Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.534,96 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 321,36 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger kündigten am 26.9.1984 das Hausbesorgerdienstverhältnis der Beklagten zum 31.12.1984 gerichtlich auf; sie begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die von ihr bewohnte, näher bezeichnete Hausbesorgerwohnung geräumt zu übergeben. Als Kündigungsgrund wurde geltend gemacht, die Beklagte habe die von ihr eingenommenen Geldbeträge aus der Ausgabe von Waschmünzen an die Hausparteien für sich behalten, obwohl sie verpflichtet gewesen sei, die Geldbeträge unverzüglich auf das Bankkonto der Hausverwaltung zu überweisen. Sie habe erst am 5.4.1984 von dem eingenommenen Betrag von S 22.666,50 nur einen Teilbetrag von S 21.545,50 überwiesen. Den nicht abgeführten Differenzbetrag habe sie unter Berufung auf eine Gegenverrechnung mit eigenen Forderungen, die aber von der Hausverwaltung nicht anerkannt worden seien, zurückbehalten.
Die Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Sie habe die Abrechnung weisungsgemäß mit der Hausverwaltung vorgenommen; ein Auftrag zur Vornahme einer Banküberweisung sei ihr nicht erteilt worden. Sie habe wiederholt bei der Hausverwaltung angerufen und um einen Termin zur Vornahme der Abrechnung gebeten. Sie sei aber immer wieder mit dem Hinweis vertröstet worden, daß dies derzeit nicht möglich sei. Die nicht sofort abgerechneten Geldbeträge habe sie auf ein Sparbuch gelegt. Am 5.4.1984 habe sie den in ihrem Besitz befindlichen Betrag nach einem vereinbarungsgemäßen Abzug eines von ihr für Reinigungsmaterial ausgelegten Betrages von S 1121,- abgeliefert. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und trug der Beklagten die Räumung der Hausbesorgerwohnung auf. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Die Beklagte hatte im Rahmen ihrer Hausbesorgertätigkeiten auch eine mit Münzen betriebene Waschanlage zu betreuen. Sie verkaufte die ihr von der Hausverwaltung übergebenen Münzen an die Mieter. Die Beklagte hatte im Jahr 1974, dem Beginn ihres Hausbesorgerdienstverhältnisses, mit Hermann N***, dem damaligen Angestellten des Hausverwalters, vereinbart, die Münzgelder in regelmäßigen Abständen abzurechnen und an die Hausverwaltung abzuliefern. Die Beklagte sprach zu diesem Zweck anfangs monatlich bei Hermann N*** vor. Bis zum Jahr 1981 nahm sie regelmäßig, mit Zustimmung der Hausverwaltung aber nicht mehr in Monatsabständen, diese Abrechnung in der Kanzlei der Hausverwaltung vor und lieferte die Münzgelder ab. Im Jänner 1981 überwies sie erstmals einen Geldbetrag von S 6.590,10 auf ein Konto des inzwischen selbständig gewordenen Hausverwalters Hermann N***. In weiterer Folge führte die Beklagte die aus dem Verkauf der Münzen eingenommenen Geldbeträge nicht mehr ab. In diesem Jahr wandte sie sich nicht an den Hausverwalter wegen eines Abrechnungstermines, und der Hausverwalter forderte die Beklagte auch nicht auf, die Münzgelder abzuliefern. In den Jahren 1982 und 1983 betrieb Hermann N*** gelegentlich telefonisch die Abrechnung. Die Beklagte hatte im Jahr 1981 die von ihr eingenommenen Münzgelder auf ein privates, mit Losungswort versehenes Sparbuch, das auch ihre eigenen Ersparnisse und die ihres Ehegatten enthielt, eingelegt. Sie nahm pro Jahr durchschnittlich S 6.000,- bis S 7.000,- aus dem Verkauf von Münzen ein. Bis zum Jahr 1984 hatte sie insgesamt ca. S 22.000,-
eingenommen und nicht abgeliefert. Infolge Abhebungen hatte das Sparbuch am 14.11.1983 nur einen Kontostand von S 443,46. Am 31.1.1984 erfolgte eine Einzahlung von S 32.849,81. In der Folge betrug das Guthaben ca S 34.000,--.
