Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Ernst E*** und Johann S*** wurden des Verbrechens des schweren Betrugs, und zwar jener nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 3 StGB. und dieser nach §§ 146, 147 Abs. 3 (in der Beteiligungsform des dritten Falls des § 12) StGB. schuldig erkannt.
Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Ernst E*** erlitt am 7.September 1980 einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde und in dessen Folge er neuneinhalb Monate arbeitsunfähig war. Mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung verleitete Ernst E*** Angestellte der I*** und Schadenversicherung AG - der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners Christian K*** - durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Angabe höherer als tatsächlich bezogener Einkommen für 1980 und durch die Vorlage von falschen Einkommensbestätigungen, die ein überhöhtes Monatseinkommen auswiesen bzw. in denen nicht oder nicht mehr existierende Unternehmen als Aussteller aufschienen, zur Auszahlung eines Entschädigungsbetrags für Verdienstentgang von
356.250 S. Dadurch wurde das Versicherungsunternehmen um den Betrag von 220.875 S, der den wirklichen Verdienstentgang überstieg, geschädigt.
Der in den kriminellen Plan E*** eingeweihte Johann S*** hat zur Tat dadurch beigetragen, daß er als (Mit-)Geschäftsführer der "M***-GesmbH" eine mit dem 17.Dezember 1980 datierte Bestätigung ausstellte, wonach Ernst E*** als freier Handelsvertreter dieses Unternehmens in den ersten acht Monaten des Jahrs 1980 ein Monatsdurchschnittseinkommen von 38.429 S bezogen habe. Tatsächlich hatte das Provisionseinkommen E*** bei der "M***-GesmbH" im Jahr 1980 bis zum Unfallstag insgesamt nur 155.253 S, sohin monatlich rund 19.000 S, betragen. Die weiteren, von E*** zum Zweck der Vortäuschung eines Monatseinkommens von 50.000 S der Versicherungsgesellschaft gleich der vorgenannten Bestätigung jeweils in Fotokopie durch den Wiener Rechtsanwalt Dr. Erhard D*** vorgelegten Urkunden (I.Bd. ON. 2 ff., insbesondere ON. 12) bestanden: erstens in einem von unbekannten Komplizen beschafften, mit der nachgemachten Unterschrift eines Hans D*** versehenen Schreiben der nicht existenten und niemals existent gewesenen "A*** F*** U***" vom 29.Jänner 1981,
wonach E*** bei diesem Unternehmen von Jänner 1980 bis Ende August 1980 insgesamt 12.783 DM verdient hätte; zweitens (offenbar auch: Bd. II S. 28 f., 43) in einem Schreiben der "GRU Gesellschaft für rationelle Unternehmensführung m.b.H. Düsseldorf" vom 20. März 1981 und drittens in einer Aufstellung der angeblichen Nettobezüge bei der GRU. bis Ende 1979. Die beiden zuletzt angeführten Schriftstücke wiesen die nachgemachte Unterschrift des seinerzeit letzten Geschäftsführers Paul S*** auf (die GRU. hat ihre Tätigkeit im Jahr 1970 eingestellt, im Jahr 1973 wurde sie im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf gelöscht). Der Schuldspruch wird von den Angeklagten Ernst E*** und Johann S*** mit getrennt ausgeführten, jeweils auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden angefochten.
