OGH 11Os75/86

OGH11Os75/8613.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführers, in der Strafsache gegen Otto L*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichts vom 3.März 1986, GZ 36 Vr 2.040/85- 72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Mit gesonderter Verfügung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung anberaumt werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto L*** des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den vom Rechtsmittelvorbringen betroffenen Punkten des Schuldspruchs liegt Otto L*** im wesentlichen zur Last, am 23.Mai 1985 in Kitzbühel Annemarie L*** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, indem er sie aus ihrer Unterkunft auf die Straße zerrte, sie schlug, mit dem Kopf gegen eine Schneefräse stieß, und mit dem "Umbringen", sohin mit dem Tode, bedrohte, zum Verlassen des Hauses und zum Einsteigen in seinen PKW zu nötigen versucht (Punkt I 2 des Urteilssatzes) und am 17.November 1984 in Kitzbühel Annemarie L***, indem er sie schlug, an den Haaren durch den Hausflur zog und ihr solcherart einen teilweisen Beugesehnenriß am Ringfinger des kleinen Fingers der linken Hand zufügte, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben (Punkt II 2 a).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte ersichtlich nur in den genannten Schuldsprüchen zu den Punkten I 2 (§§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) und II 2 a (§ 83 Abs 1 StGB) mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zu Unrecht erachtet sich der Angeklagte zunächst unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund im Schuldspruchfaktum II 2 a des Urteilssatzes durch die Abweisung seines Antrages auf Vernehmung der Zeugen Johann H*** und Peter K*** als in seinen Verteidigungsrechten beschränkt. Dies gilt für Peter K*** schon deshalb, weil dieser Zeuge im Zeitpunkt der Antragstellung unbekannten Aufenthaltes und daher für das Gericht unerreichbar war (vgl. die Seiten 237 und 246 sowie Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , ENr. 104 zu § 281 Z 4). Eine Einvernahme des Zeugen Johann H***

zum Beweis dafür, daß die zu Punkt II 2 a inkriminierte Verletzung der Zeugin Annemarie L*** nicht vom Angeklagten, sondern von dem Zeugen Michael F*** "stammte", konnte gleichfalls ohne Nachteil für den Beschwerdeführer unterbleiben. Die Tatsache einer von Tätlichkeiten begleiteten Auseinandersetzung zwischen der Ehegattin des Angeklagten und dem Zeugen F*** nahm das Schöffengericht ohnedies als erwiesen an (S 273). Daß der nach der Behauptung der Zeugin L*** im Lokal anwesend gewesene Zeuge H*** darüber hinausgehende detaillierte Wahrnehmungen über die von der Zeugin nach eigenen Angaben mangels Schmerzempfindung zunächst überhaupt nicht beachtete und mangels Blutung auch nicht auffällige Fingerverletzung gemacht haben sollte, hätte im Antragsvorbringen - als mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ohne weiters zu vereinbarend - näher begründet werden müssen, zumal die Zeugin L*** nicht einmal bestätigen konnte, daß Johann H*** die von ihr ins Treffen geführte Auseinandersetzung mit Michael F*** überhaupt wahrgenommen hatte (vgl. S 215). Dazu kommt noch, daß die Zeugin anläßlich ihrer ersten Befragung durch die Gendarmerie (vgl. S 10 der ON 5 in ON 10 der ON 5) und vor dem Untersuchungsrichter (S 66) den Angeklagten eindeutig als Urheber der betreffenden Fingerverletzung bezeichnete und sich nach der (durch mehrere Indizien, insbesondere aber durch den Hinweis der Zeugin Lore G*** - S 177 - gestützten) Überzeugung des Schöffensenates erst im Zuge der Hauptverhandlung offenkundig aus Angst vor dem Angeklagten dazu entschloß, ihn wahrheitswidrig möglichst umfassend zu entlasten. Dies folgte letztlich auch daraus, daß die von der Zeugin L*** in der Hauptverhandlung vorgegebenen Modalitäten der Herbeiführung der (im Gegensatz zu ihrer Behauptung sofort sehr schmerzhaften) Fingerverletzung nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen nicht den Tatsachen entsprechen können (vgl. S 215, 216). Der Verfahrensrüge im Zusammenhang mit der unterbliebenen Einvernahme des Zeugen Johann H*** fehlt es sohin schon an den formalen gesetzlichen Voraussetzungen, weil nach dem für die Prüfung des Zwischenerkenntnisses maßgebenden Inhalt des protokollierten Beweisantrages nicht angegeben wurde, aus welchen Gründen zu erwarten sei, daß die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller erhoffte Ergebnis haben solle.

Der Vorwurf der Mängelrüge, das angefochtene Urteil berücksichtige mit der Verwertung der fernmündlichen Mitteilung der Zeugin G*** über die für die Hauptverhandlung zu erwartende Entlastung des Angeklagten durch die Zeugin L*** ein Verfahrensergebnis, das nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei, steht im Widerspruch zur Aktenlage. Der bezügliche Aktenvermerk (ON 46) wurde nämlich nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls in der Hauptverhandlung verlesen (S 248). Davon abgesehen ergibt sich schon aus den sicherheitsbehördlichen Angaben der Zeugin G***, daß Annemarie L*** in "panischer Angst" vor dem Angeklagten lebte (vgl. S 53 in ON 8).

Soweit die Beschwerde im Rahmen der weiteren Ausführungen zur Mängelrüge eine aus der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung wegen falscher Beweisaussage abgeleitete Zwangslage der Zeugin L*** als Erklärung für ihr Festhalten an den den Beschwerdeführer wahrheitswidrig entlastenden Angaben im Zuge ihrer wiederholten Vernehmungen vor dem erkennenden Gericht in Frage zu stellen sucht, bekämpft sie nur im Nichtigkeitsverfahren unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider unterlief dem Schöffengericht auch keine Aktenwidrigkeit, soweit in der Begründung des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit dem Faktum II 2 a des Urteilssatzes auf die Aussage der Zeugin L*** vor der Gendarmerie Bezug genommen wird. Mag es auch zutreffen, daß die Zeugin L***

in diesem Punkt lediglich informativ durch die am Tatort intervenierenden Gendarmeriebeamten befragt wurde, so widerspricht es keineswegs dem Akteninhalt, wenn die in der Anzeige zusammenfassend festgehaltenen Angaben in der Urteilsbegründung als "Aussage" bezeichnet werden, dies um so weniger, als die Zeugin L*** diese Angaben im Vorverfahren inhaltlich zum Gegenstand ihrer Zeugenaussage erhob (S 66).

Die auf den § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Rechtsrüge, mit welcher der Angeklagte im Faktum I 2 des Schuldspruchs (§§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) ein Eingehen der Urteilsbegründung auf die Gesamtsituation des Tatgeschehens und das "Tätermilieu" als ausschlaggebende Beurteilungskriterien einer gemäß dem § 106 Abs 1 Z 1 StGB tatbestandsmäßigen Drohung mit dem Tod vermißt, setzt sich über die gerade diese Punkte betreffenden Urteilspassagen hinweg, hat doch das Schöffengericht mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die dem Tatopfer als exzessiv gewalttätig bekannte Täterpersönlichkeit und den durch das vorausgegangene Täterverhalten vertieften Angstzustand der Bedrohten die spezifische Deliktseignung der verfahrensgegenständlichen Todesdrohung bejaht (vgl. die Seiten 272, 278). Mangels Bedachtnahme auf den gesamten Urteilsinhalt entbehrt die Rechtsrüge solcherart einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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