Mangels nachdrücklicher Terminabsprache mit der Hausverwaltung ist eine Abrechnung bis zum Jahresbeginn 1984 nicht erfolgt. Im Jahr 1984 nahm die Hausverwaltung mehrere dringende telefonische Urgenzen vor. Am 5.4.1984 überwies die Beklagte S 21.545,50 an die Hausverwaltung. Den Differenzbetrag auf die inzwischen eingenommenen S 22.666,50 in der Höhe von S 1.121,- verrechnete sie ohne Zustimmung der Hausverwaltung mit Benzinrechnungen aus den Jahren 1981 bis 1983. Obwohl diese Rechnungen in der Buchhaltung nicht mehr berücksichtigt werden konnten, tolerierte die Hausverwaltung diesen Abzug. Nachdem die Beklagte den vorerwähnten Betrag am 5.4.1984 an die Hausverwaltung überwiesen hatte, wurden die neu angefallenen Münzgelder bisher nicht an die Hausverwaltung überwiesen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Unterlassung der Abrechnung und der Ablieferung der Münzgelder durch fast drei Jahre und die "veruntreuungsähnliche Verwendung des Geldes für private Zwecke" rechtfertige die Kündigung aus dem Grunde des § 18 Abs 6 lit c HBG wegen Vertrauensunwürdigkeit.
Im Berufungsverfahren wies die Beklagte darauf hin, daß die am 26.9.1984 eingebrachte Kündigung im Hinblick auf die am 5.4.1984 erfolgte Überweisung der Geldbeträge verspätet sei. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 2.000,- übersteigt. Das Berufungsgericht führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:
In einem an den Rechtsvertreter der Beklagten gerichteten Schreiben vom 14.6.1984 warf der Klagevertreter der Beklagten die Unterlassung der Ablieferung der Münzgelder sowie deren verspätete und unvollständige Ablieferung vor; er erklärte, die Gegenforderung nicht anzuerkennen. Der Klagevertreter wies schließlich in diesem Schreiben darauf hin, daß seine Mandantin, die nunmehrige Erstklägerin, darin einen schweren Vertrauensbruch erblicke. Die Beklagte besaß ein auf den Namen ihrer mj. Tochter lautendes weiteres Sparbuch, das in der Zeit vom 25.1.1982 bis 13.1.1984 einen Stand von S 26.891,90 aufwies.
Das Berufungsgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes über den Eintritt der Vertrauensunwürdigkeit. Die Aufkündigung müsse aber letztlich erfolglos bleiben, weil sie erst nahezu 6 Monate nach der Überweisung der Geldbeträge und ca 3 1/2 Monate nach dem einer Verwarnung gleichkommenden Schreiben des Klagevertreters vom 14.6.1984 bei Gericht eingebracht worden sei. Die Beklagte habe nach diesem Zeitraum nicht mehr damit rechnen müssen, gekündigt zu werden. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und - nach dem Inhalt der Ausführungen - auch wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Revision der Kläger mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Kläger wenden sich in ihren Ausführungen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei verspätet eingebracht worden. Zu berücksichtigen sei, daß die Einwilligung von sechs Klägern, die während der Ferienmonate abwechselnd verreist gewesen seien, habe eingeholt werden müssen; in der Zeit zwischen dem 14.6.1984 und dem 26.9.1984 sei die Beklagte von der Hausverwaltung mehrmals auf die bevorstehende Aufkündigung aufmerksam gemacht worden. Das Berufungsgericht habe die Streitteile darüber im unklaren gelassen, daß es seine Entscheidung ausschließlich auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Kündigung gründen werde, hätte eine diesbezügliche Erörterung vornehmen müssen und habe keine Beweise darüber aufgenommen, ob die Beklagte in den Sommermonaten auf die bevorstehende Kündigung aufmerksam gemacht worden sei. Der damit geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Beklagte hatte in der Berufung ausgeführt, es sei unstatthaft, ein zeitlich so lange zurückliegendes Verhalten als Kündigungsgrund heranzuziehen; Vertrauensunwürdigkeit sei nicht eingetreten, weil die Kläger sonst sicherlich sofort eine Kündigung eingebracht hätten. Die Kläger haben in ihrer Berufungsbeantwortung dazu vorgebracht, die Beklagte sei durch das Schreiben vom 14.6.1984 auf den Vertrauensbruch durch die Unterlassung der Abrechnung der Münzgelder hingewiesen worden; es habe ihr daher bewußt sein müssen, daß die Kläger auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nicht verzichten. Im übrigen sei die sofortige Geltendmachung von Kündigungsgründen nicht erforderlich, sofern nur ein stillschweigender Verzicht nicht nachzuweisen sei; es könne auch ein zeitlich zurückliegendes Verhalten als Kündigungsgrund herangezogen werden.
