OGH 6Ob577/86

OGH6Ob577/8622.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl Peter D***, Hotelier,

Grünbergstraße 11, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** W***, Falkestraße 3, 1010 Wien, vertreten durch

Dr. Walter Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 61.000,-), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15. November 1985, GZ 15 R 102/85-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Februar 1985, GZ 54 Cg 263/84-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.597,35 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer und S 1.200,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die Feststellung, er sei bei der Hauptversammlung der Bezirksgruppe Wien-Meidling der beklagten Partei am 2.5.1984 zum Bezirksgruppenobmann gewählt worden. Er brachte vor, er sei ordentliches Mitglied der beklagten Partei. Diese weigere sich, seine Wahl zu der genannten Funktion anzuerkennen.

Die beklagte Partei, die auch Einwendungen in der Sache selbst vorbrachte, erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, weil das Schiedsgericht zuständig sei.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es führte aus, nach § 41 der Satzungen der beklagten Partei entscheide über Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis ein Schiedsgericht; jeder der Streitteile nominiere einen Schiedsrichter. Das hätten der Kläger mit Schreiben vom 15.5.1984 und die beklagte Partei mit Schreiben vom 10.9.1984 auch getan. Das in den Vereinsstatuten festgelegte Vereinsschiedsgericht entscheide über Streitigkeiten, die das Vereinsleben selbst beträfen, somit vor allem auch über Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern und der Vereinsleitung über Vereinspflichten und deren Entsprechung. Nur vermögensrechtliche Streitigkeiten gehörten vor die ordentlichen Gerichte. Da hier ein vereinsrechtlicher Streit ausgetragen werde und außerdem durch die Korrespondenz über die Nominierung von Schiedsrichtern ein Schiedsvertrag zwischen den Parteien zustandegekommen sei, habe die Klage zurückgewiesen werden müssen.

Das Rekursgericht wies die Unzuständigkeitseinrede in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zurück und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige. Es vertrat die Auffassung, es sei zunächst zu prüfen, ob das in den Satzungen der beklagten Partei vorgesehene Schiedsgericht gemäß § 599 Abs 2 ZPO nicht den Regeln der §§ 577 ff. ZPO unterworfen und ein auf § 4 Abs 2 lit g VereinsG 1951 beruhendes Schiedsgericht zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis berufen sei. Die beklagte Partei sei ein Verein und damit eine juristische Person des privaten Rechtes. Das dem öffentlichen Recht zugehörige Vereinsrecht des Vereinsgesetzes 1951 habe sich auf die Staatsaufsicht bei Gründung, Tätigkeit und Auflösung des Vereines zu beschränken. Die Rechtsbeziehungen zwischen Verein und Vereinsmitgliedern seien darin nicht geregelt; sie seien privatrechtlicher Natur. Soweit der Verein Entscheidungen und Verfügungen, die die Mitglieder berührten, treffe, geschehe dies nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, sondern im Rahmen des durch Statut und Beitrittserklärung begründeten Privatrechtsverhältnisses zwischen Verein und Mitgliedern. Griffen die Entscheidungen und Verfügungen des Vereines in die Privatrechte der Mitglieder ein, unterlägen sie der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte dahin, ob sie in formeller und materieller Hinsicht den Statuten und dem zwingenden Recht entsprächen. Das gelte auch für Entscheidungen und Verfügungen der bereits erwähnten Vereinsschiedsgerichte im Sinne des § 4 Abs 2 lit g VereinsG 1951.

