OGH 10Os55/86

OGH10Os55/863.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch sowie Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Mustan M*** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Mustan M*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wiener Neustadt vom 4.März 1986, GZ 10 Vr 1468/85-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr.Stöger als Vertreters der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr.Stern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Mustan M***, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden (und auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Mustan M*** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 9.Oktober 1985 in St. Egyden am Steinfeld dem Kazim D*** mit Gewalt (gegen dessen Person), und zwar dadurch, daß er ihn am Pullover festhielt und ihm einen Schlag ins Gesicht versetzte, sowie durch die Äußerung "Das Geld, oder willst zu sterben?", also durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich 10.080 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 345 Abs 1 Z 6 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Verstöße gegen § 314 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin (Z 6), daß das Schwurgericht den Geschwornen keine Eventualfragen nach Diebstahl und nach Erpressung vorlegte.

Für eine Beurteilung seines Tatverhaltens als - nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB qualifizierter - Diebstahl (§ 127 Abs 1 StGB), sohin als gewaltlose Sachwegnahme gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers, hätten jedoch die in der Beschwerde relevierten Passagen aus der Verantwortung des - unter einem wegen Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 Abs 1 StGB) und wegen Hehlerei (§ 164 Abs 1 Z 2, Abs 3 StGB) rechtskräftig abgeurteilten - Mitangeklagten Ö*** (S 240 f.) selbst dann, wenn die damit vorgebrachten Tatsachen als erwiesen angenommen worden wären, keine Grundlage zu bieten vermocht.

Denn dessen Gesamtdarstellung über den Tathergang (vgl. zudem S 243 bis 251, 253) - wonach der Beschwerdeführer vom Lenkersitz seines PKWs aus dem neben ihm gesessenen D*** nach einem Streit über die Reparaturkosten des Fahrzeugs, welches angeblich soeben einen Bremsdefekt erlitten hatte, vorerst einen Schlag ins Gesicht versetzte und sodann das von jenem in der Brusttasche seines Hemdes verwahrt gewesenen Bargeld an sich nahm, worauf ihm der Genannte aus eigenem sein gesamtes restliches Bargeld, welches er eingesteckt hatte, aufdrängte - ließ nach ihrem Sinngehalt nur entweder die eine Deutung zu, daß schon die einleitende Gewaltausübung der Einschüchterung des Tatopfers diente, um es zur Duldung der darauffolgenden Geldwegnahme zu nötigen, worauf D*** unter dem Eindruck dieser Gewalt auch sein restliches Geld herausgab, oder aber die andere, daß der Beschwerdeführer den Gewahrsam am gesamten Bargeld von D*** ohne Zusammenhang mit der vorausgegangenen Tätlichkeit einverständlich übernahm. Dahin indessen, daß er das Geld aus der Brusttasche des D*** (und nur dieses) zwar gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers, jedoch ohne dessen vorherige gezielte Einschüchterung durch die beschriebene Gewalttätigkeit an sich gebracht hätte, konnte die Verantwortung des Mitangeklagten Ö***, in ihrem maßgebenden inneren Zusammenhang gesehen, sinnvollerweise unzweifelhaft nicht verstanden werden.

Die Notwendigkeit einer Eventualfrage nach Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) hinwieder versucht der Beschwerdeführer damit darzutun, daß er jenen Teil des Wahrspruchs (gemeint wohl: die jenem Teil des Wahrspruchs zugrundeliegenden - hier nicht angeführten - Verfahrensergebnisse), wonach er das Tatopfer im PKW festhielt, schlug und bedrohte, mit seiner leugnenden Verantwortung kombiniert, derzufolge D*** das Geld erst nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug aus freiem Entschluß in dieses hineingeworfen habe, woraus er das Fehlen einer durch Gewalt und Bedrohung erzwungenen sofortigen Übertragung des Gewahrsams an dem abgenötigten Geld auf ihn ableiten möchte. Auch dieses Bemühen versagt.

