Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Februar 1930 geborene Tischlergeselle Franz S*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die beiden anklagekonform gestellten Hauptfragen mehrheitlich (mit jeweils sechs zu zwei Stimmen) bejaht hatten, des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 14.Juni 1984 in Landertsham, Gemeinde Redlham (OÖ), 1. Gertraude R*** durch Versetzen von Stichen in die rechte Halsregion und in den Rückenbereich mit einer eher einschneidigen scharfen Stichwaffe und durch Versetzen von sechs Hackenhieben gegen den Schädel, sowie Barbara R*** durch Zufügen einer 9 cm langen, bis zur Halswirbelsäule reichenden, Luft- und Speiseröhre und die rechte Halsschlagader durchtrennenden Schnittverletzung mit einer einschneidigen und scharfgeschliffenen Stich-Schnitt-Waffe vorsätzlich getötet zu haben; 2. dem Franz R*** eine Herrenarmbanduhr der Marke Ricoh-Quartz mit goldfarbenem Gehäuse und gleichfarbenem Metallarmband im Wert von ca 1.000 S, eine Damenarmbanduhr mit Chromgehäuse und Chromspangenarmband im Wert von ca 150 S, einen Herrengoldring mit einem Lapis-Lazuli-Stein im Wert von 2.782 S, Silbergeld im Betrag von mindestens 1.000 S, zwei Stück Maria Theresientaler im Wert von 220 S und eine Geldbörse unbekannten Wertes mit Bargeld sowie ausländische Münzen und Papiergeld, mithin fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Franz S*** mit einer auf die Z 4 und 5 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, daß die Gendarmeriebeamten Walter F*** und Franz H*** auf Grund eines von der Verteidigung in der Hauptverhandlung am 3.Dezember 1985 gestellten Beweisantrages unter Mißachtung der Bestimmung des § 221 Abs 1 (letzter Satz) StPO für den 4.Dezember 1985 als Zeugen geladen und an diesem Tag auch vernommen worden seien, sodaß ihnen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Beweisthemas und einer entsprechenden Vorbereitung auf ihre Aussage gefehlt habe. Dabei übersieht er, daß eine mit Nichtigkeit bedrohte Verletzung der Vorschrift des § 221 Abs 1 StPO nur dann vorliegt, wenn dem Angeklagten zwischen der Vorladung und der Hauptverhandlung eine Vorbereitungsfrist von drei Tagen (im schöffengerichtlichen Verfahren) bzw von acht Tagen (im geschwornengerichtlichen Verfahren) nicht zuteil wird. Hingegen steht ein Verstoß gegen die Bestimmung, wonach Zeugen und Sachverständige in der Art zur Hauptverhandlung vorzuladen sind, daß in der Regel zwischen der Zustellung der Vorladung und dem Tag, an dem die Hauptverhandlung stattfindet, ein Zeitraum von drei Tagen liegt (§ 221 Abs 1, letzter Satz, StPO), nicht unter Nichtigkeitssanktion. Zudem gilt diese Frist, deren Einräumung es dem Zeugen ermöglichen soll, für die Zeit, während er bei Gericht ist, die nötigen Vorkehrungen zu treffen (vgl Foregger-Serini, StPO 3 , Erl I zu § 221 StPO), und die daher im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes steht (arg "in der Regel"), ebenso wie die Vorbereitungsfrist für den Angeklagten nur für die Anordnung der ersten Hauptverhandlung und nicht auch dann, wenn - wie hier - die Hauptverhandlung zur Herbeischaffung von Beweismitteln unterbrochen oder vertagt wird (§§ 273, 276 StPO).
Eine den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO bewirkende Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines Antrags auf (nachträgliche) Beeidigung des Zeugen Gerhard K*** (seines Quartiergebers) zum Beweis dafür, daß er sich am 14.Juni 1984 (dem Tag der Tat) zwischen 17 Uhr und 17,30 im Haus Flurgasse 62 in Wels aufgehalten habe (und daher keinesfalls von anderen Zeugen in der weiteren Umgebung des Tatorts bzw im Raum von Attnang Puchheim gesehen worden sein könne). Das Zwischenerkenntnis wurde vom Schwurgerichtshof damit begründet, daß die Aussage des Zeugen K*** "in sich widersprüchlich ist, demnach teils unwahr erscheint und deshalb bei einer Beeidigung eine Nichtigkeit gegeben sein könnte" (vgl Band VII S 288 f d.A). Nach der seit dem 1.Jänner 1975 geltenden Rechtslage (vgl §§ 247 Abs 2, 281 Abs 1 Z 3 StPO idF Art I Z 77 StPAnpG, BGBl Nr 423/1974) ist das Unterbleiben der Beeidigung eines Zeugen nicht mehr unmittelbar mit Nichtigkeit bedroht
(vgl ÖJZ-LSK 1976/203). Ein Zeuge ist (vor oder nach seiner Abhörung) nur dann zu beeiden, wenn der Beeidigung kein gesetzliches Hindernis (§ 170 StPO) entgegensteht und wenn das Gericht sie zur Wahrheitsfindung für unerläßlich hält oder der Ankläger oder der Angeklagte sie verlangen.