§ 599 Abs 2 ZPO besage nur, daß die Spezialnormen der §§ 577 ff. ZPO auf Vereinsschiedsgerichte nicht anzuwenden seien. Da die genannten Bestimmungen eine Beschränkung beziehungsweise einen partiellen Ausschluß der gerichtlichen Rechtsverfolgung vorsähen, sei diese Beschränkung durch § 599 Abs 2 ZPO weggefallen. Somit sei ein in den Statuten festgelegtes Vereinsschiedsgericht kein Hindernis für die Anrufung der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis. Zu den die Privatrechtssphäre berührenden und damit nicht bloß vereinsinternen Streitigkeiten, über die das ordentliche Gericht entscheide, gehöre nach der Rechtsprechung auch die Überprüfung von Wahlen. Nichts anderes gälte, wenn der beklagte Verein als politische Partei beurteilt werde. Die jüngere Rechtsprechung fordere jedoch die Ausschöpfung des vereinsinternen Rechtszuges. Dieser Auffassung könne sich das Rekursgericht nicht anschließen, weil sie letztlich zur Folge habe, daß damit dem Verein gegenüber ein Rechtsschutzverzicht abgegeben werde. Dieser sei selbst dann abzulehnen, wenn er bloß bedingt oder befristet sei. Zu prüfen bleibe noch, ob nicht doch die Zustimmung eines nach § 577 Abs 3 ZPO begründeten Schiedsgerichtes, das dann nicht nach § 599 Abs 2 ZPO zu beurteilen wäre, zu bejahen sei. Die Formvorschrift des § 577 Abs 3 ZPO diene dem Schutz vor übereiltem Vertragsabschluß und setze übereinstimmende, schriftlich zustandegekommene Willenserklärungen der Parteien voraus, wobei die Bezugnahme auf andere, die Schiedsklausel enthaltende Urkunden nur genüge, wenn diese unmittelbar der unterfertigten Vertragsurkunde angeschlossen seien. Diese Voraussetzungen träfen offensichtlich nicht zu. Das Erstgericht berufe sich jedoch auf die Neufassung des § 577 Abs 3 ZPO durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983, wonach es ausreiche, wenn der Schiedsvertrag in Telegrammen oder Fernschreiben enthalten sei, die die Parteien gewechselt hätten. Der Kläger habe bei Nominierung seines Schiedsrichters nicht gleichzeitig den Rechtsfolgewillen zum Ausdruck gebracht, einen (in diesem Schreiben gar nicht enthaltenen) Schiedsvertrag abzuschließen, sondern lediglich den Standpunkt vertreten, ein solcher sei wirklich abgeschlossen. Ein schlüssiger Rechtsfolgewillen wäre im Zweifel überdies nicht anzunehmen, weil bei der Beurteilung von Handlungen auf ihre konkludente Aussage größte Vorsicht geboten sei, da sonst die Gefahr bestehe, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt würden, die nicht in seinem Sinne lägen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Daß das im § 41 der Satzungen der beklagten Partei in Entsprechung des § 4 Abs 2 lit g VereinsG 1951 vorgesehene Schiedsgericht, das statutengemäß zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis berufen ist, als Vereinsschiedsgericht im Sinne des § 599 Abs 2 ZPO, auf das die Bestimmungen der §§ 577 bis 599 Abs 1 ZPO nicht anzuwenden sind, zu beurteilen ist, hat das Gericht zweiter Instanz unter Berufung auf Lehre und Rechtsprechung

(insbes. SZ 51/154 = JBl. 1981, 212

(zust. Bydlinski) = EvBl 1979/85, S. 269; zuletzt wieder

6 Ob 647/85; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 2239; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 876 mwN) ebenso richtig erkannt, wie die Zurechnung der Überprüfung von Vereinswahlen zu den die Privatrechtssphäre berührenden Streitigkeiten (vgl. auch Fessler-Kölbl, Vereinsrecht 5 80 f.). Beizupflichten ist dem Rekursgericht auch darin, daß die Rechtslage nicht anders zu beurteilen wäre, wenn der beklagte Verein als politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes angesehen werden würde (SZ 51/154). Dieses Ergebnis bezweifelt die beklagte Partei im Revisionsrekurs letztlich auch nicht, beruft sich allerdings auf die (vom Rekursgericht unter Hinweis auf das Schrifttum abgelehnte) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß vor Anrufung der ordentlichen Gerichte der statutarische Instanzenzug ausgeschöpft sein müsse (SZ 51/154; EvBl 1975/266; SZ 42/163 u.a.). Auf diese Frage braucht jedoch im Verfahren über die Unzuständigkeitseinrede nicht eingegangen zu werden, weil es sich dabei um eine Einwendung aus den dem Privatrecht zuzurechnenden Rechtsbeziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern handelt, die erst mit der Entscheidung über die Sache selbst zu erledigen ist (vgl. etwa SZ 42/163).

Die beklagte Partei wendet sich auch gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, durch den Wechsel von Schreiben, mit welchen die Streitteile Schiedsrichter nominierten, sei kein schriftlicher Schiedsvertrag zustandegekommen, dessen Wirksamkeit nach § 577 Abs 3 ZPO zu beurteilen sei. Daß den beiden Schreiben vom 15.5.1984 und 10.9.1984 die ausdrücklichen, auf das Zustandekommen eines Schiedsvertrages gerichteten Willenserklärungen nicht entnommen werden können, kann auch die beklagte Partei nicht in Zweifel ziehen. Die Nominierung der Schiedsrichter beruht ganz offensichtlich auf der von beiden Seiten vertretenen Auffassung, daß die Streitigkeit (zunächst) vor dem in den Satzungen vorgesehenen (Vereins-)Schiedsgericht auszutragen sei. Eine neue Schiedsgerichtsbarkeit - und zwar diesmal die Kompetenz eines nicht nach § 599 Abs 2 ZPO zu beurteilenden Schiedsgerichtes - kann den beiden Erklärungen nicht einmal schlüssig entnommen werden; das Gericht zweiter Instanz hat somit zutreffend erkannt, daß der von der beklagten Partei behauptete Rechtsfolgewille, nunmehr einen Schiedsvertrag im Sinne des § 577 Abs 3 ZPO abzuschließen, in den beiden Urkunden nicht zum Ausdruck gebracht wurde.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Auch in jenen Beschlüssen, durch die eine bestimmte Streitfrage unabhängig vom Ausgang der Hauptsache endgültig erledigt wird, ist über die Kosten zu entscheiden. Darunter fallen Beschlüsse, mit welchen über die Unzuständigkeitseinrede entschieden wurde (Fasching, Komm. II 362). Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ausschließlich die von der beklagten Partei erhobene Prozeßeinrede der sachlichen Unzuständigkeit.

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