Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Mai 1966 geborene Günter P*** des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gemäß dem § 21 Abs. 2 StGB wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Es liegt ihm zur Last, daß er am 3.Mai 1985 nach 21.00 Uhr in den Räumen der Computertomografie(-Abteilung) des Allgemeinen Krankenhauses in Wien versucht hatte, die Cumputerassistentin Jutta G*** mit Gewalt gegen ihre Person widerstandsunfähig zu machen und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, indem er ihren rechten Arm packte und umdrehte; ihr mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte; sie in einen Dunkelraum zerrte; ihr das Arbeitskleid und das Unterleibchen vom Körper riß; sie zu Boden warf; sich mit herabgelassenen Hosen auf sie legte; sie am Oberkörper betastete sowie versuchte, ihr Strumpf- und Unterhose auszuziehen, wobei er die sich heftig Wehrende auch würgte, um sie am Schreien zu hindern. Der Angeklagte wurde schließlich, nachdem er bereits sein gesteiftes Glied am Oberschenkel der Jutta G***, die ihre Beine fest zusammenhielt und das Ausziehen ihrer Beinkleider bis dahin noch verhindern konnte, zu reiben begonnen hatte, von einem Krankenpfleger überwältigt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich nur im Ausspruch nach dem § 21 Abs. 2 StGB. Gleichzeitig regt er jedoch die amtswegige Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO an.
Rechtliche Beurteilung
Was zunächst die unter dem Gesichtspunkt des § 290 Abs. 1 StPO zu prüfenden Einwände gegen die Annahme einer Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers im Sinn des § 201 Abs. 1 StGB anlangt, vernachlässigt der Angeklagte die zur subjektiven Tatseite getroffenen, für die rechtliche Beurteilung der Tat als versuchte Notzucht bindenden Urteilsfeststellungen: Danach war er entschlossen, den erwarteten Widerstand mit Gewalt zu brechen und insbesondere Jutta G*** "raschest zu überwältigen" (S 240 f dA); der Tätervorsatz war demnach nicht bloß auf Beugung, sondern auf Brechung des Willens des Opfers durch Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit gerichtet (§ 5 Abs. 1 StGB). Es kann auch nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß die vielfachen Gewaltakte, die der Angeklagte am späten Abend in einem abgeschiedenen Raum des Allgemeinen Krankenhauses - von wo aus weder Sicht- noch Hörkontakt zur Umwelt bestand - gegen das Opfer unternahm, in objektiver Beziehung zumindest als bereits ausführungsnaher (§ 15 Abs. 2 StGB) - für die strafrechtliche Zurechnung als versuchte Notzucht genügender - Versuch der Herbeiführung einer echten Wehrlosigkeit, d.h. eines Zustandes extremer Hilflosigkeit zu werten sind.
Daß Jutta G*** weder verletzt wurde noch berufsunfähig war, ist hier für die Entscheidung der Widerstandsunfähigkeit ohne Belang.
Die Anlaßtat wurde vom Erstgericht sohin zutreffend nicht bloß als versuchte Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB qualifiziert, sondern rechtsrichtig dem Tatbestand der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB unterstellt. Zu dem in der Beschwerde angeregten Vorgehen nach dem § 290 Abs. 1 StPO besteht folglich kein Anlaß; auch dem Rechtsmittelbegehren, "in eventu" eiie schuldangemessene (geringere) Strafe zu verhängen (S 283), war daher nicht näherzutreten. Der Rechtsrüge des Angeklagten gegen die vom Erstgericht angeordnete sichernde Maßnahme nach dem § 21 Abs. 2 StGB ist zu erwidern:
Das Erstgericht stellte ausdrücklich fest, daß der Angeklagte voll zurechnungsfähig war (S 243, 252 dA). Diese pauschale Annahme enthält zwar auch Elemente der rechtlichen Beurteilung, bedeutet aber im Zusammenhalt mit den ihr zugrundegelegten Gutachten zweier psychiatrischer Sachverständiger, daß das Erstgericht (auch) in tatsachenmäßiger Beziehung sowohl die (für den Rechtsbegriff der Zurechnungsfähigkeit vorausgesetzte) Diskretions- als auch die Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit bejahte. Soweit die Beschwerde im Gegensatz zu den übereinstimmenden, zusammenfassenden Expertisen der Sachverständigen (S 115, 165 ff, 199, 221, 230, 232 dA) versucht, einzelne Passagen im Sinn eines Fehlens der Diskretions- oder der Dispositionsfähigkeit umzudeuten, also andere Schlußfolgerungen als die Sachverständigen zieht, wird das Rechtsmittel (insoweit auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützt) nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt. Davon abgesehen fehlt es der Beschwerde in ihren Einwänden gegen die Zurechnungsfähigkeit, mit denen der Sache nach auch der Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB geltend gemacht wird (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b, allenfalls [§ 287 StGB] Z 10 StPO), schon an den formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Denn der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung mit seiner Erklärung, auf Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung "wegen Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren" zu verzichten und lediglich Rechtsmittel gegen die Einweisung in eine Anstalt nach dem § 21 Abs. 2 StGB zu erheben (S 233 dA), von der Anfechtungsmöglichkeit des Schuldspruches wegen der Anlaßtat unwiderruflich Abstand genommen (§ 285 a Z 1 StPO). Auch die Unterbringung eines zurechnungsfähigen geistig abnormen Rechtsbrechers nach dem § 21 Abs. 2 StGB setzt zwingend (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO) voraus, daß die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Anlaßtat unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen wird. Darunter ist eine schwere Abnormität zu verstehen, dh eine solche, die eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegt und so ausgeprägt ist, daß sie die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann (Leukauf-Steininger 2 , RN 20 und Pallin im WrK RZ 16, je zu § 21 StGB).