Die Frage, ob ein Eideshindernis vorliegt, hat im Verfahren vor dem Geschwornengericht der Schwurgerichtshof allein zu entscheiden. Wenn er sich bei Fällung eines Zwischenerkenntnisses über Beweisanträge auch vor Augen halten muß, daß die Lösung der Tatfrage nicht ihm, sondern allein den Geschwornen zukommt und deren Entscheidung durch die Ablehnung von angebotenen Beweisen, die nicht schon aus objektiv an Hand der Akten überprüfbaren Gründen als unerheblich erkennbar sind, grundsätzlich nicht vorgegriffen werden darf (vgl Mayerhofer-Rieder II/2 Nr 12 ff zu § 345 Abs 1 Z 5 StPO), so hat er doch darüber zu befinden, ob die Angaben eines Zeugen, deren objektive Unwahrheit auf der Hand liegt oder klargestellt ist, wesentliche Tatumstände betreffen und ob dem Zeugen im Punkt dieser Unwahrheit ein bloßer Irrtum zuzubilligen sei, weil die beeidete Vernehmung eines Zeugen trotz Vorliegens eines Eideshindernisses gemäß dem § 170 Z 7 StPO Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z 4 des § 345 Abs 1 StPO bewirken würde.
Vorliegend wurden durch die Ablehnung der von der Verteidigung begehrten Beeidigung des Zeugen Gerhard K*** keine Verfahrensgrundsätze verletzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist. Der Zeuge Gerhard K*** hatte im Zug seiner Vernehmung (ua) dezidiert behauptet, daß an dem betreffenden Abend die Fußballweltmeisterschaft begonnen habe und das an diesem Abend durchgeführte Fußball-Länderspiel ab 17,30 Uhr im Fernsehen übertragen worden sei (vgl Band VII, Seite 273 ff). Dieser Teil seiner Zeugenaussage war jedoch objektiv offensichtlich unwahr, ohne daß diese Angaben plausibel als bloßer Irrtum aufgeklärt wurden. Laut ORF-Beilage zur Wiener Zeitung (vgl Beilage zu Band I) wurde die Fußball-Europameisterschaft 1984 bereits am 12.Juni 1984 (mit dem Fußball-Länderspiel Frankreich-Dänemark) eröffnet und am 13. Juni 1984 (mit dem Fußball-Länderspiel Belgien-Jugoslawien) fortgesetzt; die Fernsehübertragung des Fußball-Länderspiels Deutschland-Portugal begann am 14.Juni 1984 schon um 17,00 Uhr. Den Beschwerdeausführungen zuwider betreffen diese Angaben, deren Unwahrheit eindeutig bewiesen ist, keinesfalls nur Nebensächlichkeiten oder bloße Ungenauigkeiten, sondern wesentliche Umstände, auf welche sich der Zeuge als Erinnerungsstütze für seine angeblichen den Angeklagten entlastenden Wahrnehmungen berief, denen zufolge Franz S*** am 14.Juni 1984 zwischen 17,00 Uhr und 17,30 Uhr in seiner Wohnung in Wels, Flurgasse 62, gewesen sein soll. Zudem schloß der Zeuge Gerhard K*** trotz Vorhalts in seiner Aussage aus, daß der von ihm geschilderte Vorfall sich erst am 15. Juni 1984 (oder später) ereignet haben könnte (vgl Band VII, Seite 283 ff).
Dem Schwurgerichtshof kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der gegebenen Beweislage zur Auffassung gelangte, daß die Beeidigung des Zeugen Gerhard K*** Nichtigkeit im Sinn der §§ 170 Z 7, 345 Abs 1 Z 4 StPO begründen "könnte".
Dem Urteil haftet sohin auch keine Nichtigkeit gemäß der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
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