OGH 6Ob560/86

OGH6Ob560/8615.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 11. Mai 1985 gestorbenen Margarethe U***, Pensionistin, zuletzt wohnhaft in Wien 22., Telefonweg 370, infolge Rekurses des Sohnes der Erblasserin Ing. Martin U***, technischer Angestellter, Deutsch-Wagram, Grundemannstraße 21, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 27. November 1985, GZ 44 R 214/85-12, womit der Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 9. August 1985, GZ 4 A 176/85-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird stattgegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, über den gegen den erstinstanzlichen Beschluß vom 9. August 1985 erhobenen Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Text

Begründung

Die Erblasserin starb am 11. Mai 1985. Nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme war sie Witwe und wurde von zwei volljährigen Söhnen überlebt. Eine letztwillige Verfügung ist nicht aktenkundig. Nach den Angaben des jüngeren Sohnes zur Todfallsaufnahme besteht der Nachlaß lediglich aus wertlosen Kleidungs- und Wäschestücken sowie sonstigen wertlosen Effekten, aus einem Girokontoguthaben von 396,31 S, aus zwei Schmuckstücken im Gesamtwert von 100 S und dem Anspruch auf Sterbegeld gegen den Wiener Verein in der Höhe von

11.458 S; dagegen gab der jüngere Sohn an, auf die Begräbniskosten von insgesamt 17.410 S einen Teilbetrag von 11.410 S bezahlt zu haben. Anläßlich der Todfallsaufnahme vom 15. Juli 1985 beantragte der jüngere Sohn, ihm die Nachlaßaktiven nach Abzug der Verfahrenskosten an Zahlungs Statt zu überlassen.

Das Abhandlungsgericht hat mit dem Beschluß vom 9. August 1985 den aus dem Anspruch gegen den Wiener Verein auf Sterbegeld, dem Girokontenguthaben, den zwei Schmuckstücken und den im Krankenhaus aufbewahrten und sonstigen Effekten im ausgewiesenen Gesamtwert von 11.954,31 S bestehenden Nachlaß unter Bedachtnahme auf die mit 557,70 S bestimmten und dem jüngeren Sohn zur Zahlung auferlegten Gerichtskommissionsgebühren auf Abschlag der bezahlten Begräbniskosten von 11.410 S dem jüngeren Sohn an Zahlungs Statt überlassen und sowohl die kontoführende Kreditunternehmung sowie den Krankenhausträger über die dem jüngeren Sohn erteilte Verfügungsberechtigung in Kenntnis gesetzt.

Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem älteren Sohn am 21. August 1985 zugestellt. Am 3. September 1985 brachte er einen Schriftsatz an das Abhandlungsgericht zur Postaufgabe, den er als "Rekurs gegen den Bescheid 4 A 176/85" überschrieb und in dem er als Begründung ausführte, bei der "Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt" sei unberücksichtigt geblieben, daß sich die Erblasserin als Übergeberin im Übergabsvertrag vom jüngeren Sohn und dessen Ehefrau ein standesgemäßes Begräbnis ausbedungen habe. Hierauf leitete das Abhandlungsgericht die Akten an den Gerichtskommissär zurück. Vor diesem stellten beide Söhne am 22. Oktober 1985 übereinstimmend den Antrag, ihnen gemeinsam gemäß § 72 AußStrG das freie Verfügungsrecht über den Nachlaß einzuräumen, wobei der jüngere Sohn angewiesen werde, nach Realisierung der Nachlaßgegenstände die Hälfte ihres Wertes seinem Bruder auszubezahlen (Seite 4 des Aktes).