Zur Beschwerde des Ernst E***:
Rechtliche Beurteilung
Unvollständig begründet (Z. 5) sollen die - auf die Aussagen des Zeugen Alfred M*** und die Angaben des Angeklagten vor dem Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien gestützten (Bd. II, S. 37) - Feststellungen der von E*** im Jahr 1980 bei der "M***-GesmbH" bezogenen Provisionen deshalb sein, weil eine Erörterung jenes Teils der Aussagen des Zeugen M*** (Bd. I ON. 52 S. 286 i.V.m. Bd. II ON. 60 S. 14) unterblieben ist, denen zufolge es vorgekommen sei, daß Vertreter (so auch einige Zeit E*** und der Zeuge B***) zusammengearbeitet und intern die Provisionen geteilt hätten, was aber ihn (den Zeugen M***) "nicht interessiert" habe. Allein mit diesen, aus dem Zusammenhang gelösten Passagen aus den Angaben des M*** hatte sich das zur Abfassung seiner Entscheidungsgründe in gedrängter Fassung verpflichtete (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) Erstgericht nicht eigens zu befassen: Einerseits hat M*** ein Monatsnettoeinkommen des Beschwerdeführers im fraglichen Zeitraum von ca. 16.854 S als "realistisch" bezeichnet und ausdrücklich deponiert, daß B*** nur das ihm zustehende Entgelt ausbezahlt erhalten habe (Bd. I ON. 52 S. 286 f. i.V.m. Bd. II ON. 60 S. 14); andererseits hat der Beschwerdeführer gegenüber der Finanzstrafbehörde ausdrücklich die Höhe der von der "M*** GesmbH" für das Jahr 1980 bekanntgegebenen Provisionsbeträge von insgesamt rund 155.253 S nicht bestritten (ON. 54 S. 435, 453 i. V.m. Bd. II ON. 60 S. 14). Soweit in der Beschwerde wegen der angeblichen Darstellung des B***, er hätte "nach außen hin ein wesentlich höheres Einkommen gehabt, das nicht den Tatsachen entsprochen und er lediglich die Mehrwertsteuer von E*** erhalten hätte", wegen einer behaupteten Vorgangsweise des letzteren unter dem Gesichtspunkt steuerlicher Vorteile und wegen der Tatsache, daß er den angeführten Provisionsbetrag in einem Finanzstrafverfahren nicht bestritten hat, die Möglichkeit anderer als der Urteilsfolgerungen darzulegen versucht wird, stellt dies eine unzulässige Bekämpfung der freien Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs. 2 StPO.) dar.
Gleiches gilt für die restlichen Ausführungen unter § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., mit denen gegen einen Teil der denkrichtigen und zureichenden Begründung des Erstgerichtes remonstriert wird, mit der es dem Zeugen B*** den Glauben versagt hat.
Der Sache nach aus § 281 Abs. 1 Z. 10 (nicht Z. 9 lit. a) StPO. wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme der Qualifikation des § 147 Abs. 1 Z. 1 StGB.
Die Rechtsrüge versagt.
Es ist zwar richtig, daß einer unbeglaubigten Fotokopie einer Urkunde der Urkundencharakter im Sinn des § 74 Z. 7 StGB. fehlt (SSt. 47/22, JBl. 1982 S. 609 u.a.). Die Präsentierung einer (wenngleich unbeglaubigten) Fotokopie einer nachgemachten oder verfälschten Urkunde zum Zweck der Täuschung stellt jedoch eine qualifikationsentsprechende Sonderform der Benützung der abgelichteten Urkunde (§ 147 Abs. 1 Z. 1, erster Fall, StGB.) selbst dar (Kienapfel BT. II RN. 43 zu § 147 StGB., SSt. 24/87). Um eine derartige Benützung einer falschen Urkunde handelt es sich bei der durch den Rechtsanwalt Dr. D*** im Auftrag des Beschwerdeführers vorgenommenen Vorlage der Ablichtungen der mit nachgemachten Unterschriften versehenen - dem Rechtsanwalt im Original übergebenen (siehe abermals ON. 12) - Schreiben der "A*** F***
U***" und der "GRU Gesellschaft m.b.H." samt einer Aufstellung angeblich empfangener Nettojahresbezüge an die Versicherungsgesellschaft. Insoweit bedarf es daher keines Ausweichens auf die von der Rechtsprechung bisher in den Fällen der Benützung verfälschter unbeglaubigter Fotokopien bejahte (SSt. 47/22; RZ. 1976/116 u.a.) Qualifikation des Beweismittelbetrugs nach § 147 Abs. 1 Z. 1, zweiter Fall, StGB. Im übrigen sind die Qualifikationsfälle des § 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. rechtlich gleichwertig, sodaß selbst ein Vertauschen derselben unter dem Gesichtspunkt der sachlich geltend gemachten Urteilsnichtigkeit (Z. 10) unerheblich wäre.
Einzuräumen ist dem Beschwerdeführer, daß die (ebenfalls in Ablichtung vorgelegte) Bestätigung der "M*** GesmbH" nur inhaltlich unrichtig ist, aber vom angegebenen Aussteller stammt. Dieses Schriftstück ist daher nicht als falsche oder verfälschte Urkunde im Sinn der §§ 74 Z. 7, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. anzusehen. Doch genügt es für die Qualifikation des Urkundenbetrugs, daß § 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. auf die Benützung der beiden Schreiben der "A*** F*** U***" und der "GRU GesmbH" samt
Beilage zutrifft. Der Beschwerdeeinwand der Benützung einer bloß inhaltlich falschen Urkunde kann darum auf sich beruhen.
