OGH 14Ob24/86

OGH14Ob24/8627.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Riedler sowie die Beisitzer Dr. Elmar Peterlunger und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F***, Pensionist in Neukirchen an der Vöckla, Windbichl 8, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wider die beklagte Partei R*** Ö*** - Ö*** B***, Generaldirektion

in Wien 1., Elisabethstraße 9, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 33.127,20 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 4.Oktober 1985, GZ 21 Cg 31/85-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Vöcklabruck vom 20.März 1985, GZ Cr 74/83-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.572,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Bezahlung eines Betrages von S 33.127,20 sA und weiters die Feststellung, daß sein Pensionsanspruch ausgehend von einer ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit von 37 (statt 27) Jahren zu berechnen sei. Bei richtiger Anwendung des § 9 Abs.1 Bundesbahnpensionsordnung 1966 sei nämlich wegen seiner Erwerbsunfähigkeit zur ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit ein Zeitraum von 10 Jahren zuzurechnen gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß dem Kläger trotz des im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung vorhandenen Zustandes recidivierender Lumbo-Ischialgie bei deformierenden Veränderungen der Lendenwirbelsäule leichte bis mittelschwere Arbeiten jeglicher Art, die nicht mit dem Heben schwerer Lasten verbunden waren, zugemutet werden konnten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 18.7.1955 bis 31.10.1981, davon in der Zeit von 1966 bis 31.7.1980 als Stellwerksmeister und zuletzt als Gleisfreimelder, beschäftigt. Erlernt hatte er den Beruf eines Feilenhauers. Mit Ablauf des 31.10.1981 wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt, wobei eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von 27 Jahren zuerkannt und der Bemessung der Pension zugrundegelegt wurde. Bereits im Zeitpunkt seiner Pensionierung im Oktober 1981 litt der Kläger an Abnützungserscheinungen der ganzen Wirbelsäule - etwas stärker an der Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelschmerzen ohne neurologische Ausfälle - mit endlagiger Bewegungseinschränkung der Hals- und Brustwirbelsäule, an Abnützungserscheinungen an den großen Gelenken ohne Funktionsbehinderung oder Reizzustand sowie an Senk- und Spreizfüßen mit Varizen ohne Anhaltspunkt für stärkere Durchblutungsstörungen oder Reizzustand bei Übergewicht. Der Kläger war auf Grund dieser Veränderungen imstande, alle leichten, fallweise mittelschweren Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen bei den üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Auszuschließen waren Arbeiten, die mit häufiger Erkältung und Durchnässung einhergehen, Arbeiten in überwiegend gebückter Haltung sowie Arbeiten, die mit dem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verbunden sind. Das Betätigen schwerer Hebel war ihm nicht mehr zumutbar.Eine Einschränkung im Anmarschweg bestand nicht; ein öffentliches Verkehrsmittel konnte benützt werden. Eine wesentliche Veränderung, insbesondere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers ist seit Oktober 1981 nicht eingetreten. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht besteht beim Kläger eine Lumbo-Ischialgie beidseitig mit Ausdruckshader und angedeutetem Verstimmungszustand. Es liegt eine nicht unbeträchtliche Spondylarthrosis deformans der Lendenwirbelsäule vor, wobei in Höhe L 3 - S 5 erhebliche degenerative Bandscheibenveränderungen erkennbar sind. Der Kläger leidet auch an einer mäßig rechtskonvexen Rotationsskoliose der Lendenwirbelsäule. Obwohl eine gewisse psychogene Überlagerung der Beschwerden vorliegt, sodaß die körperlichen Schmerzen - diese äußern sich als Kreuzschmerzen, die seitlich auch in den Rücken sowie in beide Oberschenkel bis in die Kniegelenke ausstrahlen - intensiver empfunden werden, als es den Ausfallserscheinungen entspricht, ist der Kläger auch aus neurologisch-psychiatrischer Sicht für Arbeiten geeignet, die vorwiegend in nichtgebückter Haltung zu verrichten sind, kein Heben von Lasten von 10 kg erfordern und keine psychische Beanspruchung verursachen. Obwohl der Kläger geeignet ist, beispielsweise als Portier, Lagerverwalter, Maschineneinsteller u.dgl. oder im Wachdienst zu arbeiten, lehnt er grundsätzlich jede Arbeitsaufnahme ab. Lediglich vom 11.8.1982 bis 30.9.1982 war er bei seinem früheren Dienstgeber I. B***'s SÖHNE in Vöcklabruck als Feilenhauer tätig. Seither arbeitet er nur zu Hause in seiner kleinen Landwirtschaft, bestehend aus 2,5 Joch Grund, Obstgarten, 6 Schafen, 2 Kühen und 1 Kalb. Von dieser Arbeit hat er Schwielen an den Innenflächen seiner Hände.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Begünstigung im Sinne des § 9 Abs.1 lit.c BBPO 1966, weil dem Kläger im Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Bücken und Heben schwerer Lasten sowohl sitzend als auch stehend zuzumuten gewesen seien und die dargestellten Tätigkeiten auf dem lokalen Arbeitsmarkt vorhanden seien.

