassung der Revisionswerberin, dem Klagebegehren fehle schon mangels Vorliegens eines rechtlichen Interesses die Grundlage, ist entgegenzuhalten, daß das Klagebegehren nicht auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses im Sinne des § 228 ZPO gerichtet ist, sondern auf Unterlassung und damit auf eine Leistung (negative Leistungsklage). Für eine solche Klage ist aber ein rechtliches Interesse nicht erforderlich. In beiden Fällen muß allerdings die Rechtsposition des Klägers durch ein Verhalten des Beklagten gefährdet sein. Wenn bereits Rechtsverletzungen durch Eingriffe des Beklagten erfolgt sind, dient die Unterlassungsklage der Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen (echte Unterlassungsklage); soll sie einer drohenden Rechtsverletzung durch den Beklagten begegnen, liegt eine vorbeugende Unterlassungsklage vor (Fasching, Lehrbuch, Rz 1069 f.).

Da die beklagte Partei den vom Kläger in Anspruch genommenen Freizeitanspruch auf den Urlaubsanspruch angerechnet hat und, wie sich aus ihrem Vorbringen und ihrer Rechtsauffassung ergibt, Wiederholungsgefahr in dem Sinn besteht, daß sie auch in Zukunft grundsätzlich eine solche Anrechnung vorzunehmen beabsichtigt, liegen nicht die Voraussetzungen einer Feststellungs-, sondern jene einer echten Unterlassungsklage vor. Die Gefährdung der Rechtsposition des Klägers liegt unabhängig davon vor, daß er gemäß dem § 117 ArbVG von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt ist. Denn wenn die mit der Klage bekämpfte Anrechnung des Freizeitanspruchs auf den Urlaubsanspruch des Klägers ungerechtfertigt ist, wurde auch sein Urlaubsanspruch rechtswidrig verkürzt und damit die Rechtsposition des Klägers in der Vergangenheit verletzt und in der Zukunft gefährdet. Die Ansicht der beklagten Partei, durch die Anrechnung der fünf Arbeitsstunden auf den Urlaubsanspruch werde in die Rechte des Klägers nicht eingegriffen, weil er ohnehin von der Arbeitsleistung freigestellt ist, muß daher unverständlich bleiben. Sie liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß einem freigestellten Betriebsratsmitglied ein Urlaubsanspruch nicht zustehe, weil infolge der Freistellung seine Arbeitspflicht ohnehin ruhe. Die beklagte Partei übersieht, daß der Urlaub für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auch das Ruhen seiner Betriebsratstätigkeit bewirkt.

In der Sache selbst hält die beklagte Partei an ihrer Auffassung fest, der strittige Anspruch auf Freizeit sei ein Urlaubsanspruch und daher gemäß dem Art. VII des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1983, BGBl. 1983/81, auf den Urlaubsanspruch anrechenbar. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach dieser Bestimmung ist ein das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigender Anspruch, der in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelvereinbarungen vorgesehen ist, auf die durch dieses Bundesgesetz vorgesehene Erhöhung des Urlaubsanspruchs anrechenbar, sofern der Anspruch nicht als Abgeltung für erschwerende Arbeitsbedingungen, besondere Gefährlichkeit der Arbeit oder wegen Behinderung gewährt wurde. Durch die Anrechnung darf jedoch der dem Arbeitnehmer bisher gebührende Urlaubsanspruch nicht verkürzt werden.

Die Anwendung dieser Bestimmung setzt, wie schon ihr Wortlaut erkennen läßt, einen das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigenden Urlaubsanspruch voraus (Cerny, Urlaubsrecht 4 , 29 ff.). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der strittige Anspruch auf zusätzliche Freizeitgewährung kein solcher Urlaubsanspruch ist. In beiden Fällen ruht zwar die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung einer Arbeitsleistung bei Fortdauer des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Während jedoch beim Urlaub der Erholungszweck im Sinne der Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Vordergrund steht, liegt der Freizeitgewährung hier zumindest in ihrer ursprünglichen Form der Gedanke zugrunde, den Arbeitnehmern die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen (im weitesten Sinn) zu ermöglichen. Der Urlaubsantritt ist unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers von den Partnern des Arbeitsvertrages zu vereinbaren (§ 4 Abs 1 UrlG), die hier strittige Freizeit wird hingegen von der beklagten Partei grundsätzlich am Allerseelentag (bzw. am Karfreitag) im Ausmaß von 5 (bzw. 3) Arbeitsstunden und ohne zeitlichen Zusammenhang mit dem Urlaub gewährt. Nur wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag aus betrieblichen Gründen arbeiten muß oder auf Urlaub ist, wird ihm der Freizeitanspruch im Interesse eines Ausgleichs mit den anderen Arbeitnehmern für später gutgeschrieben, und er kann die betreffenden Stunden ähnlich wie einen Urlaub verbrauchen. Wenn der Arbeitnehmer hingegen am Allerseelentag krank ist oder ohnehin arbeitsfrei hat, erwirbt er gar keinen Anspruch auf Freizeitgewährung. Die Bestimmungen des Urlaubsgesetzes kommen daher auf den Anspruch auf zusätzliche Freizeit nicht zur Anwendung. Daraus folgt, daß entgegen der Meinung der beklagten Partei der dem Klagebegehren zugrunde liegende Anspruch auf Freizeitgewährung kein Urlaubsanspruch ist, sodaß die Voraussetzungen für eine Anrechnung im Sinne des Art. VII leg.cit. nicht vorliegen. Damit erweist sich das auf Unterlassung einer solchen Anrechnung gerichtete Klagebegehren als berechtigt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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