OGH 5Ob585/85

OGH5Ob585/856.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***-H***, Tiroler Sparkasse, Sparkassenplatz 1, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Franz Schuhmacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Rudolf B***, KFZ-Mechanikermeister, Kurzer Weg 6, 6060 Absam, vertreten durch Dr. Hansjörg Schiestl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 200.000,-

s. A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1985, GZ 1 R 128/85-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.Februar 1985, GZ 14 Cg 222/84-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit S 8.320,65 (einschließlich S 669,15 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Sparkasse eröffnete am 20.9.1977 Helga W*** einen Kontokorrentkredit in Höhe von S 200.000,-, zu dessen Sicherstellung sie einen von der Kreditnehmerin als Annehmerin und von Anton W*** und dem Beklagten als deren Bürgen unterfertigten Blankowechsel forderte und zusammen mit einer von diesen drei Personen unterfertigten Wechselerklärung vom 22.9.1977 auch erhielt. Mit Brief vom 13.11.1979 kündigte die klagende Sparkasse der Kreditnehmerin den Kredit auf, stellte ihn zum 1.12.1979 fällig und verständigte davon den Beklagten und Anton W***. Der Rechtsvertreter der klagenden Sparkasse forderte am 28.1.1980 in gleichlautenden Schreiben die Kreditnehmerin, den Beklagten und Anton W*** auf, den von ihnen "als Bürge" geschuldeten Betrag von S 244.448,- samt Kosten seiner Kanzlei zuzüglich Zinsen zu bezahlen, und kündigte für den Säumnisfall die Klageführung an. Da auch diese Mahnung erfolglos blieb, brachte die klagende Sparkasse am 14.3.1980 gegen die Kreditnehmerin Helga W***, den Beklagten und Anton W*** beim Erstgericht zur AZ 6 Cg 127/80 die Klage mit dem Begehren ein, die drei Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 245.985,74 samt 14,75 % Zinsen seit 24.1.1980 zu verurteilen. Zur Begründung des Klagebegehrens brachte dort die klagende Sparkasse u.a. vor, daß die dort Beklagten diesen Betrag aus dem eingeräumten Kontokorrentkredit vom 20.9.1977 schuldeten, und der hier Beklagte wendete dort u.a. ein, daß er als Bürge in Anspruch genommen werde, aber seine Bürgenhaftung im Sinne der §§ 1346 ff ABGB sei zeitlich befristet gewesen und im Jahre 1979 abgelaufen. Jener Rechtstreit kam dadurch zu einem Ende, daß sich die Kreditnehmerin Helga W*** und Anton W*** durch gerichtlichen Vergleich zur Zahlung von S 244.448,- samt Zinsen und Kosten verpflichteten und die Klägerin mit dem hier Beklagten ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbarte und ihm Kostenersatz leistete.

Die klagende Sparkasse vervollständigte hernach den in ihren Händen befindlichen Blanko-Sicherungswechsel, stellte ihn mit der Summe von S 200.000,- zum 1.1.1982 fällig und erwirkte beim Erstgericht in dem nun zur Entscheidung stehenden Rechtstreit am 16.4.1984 gegen den beklagten Wechselbürgen einen Wechselzahlungsauftrag.

In seinen Einwendungen berief sich der Beklagte u.a. darauf, daß in dem von der Klägerin eingeleiteten Rechtstreit zur AZ 6 Cg 127/80 des Erstgerichtes ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart worden sei und dabei die Klägerin auf ihre Forderung gegen den Beklagten verzichtet habe.

Die klagende Sparkasse entgegnete darauf, der Beklagte sei in jenem Verfahren aus dem gewährten Kredit und nicht aus seiner Wechselverpflichtung in Anspruch genommen worden; auf den Wechselanspruch sei nie verzichtet worden.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Zahlungsbegehren der Klägerin ab.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als zulässig, weil es die Frage der Bedeutung von Treu und Glauben im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Wechselforderung mangels Beantwortung durch die Rechtsprechung als erheblich ansah.