Der Gerichtskommissär leitete die Akten hierauf unter Anschluß des vor ihm errichteten Notariatsaktes vom 1. Juli 1977 über den im Rekurs des älteren Sohnes erwähnten Übergabsvertrag an das Abhandlungsgericht zurück. Dieses legte die Akten dem Rekursgericht zur Entscheidung über den Rekurs vor.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel des älteren Sohnes gegen den im Sinne des § 73 AußStrG gefaßten Beschluß zurück. Es erachtete den Rekurs als unzulässig, weil diesem ein ausdrücklicher Rekursantrag fehle und es auch nicht ersichtlich sei, welchen Rechtsmittelerfolg der Rekurswerber abstrebe. Das Rekursgericht führte aus, die Erblasserin sei inzwischen längst bestattet worden, dies sei nicht rückwirkend zu ändern, dem Rechtsmittelwerber mangle daher die Beschwer.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Rechtsmittelwerber gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluß zu Protokoll erklärte Rekurs ist berechtigt. Der Rekurswerber ist nach der Aktenlage ebenso wie sein jüngerer Bruder einer der beiden nach dem Gesetz zur Erbschaft nach der als Witwe ohne bekanntgewordene letztwillige Verfügung verstorbenen Erblasserin Berufenen. Einer zur Erbschaft berufenen Person steht als Beteiligtem das Rekursrecht gegen Entscheidungen des Abhandlungsgerichtes, mit denen anstelle der Abhandlung durch Einantwortung auf Grund von Erbserklärungen in anderer Form über Besitz und Rechte an einzelnen Verlassenschaftsstücken Anordnungen getroffen werden, also insbesondere gegen Entscheidungen nach § 72 Abs 2 und § 73 Abs 1 AußStrG unabhängig von einer bereits abgegebenen Erbserklärung zu (vgl. SZ 56/195 u.a.). Die formelle Rekursberechtigung zur Anfechtung des im Sinne des § 73 Abs 1 AußStrG gefaßten Beschlusses war daher gegeben. Der ältere Bruder hat mit seiner selbst verfaßten Eingabe vom 3. September 1985 durch deren Bezeichnung als "Rekurs" gegen den durch Aktenzahl und Überschrift hinreichend deutlich bezeichneten erstinstanzlichen Beschluß unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, eine Nachprüfung dieser Entscheidung durch das im Instanzenzug übergeordnete Gericht zu begehren. Ein formeller Rechtsmittelantrag fehlt. Dieser ergibt sich aber zwingend aus der zum Überprüfungsbegehren ausgeführten Begründung. Mit seinen Ausführungen machte der Rekurswerber der Sache nach geltend, die Erblasserin habe einen vertraglichen Anspruch gegen die Übernehmer ihrer Liegenschaft auf Tragung der Kosten ihres Begräbnisses besessen und demzufolge der jüngere Sohn entgegen seinen Angaben zur Todfallsaufnahme keine Forderung gegen die Verlassenschaft auf Ersatz dieser von ihm in Erfüllung seiner übergabsvertraglichen Verpflichtungen getragenen Bestattungskosten gehabt. Wenn ein - nicht durch einen Rechtsbeistand vertretener - Beteiligter gegen eine seine Interessen beeinträchtigende Entscheidung mit einem Sachvorbringen Rekurs erhebt, das nicht anders als Bestreitung der zugrundegelegten materiellen oder formellen Voraussetzungen für die bekämpfte Regelung aufzufassen ist, dann ergibt sich daraus derart zwingend das Rechtsmittelbegehren auf Aufhebung der getroffenen Maßnahme oder, wenn sie wie hier einem Antrag nachkam, auf Abweisung des entsprechenden Antrages, daß dieses Begehren auch ohne formellen Rechtsmittelantrag als Inhalt des Rekurses angesehen werden muß. Entgegen der rekursgerichtlichen Auffassung mangelt es dem Rekurs des älteren Sohnes gegen die Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt an den jüngeren Sohn der Erblasserin nicht am Erfordernis eines umfänglich und inhaltlich eindeutigen Rechtsmittelantrages. Dem zur Erbschaft Berufenen, der die Überlassung von Nachlaßaktiven an einen Gläubiger mit der Behauptung bekämpft, daß die geltend gemachte Forderung des Gläubigers an die Verlassenschaft nicht bestanden habe, gebricht es auch entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes nicht an einer Beschwer. Die rekursgerichtlichen Erwägungen zum Fehlen einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers setzen sich darüber hinweg, daß der Rechtsmittelwerber niemals die Tatsache der Beisetzung, sondern ausschließlich die Verpflichtung zur Kostentragung hiefür zum Gegenstand seiner Rechtsmittelausführungen gemacht hat.

In Stattgebung des Rekurses gegen den rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß war dieser aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über den gegen den erstinstanzlichen Beschluß erhobenen Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

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