Das Berufungsgericht führte gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG die Verhandlung neu durch, bestätigte das erstgerichtliche Urteil und legte seiner Entscheidung ergänzend zu den Festsstellungen des Erstgerichtes folgende Feststellungen zugrunde: Die Versetzung des Klägers in den dauernden Ruhestand mit Bescheid der Bundesbahndirektion Linz vom 22.9.1981 erwuchs in Rechtskraft. Der Kläger zeigte einen Arbeitswillen nur für eine Tätigkeit im Rahmen der ÖBB. Jede andere Arbeitsaufnahme lehnt er grundsätzlich ab, weil er durch die Ruhensbestimmungen ab 1985 seine soziale Lage nicht verbessern könnte. Er fühlt sich für den Bahndienst, insbesondere in einem modernen Stellwerk, durchaus befähigt. Am lokalen Arbeitsmarkt bieten sich für den Kläger unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde und seines sozialen Status folgende Tätigkeiten beispielsweise an: Portier, Wachdienst, Materialausgeber, Lagerverwalter, Aufsichtsorgan, Werkzeugausgeber, Werkzeugverwalter, Werkzeugschleifer, Maschinenschlosser (bedingt), Fräser, Automateneinrichter, Maschineneinsteller. Die letzten Tätigkeiten würde sogar die Firma B***'S SÖHNE anbieten. Alle diese Tätigkeiten entsprechen den Eignungsvoraussetzungen des Klägers. In rechtlicher Hinsicht verneinte auch das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Begünstigung gemäß § 9 BBPO 1966. Es treffe nicht zu, daß der Kläger im Zeitpunkt seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand unfähig gewesen wäre, einem zumutbaren Erwerb nachzugehen. Er hätte zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten können. Dem Kläger hätten sich auf dem lokalen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes und des sozialen Status eine Reihe von Tätigkeiten angeboten, so daß nicht davon gesprochen werden könne, er sei infolge einer schweren Krankheit zu einem zumutbaren Erwerb unfähig gewesen. Das beim Kläger festgestellte Leiden sei daher als eine solche Krankheit zu beurteilen, die jedenfalls noch einen zumutbaren Erwerb ermögliche. Gegenstand dieses Verfahrens sei lediglich die Prüfung der Voraussetzungen für die Begünstigung nach dem § 9 Abs.1 lit.c BBPO 1966. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zeigt der Kläger in Wahrheit keine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 503 Abs.1 Z 2 ZPO auf, sondern bekämpft ausschließlich die Feststellungen des Berufungsgerichtes. Eine solche Bekämpfung ist aber auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren unzulässig.

Soweit der Kläger im Rahmen des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Feststellung des Berufungsgerichtes, er habe zum Zeitpunkt seiner Pensionierung ohne weiteres leichte bis mittelschwere Arbeiten - wenngleich ohne Bücken und Heben schwerer Lasten - verrichten können, als unlogisch bekämpft, weil allgemein bekannt sei, daß zB die Tätigkeit eines Materialausgebers, Lagerverwalters, Werkzeugherausgebers, Werkzeugschleifers oder Maschinenschlossers unweigerlich mit Bücken oder mit Heben schwerer Lasten verbunden sei, - womit er anscheinend die Beweiswürdigung wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze bekämpfen will - kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist nämlich keineswegs logisch unmöglich, die festgestellten Tätigkeiten als leichte bis mittelschwere Arbeiten einzustufen. Von einer denkgesetzwidrigen Beweiswürdigung kann demnach keine Rede sein (vgl. Fasching Komm IV 329).Es ist daher von der Feststellung des Berufungsgerichtes auszugehen, wonach die von ihm aufgezählten Tätigkeiten den Eignungsvoraussetzungen des Klägers entsprechen. Auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Erich A. Lehner ist dies dahin zu verstehen, daß diese Tätigkeiten nur leichte bis (fallweise) mittelschwere Arbeiten verlangen.