Übereinstimmend sprachen die beiden Vorinstanzen die Ansicht aus, daß die Klägerin bei der Beendigung des Rechtstreites über die aus dem Kontokorrentkredit geltend gemachte Forderung (AZ 6 Cg 127/80 des Erstgerichtes) durch Vereinbarung ewigen Ruhens dem Beklagten gegenüber nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, auf seine ihrer Ansicht nach dadurch nicht berührte Haftung als Wechselbürge zumindest hinzuweisen, denn die Verschweigung dieses Umstandes habe beim Beklagten zur Überzeugung führen müssen, seine Haftung - aus welchem Rechtstitel auch immer - sei durch das vereinbarte ewige Ruhen des Verfahrens über jene Klage endgültig erledigt. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei, wie das Berufungsgericht darüberhinaus ausführte, im Sinnzusammenhang der §§ 863 und 914 ABGB ein Begriff, der weit über die Vertragsauslegung hinaus Bedeutung erlangt habe (Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 863) und ua ganz allgemein den Schuldner gegen den Gläubiger schützen soll: Gebe der Gläubiger durch bestimmte Schritte - hier das Anbot, den Rechtstreit ewig ruhen zu lassen und dem Beklagten die Prozeßkosten zu zahlen - deutlich zu erkennen, daß ihm an der weiteren Verfolgung des Schuldners nicht gelegen sei, so müsse ein Vorbehalt, dennoch aus einem anderen Titel in derselben Sache auf ihn greifen zu wollen, offen ausgesprochen werden, sonst verstoße dieser Vorbehalt gegen Treu und Glauben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft die klagende Sparkasse mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung ihrem Klagebegehren stattzugeben.

Der Beklagte begehrt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Wechsel, aus dem die klagende Sparkasse den beklagten Wechselbürgen in Anspruch nimmt, wurde zur Sicherstellung ihrer Ansprüche aus der Gewährung eines Geschäftskredites an die Kreditnehmerin und Wechselannehmerin Helga W*** gegeben. Das Grundgeschäft zwischen der klagenden Sparkasse und der Kreditnehmerin Helga W*** war demnach die Kreditgewährung. Der Rechtsgrund der Wechselbegebung, durch die es zur Begründung der formal-abstrakten Wechselverbindlichkeiten der Annehmerin Helga W*** und der beiden Wechselbürgen Anton W*** und des Beklagten kam, war indessen die zwischen den Beteiligten getroffene Zweck- und Zuordnungsvereinbarung, nach der der Wechsel zur Sicherung der Schuld aus der Kreditgewährung dienen sollte (Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz 15 , 61 Rdz 38), denn keine Wechselverpflichtung, auch nicht die Wechselbürgschaft, trägt eine causa in sich selbst (Spiro, Fragen zur Wechselbürgschaft, Festgabe für Simonius, Basel 1955,374). Aus dem Kausalverhältnis können ungeachtet der selbständigen abstrakten Wechselverbindlichkeit persönliche Einwendungen des Schuldners gegenüber dem Wechselgläubiger, der auch Partner aus dem Kausalverhältnis ist, geltend gemacht werden (BGHZ 30, 112).

Hier hat der von der klagenden Sparkasse in Anspruch genommene beklagte Wechselbürge eingewendet, daß anläßlich des Rechtstreites zwischen den Parteien zur AZ 6 Cg 127/80 des Erstgerichtes, in welchem die Klägerin von ihm, der Kreditnehmerin und den zweiten Bürgen des Sicherungswechsels die Zahlung der damals noch offenen Forderung von S 245.985,74 samt Zinsen aus der Gewährung des durch den Wechsel besicherten Kontokorrentkredites begehrte, durch Vereinbarung ewigen Ruhens des Verfahrens und Erstattung der ihm erwachsenen Prozeßkosten auf alle Ansprüche verzichtet wurde. In der Tat muß unter den besonderen Verhältnissen dieses Falles diese Vereinbarung der Parteien in jenem Rechtstreit, die mit den Parteien dieses Prozesses identisch sind, nach ihrem objektiven Erklärungswert gemäß den §§ 863, 1444 ABGB als unzweifelhaft schlüssiger Verzichtsvertrag in Bezug auf jegliche weitere Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin aus der seinerzeitigen Sicherungsabrede, die den Rechtsgrund für die Begebung des Sicherungswechsels abgegeben hat, beurteilt werden. Der sich daraus ergebende Wegfall der Sicherungsabrede als Rechtsgrund für die Begebung des Sicherungswechsels gibt aber dem Wechselbürgen diesen persönlichen Einwand auch im Wechselprozeß gegenüber der Wechselgläubigerin, die auch die Partnerin aus der Sicherungsabrede ist, und führt damit zur Abweisung des Klagebegehrens. In der damit beantworteten Frage des Verhältnisses der abstrakten, materiellrechtlich nicht akzessorischen (Art 7 WG) Wechselbürgschaftshaftung zum Rechtsgrund des Wechselbegebungsvertrages ist auch die Erheblichkeitsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Revision gemäß § 503 Abs 4 Z 1 ZPO zu sehen. Daraus ergibt sich auch die mangelnde Berechtigung der Revision der Klägerin.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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