Die Behauptung eines Feststellungsmangels in der Frage dieser Einweisungsvoraussetzung (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO) geht indes fehl:
Als geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades nahm das Erstgericht - im Sinn der schon genannten Kriterien - ausdrücklich eine perinatale Hirnschädigung (Encephalopathie) mit Neigung zu "abnormem und gewalttätigem sexuellen Verhalten gegenüber Frauen" (wie es Gegenstand der vorliegenden und einer früheren Verurteilung war) an (S 244 f dA). Diese Feststellung ist durch die psychiatrischen Gutachten gedeckt (S 199, 215 ff, 229, 231 f dA). Mit Unterschieden zwischen den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P*** in der Hauptverhandlung und im Vorverfahren (ON 19), in welch letzterem - im Hinblick auf ein anderes Beweisthema - von einer schweren geistigen oder seelischen Abnormität des Angeklagten noch nicht ausdrücklich die Rede war, setzte sich das Erstgericht in der Urteilsbegründung ersichtlich auseinander (S 250, 251 dA). Das Ersturteil ist daher in diesem Punkt auch nicht mit einem von der Beschwerde der Sache nach eingewendeten Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) behaftet. Die in der Beschwerdeschrift ins Treffen geführte Passage des Gutachtens aus dem Vorverfahren, wonach "ein abnormer Zustand, bei dem die geistige Entwicklung (des Angeklagten) unvollständig oder auf einem früheren Entwicklungsstadium stehengeblieben wäre", nicht vorhanden sei (ON 19, S 109 dA), bezieht sich auf die - mit der erwähnten Aussage
verneinte - Abnormität einer Entwicklungshemmung und hat mit der vom Erstgericht konkret festgestellten geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades nichts zu tun. Im übrigen stellen sich die Einwände gegen die eingeholten Sachverständigengutachten nur als ein im Nichtigkeitsverfahren unzulässiges, die Beweis- bzw. Überzeugungskraft dieser Beweismittel bestreitendes Vorbringen dar. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt es auch nicht darauf an, ob sich die "überproportional ausgeprägte Enthemmung" nur durch das Zusammentreffen von organischem Gehirnschaden und Alkoholgenuß zeigte. § 21 Abs. 2 StGB verlangt nämlich nicht, daß die schwere Abnormität die einzige Ursache der Tatbegehung darstellt; sie muß lediglich die Tatbegehung beeinflußt haben (vgl. Leukauf-Steininger, aaO, RN 21), was vorliegend zutrifft. Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde in keinem Anfechtungspunkt als stichhältig, in einzelnen Einwendungen auch als nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt. Sie war daher zu verwerfen.
Aber auch die Berufungsausführungen, mit denen sich der Angeklagte gegen die Anstaltsunterbringung wendet, verfangen nicht. Eine Überprüfung der Aktenlage ergibt, daß das Schöffengericht unter besonderer Bedachtnahme auf das Vorleben des Angeklagten und die Gutachten der beigezogenen gerichtsmedizinischen Sachverständigen sämtliche für die Maßnahme nach dem § 21 Abs. 2 StGB erforderlichen Kriterien richtig beurteilte; es ist somit auch der vom Berufungswerber bekämpften Gefährlichkeitsprognose zuzustimmen.
Der Berufung des Angeklagten, der im Zusammenhang mit seinem "Gehirnschaden" selbst ein nicht "wirkungsgenügendes Eigenbemühen zwecks Loskommens vom Alkohol" einräumt (S 282), war somit gleichfalls der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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