Der Kläger rügt weiters, die Vorinstanzen hätten sich zu wenig mit der Frage befaßt, von welchen Kriterien die Zumutbarkeit eines Erwerbes abhänge. Die Tätigkeit eines Portiers oder Wachmannes besitze sicher nicht den gleichen sozialen Stellenwert wie die frühere Tätigkeit des Klägers bei der beklagten Partei, und es sei anzunehmen, daß der Kläger nur als angelernte Hilfskraft eingestellt und dadurch entsprechend schlecht bezahlt würde; auch würde wohl kaum eine Firma eine Arbeitskraft einstellen, die auf Grund eines schweren körperlichen Leidens in den dauernden Ruhestand versetzt worden sei.

Die Ausführungen des Klägers über die geringen Chancen einer Einstellung und die schlechte erzielbare Bezahlung stellen unzulässige Neuerungen bzw. ein Abweichen vom festgestellten Sachverhalt dar, wonach bestimmte Tätigkeiten am lokalen Arbeitsmarkt vorhanden sind. Das gleiche gilt von der Ausführung, daß schon die Versetzung in den Ruhestand einen zumutbaren Erwerb ausschließe, weil die beklagte Partei sonst wohl mit einer Versetzung in den zeitlichen Ruhestand vorgegangen wäre. Insoweit liegt daher keine gesetzmäßige Rechtsrüge vor, so daß diese Ausführungen unbeachtet bleiben müssen.

Beide Parteien gehen in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon aus, daß als alleiniger Rechtsgrund für das Begehren des Klägers die Bestimmung des § 9 Abs.1 Bundesbahnpensionsordnung 1966, BGBl. 313 - zum Wesen derselben vgl. ArbSlg.8.580 und 10.352 - in Frage kommt. Nach dieser Bestimmung ist dem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden infolge a) Blindheit oder praktischer Blindheit, b) Geisteskrankheit oder c) einer anderen schweren Krankheit zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, zu seiner ruhegenußfähigen Beamtendienstzeit ein Zeitraum von 10 Jahren zuzurechnen. Auch wenn man die vom Kläger ins Treffen geführte soziale Stellung als ein Kriterium für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Erwerbes im Sinne des § 9 Abs.1 BBPO 1966 ansehen wollte, ist für den Kläger nichts zu gewinnen. Sein Versuch, die soziale Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit mit dem Hinweis auf die seiner Meinung nach ungleiche Stellung eines Portiers oder eines Wachmannes gegenüber seiner Stellung bei der beklagten Partei (zuletzt Gleisfreimelder) zu verneinen, muß schon daran scheitern, daß er lediglich zwei der ihm aus Gesundheitsgründen zumutbaren Beschäftigungsarten herausgreift, aber nicht einmal selbst eine Unzumutbarkeit der übrigen Beschäftigungsarten unter dem Gesichtspunkt der sozialen Geltung behauptet. Dazu kommt, daß nicht gesagt werden kann, die Tätigkeit eines Portiers oder Wachmannes käme in ihrer sozialen Geltung der Tätigkeit eines Gleisfreimelders nicht (wenigstens annähernd) gleich.

Die Vorinstanzen haben somit auf Grund des festgestellten Sachverhaltes zu Recht die Voraussetzung für eine Hinzurechnung von 10 weiteren Dienstjahren gemäß § 9 Abs.1 BBPO 1966 abgelehnt, weil dem Kläger im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung trotz seiner Krankheiten eine Reihe von Tätigkeiten zuzumuten waren, die auch in ihrer sozialen Geltung der bisherigen Tätigkeit des Klägers wenigstens annähernd gleichkamen. Da nach den Feststellungen solche Tätigkeiten auch zur Verfügung stehen (das gegenteilige Vorbringen in der Revision ist auch als unzulässige Neuerung unbeachtlich), brauchte nicht beurteilt werden, ob das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs.1 BBPO 1966 erst dann zu verneinen wäre, wenn ein Arbeitsplatz mit einer zumutbaren Tätigkeit tatsächlich vorhanden ist, oder schon dann, wenn zwar der Beamte zu einem zumutbaren Erwerb noch fähig ist, ein entsprechender Arbeitsplatz aber nicht zur Verfügung steht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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