Zur Beschwerde des Johann S***:
Was immer dieser Angeklagte als Unvollständigkeit der Begründung (Z. 5), indes inhaltlich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht statthaften Schuldberufung gegen die festgestellte Höhe des vom Mitangeklagten bei der "M*** GesmbH" bezogenen Einkommens ins Treffen führt, ist gleich den korrespondierenden Ausführungen der zuvor erledigten Beschwerde eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung (siehe oben).
Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) sucht aus urteilsfremden Prämissen abzuleiten, daß dem Beschwerdeführer bei der Ausstellung der inhaltlich falschen Einkommensbestätigung bloß Fahrlässigkeit zur Last liege. Die Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds setzt ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraus. Diesem zufolge war jedoch der Angeklagte S*** bei der Ausstellung der Bestätigung in den kriminellen Plan des Angeklagten E*** eingeweiht, er rechnete damit und erklärte sich innerlich damit einverstanden (§ 5 Abs. 1 StGB.), daß die Versicherung einen 100.000 S übersteigenden Schaden erleiden würde (Bd. II S. 29). Somit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*** zur Gänze und jene des Angeklagten E*** zum Teil als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt; im übrigen aber ist letztere nicht begründet.
Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Schöffengericht verhängte nach § 147 Abs. 3 StGB. über Ernst E*** eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten und über Johann S*** unter Anwendung des § 41 StGB. eine solche von acht Monaten. Gemäß § 43 Abs. 2 bzw. 1 StGB. wurden beiden Angeklagten die Strafen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend:
hinsichtlich E*** die Bestimmung des Mitangeklagten zur Straftat und den Umstand, daß er daraus den alleinigen Vorteil zog, bezüglich S*** keinen Umstand, hingegen bei beiden Verurteilten als mildernd ihren bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Zurückliegen der Tat bei E*** um mehrere Jahre (Tatzeit bis Mai 1982), bei S*** um fünf Jahre, in Verbindung mit dem zwischenzeitigen Wohlverhalten beider Angeklagten, bei S*** überdies die Anstiftung durch E***.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen an, wobei E*** die Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. rekalmiert; S*** begehrt auch die Verhängung einer (bedingt nachzusehenden) Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe (§ 37 StGB.). Beiden Berufungen ist ein Erfolg nicht beschieden.
Wenngleich sich - wie der Berufungswerber E*** zutreffend anführt - die gänzliche Zuwendung des aus dem gemeinsam begangenen Delikt entstandenen (materiellen) Vorteils nach Lage des Falls nicht als erschwerend auswirken kann, stellte das Schöffengericht im übrigen die Strafzumessungsgründe richtig fest.
Der Meinung des Berufungswerbers E*** zuwider geben untadeliger Wandel und Unbescholtenheit nicht zwei Milderungsumstände ab. Unbescholtenheit stellt nämlich für sich allein keinen Milderungsgrund dar, insbesondere auch nicht jenen nach § 34 Z. 2 StGB.
Auch auf der Grundlage der vorstehend in einem Punkt korrigierten Strafzumessungsgründe verhängte das Landesgericht über den Angeklagten E*** eine keinesfalls überhöhte, wie schon angeführt, ohnehin bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe. Für die Anwendung des § 41 StGB. mangelt es - im Gegensatz zu der von dem zuletzt Genannten vertretenen Ansicht - an einem (nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach) "beträchtlichen" Überwiegen der Milderungsumstände gegenüber den Erschwerungsgründen, belastet doch die Anstiftung (§ 33 Z. 4 StGB.) im gegebenen Fall die Schuld des Berufungswerbers sehr schwer. Auch die zwischenzeitigen Verurteilungen des Berufungswerbers E*** zu 10 U 1748/84 und 1 U 244/85 des Strafbezirksgerichts Wien, welche zum vorliegenden Urteil im Verhältnis des § 31 StGB. stehen, führen nicht zur Reduktion der angefochtenen Freiheitsstrafe, weil auch bei Berücksichtigung dieser beiden (Geld-)Strafen im Sinn des § 40 StGB. eine geringere als die vom Landesgericht über E*** verhängte Strafe nicht indiziert ist. Aber auch in Ansehung des Angeklagten S*** verhängte das Erstgericht keine überhöhte (gleichfalls bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe. Eine noch weitergehende Anwendung des § 41 StGB. ist nicht vertretbar.
Bleibt es aber bei der vom Erstgericht für S*** ausgemessenen Strafe, scheidet die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe schon wegen der (sechs Monate übersteigenden) Strafdauer aus (§ 37 StGB.).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)