Angesichts dieses beiderseitigen Parteienvorbringens hatte das Berufungsgericht keinen Anlaß, die Frage der Rechtzeitigkeit der Kündigung mit den Parteien noch weitergehend zu erörtern. Da die Kläger weder behauptet noch unter Beweis gestellt haben, daß die Beklagte in den Sommermonaten auf die bevorstehende Kündigung aufmerksam gemacht worden sei, hatte das Berufungsgericht auch keine Möglichkeit, Beweise darüber aufzunehmen. Das in der Revision dazu sowie zu den sonstigen Schwierigkeiten, die sich angeblich einer sofortigen Einbringung der Aufkündigung entgegenstellten, erstattete Vorbringen verstößt vielmehr gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO und muß daher unbeachtet bleiben.
Ebensowenig berechtigt ist die Rechtsrüge. Dem Berufungsgericht ist darin beizustimmen, daß die Aufkündigung verspätet eingebracht wurde. Wenn auch die Einbringung der Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses und die darin vorzunehmende Geltendmachung eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 18 Abs 6 HBG im Gesetz an keine Frist gebunden ist, muß in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen für die an das Vorliegen von Auflösungsgründen gebundene Beendigung von Dauerschuldverhältnissen verlangt werden, daß der Auflösende nicht wider Treu und Glauben mit der Auflösungserklärung so lange zuwartet, daß der Erklärungsempfänger aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Auflösenden auf die Geltendmachung der Auflösungsgründe schließen könnte. Der Arbeitnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, darf nicht ungebührlich lang über sein vertragsrechtliches Schicksal im unklaren gelassen werden. Ob eine Auflösung rechtzeitig vorgenommen wurde, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers rechtfertigt besonders dann nicht die Annahme eines Verzichts, wenn das Zögern des Arbeitgebers in der Sachlage begründet war und die Kündigung ohne unnötigen, dh. sachlich nicht gerechtfertigten Aufschub ausgesprochen wurde (JBl.1981, 161; Arb.10.140, jeweils mwH).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist nicht nur die zeitliche Dauer zwischen der Überweisung der Münzgelder an die Hausverwaltung und der Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung in Betracht zu ziehen, sondern auch das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Vertreters der Erstklägerin vom 14.6.1984. Mochte auch dieses Schreiben nicht eindeutig nur den Charakter einer Verwarnung gehabt haben, so konnte die Beklagte doch mangels irgendeines Hinweises auf Konsequenzen annehmen, die Hauseigentümer würden auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes verzichten. Der Hinweis auf den "schweren Vertrauensbruch" vermag daran nichts zu ändern, konnte er doch in den Augen der Beklagten lediglich dazu dienen, ihr die Verfehlung vorzuhalten. Hätten die Kläger eine Aufkündigung ins Auge gefaßt, wäre es vor allem auch im Hinblick darauf, daß zwischen der Überweisung des aushaftenden Geldbetrages und diesem Schreiben bereits rund 2 1/2 Monate vergangen waren, zumindest notwendig gewesen, auf Konsequenzen oder auf die der sofortigen Einbringung einer Aufkündigung allenfalls entgegenstehenden Hindernisse hinzuweisen. Die auch danach noch ohne sachlich gerechtfertigten Grund erst nahezu weitere dreieinhalb Monate und damit fast ein halbes Jahr nach der Überweisung der Münzgelder eingebrachte Aufkündigung ist verspätet, weil die Beklagte aus all diesen Umständen auf einen Verzicht der Kläger im dargelegten Sinn schließen durfte.
Auf die Tatbestandsmäßigkeit des geltend gemachten Kündigungsgrundes ist bei dieser Sach- und Rechtslage nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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