Eventual- oder Zusatzfragen können nämlich zwar gewiß auch durch verschiedene Verfahrensergebnisse indiziert werden, die in ihrem Zusammenwirken auf ein Tatgeschehen hinweisen, welches als Gegenstand einer derartigen Fragestellung in Betracht kommt, doch muß dabei jedes der mehreren Tatsachenvorbringen in seinem inneren Sinnzusammenhang verstanden werden: ist so gesehen nach jedem einzelnen der betreffenden Verfahrensergebnisse für sich die jeweils in Rede stehende Fragestellung nicht indiziert, dann kann deren Notwendigkeit regelmäßig auch nicht durch eine Zusammensetzung einzelner aus dem Zusammenhang gerissener Teile davon abgeleitet werden. Besondere Umstände aber, auf Grund deren gerade im vorliegenden Fall jene Beweismittel, wonach der Beschwerdeführer dem Tatopfer dessen Bargeld im PKW mit Gewalt und durch Drohung gegen dessen Person wegnahm, im Zusammenwirken mit seiner leugnenden Verantwortung, wonach D*** das Geld nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug aus freiem Entschluß in dieses hineinwarf, doch auf eine (keiner dieser Darstellungen entsprechende und auch sonst durch das Beweisverfahren in keiner Weise indizierte) dritte Version hinweisen könnten, derzufolge der Beschwerdeführer den Genannten im PKW zur künftigen Herausgabe von Bargeld genötigt hätte und jener diesem Verlangen nach dem Aussteigen nachgekommen wäre, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Gleiches gilt für die Frage nach der Bedeutung, die dem darin hervorgehobenen "Milieu, in dem sich der Vorfall abspielte", für die hier aktuelle Problemstellung zukommen sollte; insoweit ist die Verfahrensrüge demnach einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Verfehlt schließlich ist die mit der Rechtsrüge (Z 12) vertretene Beschwerdeauffassung, daß schon der im Wahrspruch der Geschwornen konstatierte Sachverhalt rechtsrichtig als Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) zu beurteilen sei: ist doch angesichts der im Verdikt enthaltenen Feststellung, daß der Beschwerdeführer dem Tatopfer das Geld "weggenommen" hat, für die Annahme des Fehlens eines durch die Tat erzwungenen sofortigen Übergangs des präsenten Tatobjekts in die Verfügungsmacht des Täters kein Raum. Daß die Geschwornen eine tätliche Beteiligung des Mitangeklagten Ö*** an der Tat (im Weg einer einschränkenden Beifügung bei der Bejahung der auch dessen Mittäterschaft betreffenden Hauptfrage I) nicht als erwiesen annahmen, ändert daran nichts; der Anlaß des Streites aber und das "gesellschaftliche Milieu, in dem sich der ganze Vorfall abspielte", müssen bei der rechtlichen Beurteilung des dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Tatverhaltens schon deswegen außer Betracht bleiben, weil sie im Wahrspruch der Geschwornen als allein maßgebender Sachverhaltsbasis keinen Niederschlag finden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es keinen Umstand als mildernd, seine einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall dagegen als erschwerend.

Auch der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Selbst dann, wenn er tatsächlich durch einen Defekt an seinem PKW bei einer im Interesse des Tatopfers unternommenen Fahrt einen Schaden erlitten hätte und durch die Reparaturkosten wirtschaftlich erheblich belastet worden sein sollte, könnten darin keine Umstände erblickt werden, die seine Tat in einem milderen Licht erscheinen ließen. Gleiches gilt für sein von einer "Zurückziehung der Anzeige" abhängig gemachtes (S 231) - und deswegen nicht angenommenes - (bloßes) Anbot einer Schadensgutmachung.

Die gewiß nicht allzu große, innerhalb der Bandbreite des Raubes aber auch nicht geradezu im Grenzbereich der Tatbestandsmäßigkeit gelegene Intensität der vom Berufungswerber zu verantwortenden Gewalt und Drohung dagegen hat das Geschwornengericht ebenso wie seine Vorstrafen wegen Gewalttätigkeits- und Vermögensdelikten bei der Strafbemessung durchaus angemessen berücksichtigt. Nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) ist die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bei einem bis zu zehn Jahren reichenden Rahmen mit einer Dauer von drei Jahren nicht zu hoch ausgemessen worden.

Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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